Europawahl-Jahr

Hauptquartier in Brüssel: Wo die SPE den Europawahlkampf plant

Karin Nink01. Januar 2019
SPE-Hauptquartier in Brüssel: Hier laufen die Vorbereitungen für den Europawahlkampf bereits auf Hochtouren.
SPE-Hauptquartier in Brüssel: Hier laufen die Vorbereitungen für den Europawahlkampf bereits auf Hochtouren.
Im Hauptquartier der SPE in Brüssel planen die Sozialdemokraten den Europawahlkampf. Vor allem junge Menschen aus allen Teilen Europas sind hier aktiv. Der „vorwärts“ durfte hinter die Kulissen schauen.

Sie sind gut aufgestellt in der Rue Guimard. Sechs Monate vor der Europawahl 2019 herrscht in den Räumen der SPE-Zentrale in Brüssel konzentriertes und emsiges Treiben. Hier bereitet sich die Sozialdemokratische Partei Europas (SPE) zielstrebig auf die bevorstehenden Europawahlen vom 23. bis 26. Mai 2019 vor. Vorwiegend junge Leute aus allen Teilen des Kontinents arbeiten in den modernen, hellen Büroräumen, die Offenheit und Transparenz signalisieren. Jeder hier weiß, auf diese Wahl kommt es an.

Im regen Austausch mit allen Mitgliedsparteien

„Das wird die wichtigste und härteste Wahlkampagne, seit es das Europäische Parlament gibt“, betont SPE-General­sekretär Achim Post, der auch Vize-Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion ist. Post ist seit Jahrzehnten in der Europa-Politik aktiv und rechnet damit, dass die Wahlkampfauseinandersetzungen „laut und wuchtig“ werden. Soziale und liberale Positionen versus nationalistische und rassistische. „Ein Europa der Zusammenarbeit gegen ein Europa der Abschottung.“ – Eine Wahl, die Weichen stellen wird. Davon ist jede und jeder der gut 40 SPE-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter überzeugt.

Zusammen mit SPE-Präsident Sergei Stanishev aus Bulgarien bereitet Post in der Brüsseler Zentrale den EU-Wahlkampf vor. Zum zweiten Mal treten die europäischen Sozialdemokraten mit einem gemeinsamen Spitzenkandidaten an, der auch Kommissionpräsident werden soll. Für die Kampagne entwickeln sie abgestimmte Positionen und Forderungen für die gesamte SPE, auch wenn jede Mitgliedspartei ihren nationalen Wahlkampf selbst organisiert. Die SPE-Zentrale ist dabei mit allen Parteien im ständigen Austausch.

Begeisterung über Frans Timmermans

Die drei Stellvertreter von Post, die Niederländerin Marije Laffeber, der Italiener Giacomo Filibeck und der Belgier Yonnec Polet teilen die Einschätzung ihres Chefs im Hinblick auf den bevorstehenden Wahlkampf. Jeder von ihnen verantwortet unterschiedliche Arbeitsbereiche in der Parteizentrale und ist gleichzeitig Mitglied der Wahlkampfleitung. Marije Laffeber und ihre beiden Kollegen bereiten die Treffen der sozial­demokratischen Ministerinnen und ­Minister sowie die Sitzungen der sozial­demokratischen Regierungschefs vor jedem EU-Gipfel vor. „Die Auseinandersetzung wird in diesem Wahlkampf sehr grundsätzlich“, sagt Laffeber.

Ihr obliegt der Bereich Demokratie sowie die Organisation der Zusammenarbeit innerhalb der SPE, des Zusammenschlusses der 33 sozialdemokratischen Parteien aus der gesamten Europäischen Union. Stolz erzählt Laffeber, dass sich die Generalsekretäre aller Mitgliedsparteien seit vielen Jahren regelmäßig treffen und austauschen. Auch wenn sie es nicht besonders betont, die Niederländerin begrüßt, dass ihr Landsmann Frans Timmermans der gemeinsame SPE-Spitzenkandidat für die Europawahl ist. Der SPE-Kongress in Lissabon, der ihn kürte, wurde auch von Laffeber und ihrem Team vorbereitet. Die Entscheidung für Timmermans sei für ganz Europa, aber auch für die Niederlande gut, sagt sie: „Ich finde das großartig, das kann ich nicht leugnen.“

Europäische Jugendgarantie als großer Erfolg

Der Italiener Giacomo Filibeck, der außerhalb von Wahlkampfzeiten für die internationalen Kontakte der SPE und die Außen- und Sicherheitspolitik zuständig ist, geht zuversichtlich in die Europawahl: „Wir haben mit Frans Timmermans den besten Kandidaten für das Amt des ­Kommissionspräsidenten.“ Giacomo ­Filibeck freut sich deshalb besonders auf seine Aufgaben in der Wahlkampfleitung. Er wird vor allem mit den engsten Mitarbeitern des Spitzenkandidaten die europaweite Kampagne von Frans ­Timmermans koordinieren.

