Gesetzentwurf gegen Hate Speech

Hate Speech-Gesetz: Das wird man ja wohl verbieten dürfen

Robert Kiesel12. April 2017
Auslöser der Debatte über den Umgang mit Hass im Netz ist ein Gesetzentwurf des Bundesjustizministers Heiko Maas.
Wie umgehen mit Hass im Netz? Ein Gesetzentwurf von Heiko Maas sorgt in der Internet-Community für erhitzte Debatten. Unser Kommentar erklärt, warum das Gesetz nötig ist.

Immerhin, im Befund sind sich alle einig. Kritiker wie Befürworter des jüngst durch Heiko Maas vorgelegten Entwurfs zum Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) bemängeln, dass Facebook und Co zu langsam und zu selten gegen Hass und Hetze in ihren Netzwerken vorgehen. Kein Wunder angesichts von Löschquoten zwischen einem Prozent (Twitter) und 39 Prozent (Facebook), mit denen die Unternehmen auf Meldungen ihrer Nutzer innerhalb der ersten 24 Stunden reagieren. Die im Herbst 2015 aus der Taufe gehobene Taskforce „Umgang mit rechtswidrigen Hassbotschaften im Internet“ – sie belegt mit diesen Zahlen genau genommen ihr eigenes Scheitern.

Widerspruch zwischen Kritik und Wirklichkeit

Umso irritierender, dass sich gerade Vertreter von besonders mit Hass und Drohungen konfrontierten Gruppen nun öffentlichkeitswirksam gegen das NetzDG stellen. Vom Deutschen Journalistenverband und Reporter ohne Grenzen über den Branchenverband bitkom bis hin zur im Fadenkreuz der Hater stehenden Amadeu-Antonio-Stiftung reicht die Riege derer, die eine vor wenigen Tagen ins Leben gerufene „Deklaration für die Meinungsfreiheit“ unterstützen. Sie kritisieren darin die de facto Übergabe juristischer und damit staatlicher Entscheidungen in die Hände von Privatkonzernen und fordern einen „gesamtgesellschaftlichen Ansatz“, der auch die eigentlichen Ursprünge der durch das Netz rollenden Hasswellen in den Blick nimmt.

So nachvollziehbar beide Kritikpunkte sind, so sehr gehen sie an der digitalen Realität vorbei. Bestes Beispiel: Ein vor wenigen Tagen veröffentlichter Kommentar auf der Facebook-Seite des vorwärts. Offensichtlich unter falschem Namen hatte ein Nutzer darin zu einem Attentat auf einen SPD-Spitzenpolitiker aufgerufen und in diesem Zusammenhang den Mordversuch an der Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker als „Volltreffer“ bezeichnet. Die Meldung des Kommentars durch die Redaktion des vorwärts beantwortete Facebook kurz vor Ablauf der 24-Stunden-Frist mit dem Hinweis, dessen Inhalt verstoße nicht gegen die „Gemeinschaftsstandards“. Eine Löschung lehnte das Unternehmen ab. Wir meinen: Gemeinschaften, deren Standards Mordaufrufe an wem auch immer dulden, müssen an die Grundsätze unserer Verfassung erinnert werden, wenn nötig auch per Gesetz.

Justiz und Polizei auf die Sprünge helfen

Dass ein möglicherweise noch vor der parlamentarischen Sommerpause verabschiedetes NetzDG durch Maßnahmen bei Justiz und Polizei flankiert werden muss, liegt auf der Hand. Während gewiefte Hetzer und organisierte Aufwiegler im Eilzugtempo durch die sozialen Netzwerke rasen und ihre hasserfüllten Botschaften extreme Reichweiten erzielen, rumpeln Polizei und Staatsanwaltschaften auf rostigen Draisinen hinterher. Strafrechtlich relevante Beiträge haben längst hunderte Likes und Kommentare gesammelt, ehe staatliche Behörden überhaupt auf sie aufmerksam (gemacht) werden – von tatsächlichen Schritten hin zu ihrer Löschung und Bestrafung der Urheber nicht zu reden.

Vor diesem Hintergrund ist die Ablehnung des Entwurfs zum NetzDG nur schwer nachvollziehbar, seine Verunglimpfung als „Zensur-Gesetz“ und die damit einhergehende Täter-Opfer-Umkehr sogar bösartig. Das zu schützende Gut besteht eben gerade nicht in der Meinungsfreiheit derer, die beleidigen, bedrohen und aufwiegeln. Geschützt werden muss die Freiheit derjenigen, die angesichts von Hass und verbaler Gewalt im Netz ihre Meinung gar nicht erst äußern. Erst wenn sich diese häufig unsichtbare - weil kaum wahrnehmbare - Masse der Internetnutzer angstfrei aus der digitalen Deckung wagen kann, herrscht echte Meinungsfreiheit im Netz.

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