Immobilienpreise

Hans-Jochen Vogel: „Grund und Boden sind keine Ware“

Carl-Friedrich Höck09. Januar 2020
Setzt sich gegen Bodenspekulationen ein: Ex-SPD-Chef und Buchautor Hans-Jochen Vogel
Setzt sich gegen Bodenspekulationen ein: Ex-SPD-Chef und Buchautor Hans-Jochen Vogel
Wer die Debatte über die Bodenwertzuwachssteuer verstehen will, sollte das neue Buch von Hans-Jochen Vogel lesen. Der ehemalige SPD-Vorsitzende fordert eine neue Bodenordnung – und dass Gemeinden keinen Grund mehr verkaufen dürfen.

Wie kommt es, dass Mieten und Immobilienpreise in den vergangenen Jahren so stark gestiegen sind? Man könnte dazu eine Reihe von Gründen aufführen: Sparer*innen und Investor*innen erhalten keine Zinsen mehr auf ihre Anlagen und stecken das Geld deshalb in „Betongold“. Baufirmen sind wegen der hohen Nachfrage ausgelastet und erhöhen die Preise. Ein Grund fällt aber besonders ins Gewicht: Wer in großen Städten günstige Wohnungen bauen will, findet dafür kaum noch bezahlbare Grundstücke.

Münchener Baulandpreise: in sieben Jahren verdreifacht

Die Bodenpreise haben noch stärker angezogen als die Mieten, das lässt die Baukosten in die Höhe schnellen. Darauf weist Hans-Jochen Vogel in seinem kürzlich erschienenen Buch „Mehr Gerechtigkeit“ hin. Konkret: Die durchschnittliche Miete pro Quadratmeter ist im bundesweiten Durchschnitt von 5,71 Euro im Jahr 2000 auf 7,09 Euro in 2017 gestiegen. Der Baulandpreis pro Quadratmeter kletterte im gleichen Zeitraum von 76 auf 175 Euro.

Besonders rasant verläuft diese Entwicklung in Großstädten wie München. Bekam man dort im Jahr 2010 noch für „nur“ 630 Euro einen Quadratmeter Bauland, musste man sieben Jahre später schon 1.876 Euro hinblättern. Die Preise haben sich verdreifacht! Teilweise führt das dazu, dass Investor*innen Grundstücke kaufen und einige Jahre später wieder verkaufen, ohne auch nur eine Hundehütte darauf gebaut zu haben – und damit satte Gewinne machen.

Vogel befasst sich seit 50 Jahren mit Grund und Boden

Hans Jochen Vogel: Mehr Gerechtigkeit

Den mittlerweile 93-jährigen Hans-Jochen Vogel beschäftigt diese Entwicklung schon sein halbes Leben lang. Der SPD-Politiker war von 1960 bis 1972 Oberbürgermeister von München. Schon damals stiegen die Bodenpreise in schwindelerregendem Tempo. Deshalb drängte die Stadt beim Bund darauf, das Bodenrecht zu ändern. Der Stadtrat forderte beschleunigte Enteignungsverfahren, ein erweitertes Vorkaufsrecht für Kommunen und ein Baugebot, aber auch einen Planungswertausgleich und eine Bodengewinnsteuer. Also Möglichkeiten, damit der Staat einen Teil der Gewinne abschöpfen kann, die den Bodeneigentümer*innen ohne eigenes Zutun entstehen.

Manche Forderungen wurden in den Baurechtsnovellen der darauffolgenden Jahre aufgegriffen. Die Gemeinden haben erweiterte Vorkaufsrechte für bestimmte Grundstücke erhalten. Mittlerweile ist auch üblich, dass Kommunen mit Investor*innen städtebauliche Verträge abschließen, bevor sie ihnen Baurecht verschaffen. Damit werden diese verpflichtet, sich an den Infrastrukturmaßnahmen zu beteiligen, die durch das Bauprojekt notwendig werden.

Das Thema Boden geriet wieder in den Hintergrund

Andere Ideen verschwanden dagegen in der Versenkung. Darunter die Bodenzuwachssteuer und der Planungswertausgleich – beides forderte die SPD noch in ihrem Grundsatzprogramm von 1989.