Yonnec Polet steht als stellvertretender Generalsekretär der gemeinsamen SPE-Politik in den Bereichen Arbeit und Soziales, Wirtschaft und Umwelt sowie der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit vor. Als einen großen Erfolg betrachtet Polet die von den Sozialdemokraten vor der Europawahl 2014 vorangetriebene „Europäische Jugendgarantie“, mit der die massive Jugendarbeitslosigkeit von bis zu 50 Prozent gerade im Süden der EU bekämpft werden soll. Die „Jugendgarantie“ verspricht, dass in der EU allen jungen Menschen unter 25 Jahren innerhalb von vier Monaten, nachdem sie arbeitslos geworden sind oder die Schule verlassen haben, ein hochwertiger Arbeits- oder Ausbildungsplatz bzw. eine hochwertige Weiterbildung angeboten wird. „Da hat sich was bewegt“, freut sich Polet.

Eigene Kampagnen für Jugend und Frauen

Aber er weist auch darauf hin, dass die Europäische Sozialdemokratie mehr wolle. Die Jugendarbeitslosigkeit sei gerade in Südeuropa weiterhin deutlich zu hoch. Deshalb dränge die SPE weiter auf verstärkte Anstrengungen der ­Europäischen Union. Die Belange junger Menschen haben in der SPE-Kampagne 2019 einen herausragenden Stellenwert. Die Jugendkampagne wird neben der Frauenkampagne schon jetzt angelegt. „Es ist bewundernswert, mit welchem Elan die Frauen- und Jugendorganisationen der SPE die Wahlkampagne angehen“, sagt Post.

Die SPE werde nicht „hinter den Errungenschaften von 2014 zurückbleiben“, verspricht er. Neben dem gemeinsamen Kandidaten, der nun bei dem Wahlkongress in Lissabon gewählt worden ist, zeigt sich die SPE auch offen für neue politische Konstellationen der Zusammenarbeit: „Das Rennen um die Nachfolge von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker beginnt gerade erst. Nach der Europawahl ist das Fenster auch für neue Koalitionen und Mehrheiten in Brüssel offen“, so Post. „Eine Fortsetzung der großen Koalition ist beileibe kein ­Naturgesetz. Von einer rot-rot-grünen Zusammenarbeit bis zu einer Euro-Ampel ist vieles denkbar. Klar ist nur: Jeder Spitzenkandidat, der Kommissionspräsident werden will, braucht eine Mehrheit im Europäischen Parlament.“

weiterführender Artikel

Kommentare

Unternehmen und Arbeitnehmer[innen] - ein neuer Weg für Europa

Es hört sich hoffnungsvoll an, dass die SPE sowohl geschlossen mit Frans Timmermans an der Spitze in den Wahlkampf zieht, wie auch zielgruppenorientierte Kampagnen zur Jugend und den Frauen entwickelt. Allerdings fehlt hier die größte verbündete Gruppe der Sozialdemokratie. Der EGB. Dieser hat in einer eigenen Unterschriftenkampagne Forderungen zur Erweiterung der Mitbestimmung aufgestellt. Es geht um die Wiedereinführung des Primats der Realwirtschaft, der Schaffung einer EU-Koordinationsbehörde für Arbeitnehmer[innen]-Mobilität, die Stärkung und Ausweitung von Arbeitnehmer[innen]-Vertretern in Aufsichts- und Verwaltungsräten, eine weitere Stärkung und Verzahnung von tariflicher und betrieblicher Mitbestimmung, die Einführung einer sozialrechtlichen Sorgfaltspflicht der Unternehmer gegenüber ihren Subunternehmern und ein Paradigmenwechsel vom unternehmerischen Shareholder-Value zum nachhaltigen und sozialwirtschaftlichen Stakeholder Value bei der Weiterentwicklung von Bilanzierungsregeln. Dies geht weit über die Standards des Selbstverständnis der AGS hinaus. Für eine wirkliche Mobilisierung muss die SPE die Forderungen des EGB berücksichtigen wie die SPD die Forderungen des DGBs.