Vogel, der zwischen 1981 und 1991 als Minister, Partei- und Fraktionsvorsitzender der SPD auch die Bundespolitik mitprägte, sieht darin auch ein eigenes Versäumnis. Seit einigen Jahren bringt er sich umso engagierter in die Debatte um eine neue Bodenordnung ein. Sein Wort hat nach wie vor Gewicht: Vogel beriet die Baulandkommission des Bundes, die im vergangenen Sommer ihre Empfehlungen vorlegte, und tauschte sich mit Finanzminister Olaf Scholz aus, als dieser die Grundsteuerreform vorbereitete.

„Boden ist unvermehrbar”

Seine eigene Grundthese beschreibt Vogel so: „Grund und Boden ist keine beliebige Ware, sondern eine Grundvoraussetzung menschlicher Existenz. Boden ist unvermehrbar und unverzichtbar. Er darf daher nicht dem unübersehbaren Spiel der Marktkräfte und dem Belieben des Einzelnen überlassen werden“. Mehr als andere Güter müsse der Boden in den Dienst des Allgemeinwohls gestellt werden. Denn er sei eine wesentliche Grundlage der Daseinsvorsorge.

Sofern Grund und Boden „wohnungsrelevant“ ist, will Vogel diesen „in den Allgemeinwohlbereich überführen“. Das bedeutet: Das Eigentum an Grund und Boden soll in einem größeren Umfang als bisher an die Gemeinden übergehen. Das könne geschehen, indem die Kommunen Grundstücke von Bund und Ländern erhalten, Boden ankaufen und notfalls auch enteignen (mit einer preislimitierten Entschädigung für die bisherigen Eingentümer*innen).

Vogel fordert Verkaufs-Verbot

Die Gemeinden sollen den einmal erworbenen Boden auch nicht mehr verkaufen dürfen, fordert Vogel. Stattdessen sollen sie ihn nur noch im Erbbaurecht an Dritte – zum Beispiel Wohnungsbaugenossenschaften – abgeben. Der Vorteil: Die Kommunen könnten so dauerhaft und nachhaltig Gegenleistungen absichern, etwa einen bestimmten Anteil an Sozialwohnungen.

Weiter fordert Vogel, dass Kommunen ermöglicht wird eine Wohnungssatzung zu erlassen. Diese würde den Gemeinden noch mehr Spielraum verschaffen, als es die bestehenden Regelungen etwa für Milieuschutz- oder Sanierungsgebiete tun. Für alle Grundstücke innerhalb eines solchen Satzungsgebietes könnte dann ohne weitere Prüfungen ein Baugebot angewendet werden – die Eigentümer würden also dazu gedrängt, auf baureifen Grundstücke auch tatsächlich Wohnungen zu errichten.

Bodengewinne abschöpfen „ein Gebot der Gerechtigkeit”

Und nicht zuletzt widmet sich Vogel erneut der Frage, wie „leistungslose Bodengewinne“ gebremst werden können. Es sei ein Gebot der Gerechtigkeit, dass solche Gewinne zum Wohl der Allgemeinheit abgeschöpft werden. Daher plädiert Vogel zum einen dafür, die Zehnjahresfrist zu streichen: Bisher werden selbst rein spekulative Verkaufserlöse nur über die Einkommenssteuer besteuert, wenn das Grundstück innerhalb von zehn Jahren weiterverkauft wird.

Zum anderen greift Hans-Jochen Vogel den Vorschlag wieder auf, einen Planungswertausgleich einzuführen. Wenn eine Gemeinde eine Fläche zu Bauland umwidmet, steigt der Preis des Grundstückes. Mit dem Planungswertausgleich könnte sie einen Teil des Gewinnes abschöpfen.

Genau das bezweckt auch der neue SPD-Vorsitzende Norbert Walter-Borjans. Die Planungsgewinne würden den Kommunen erlauben, selbst mehr zu bauen, argumentiert er. Walter-Borjans hat auch eine Bodenwertzuwachssteuer ins Gespräch gebracht. Für beide Maßnahmen hat sich die SPD bereits auf ihrem Parteitag im Dezember 2019 ausgesprochen. Der Spekulation mit Boden wolle man einen Riegel vorzuschieben, heißt es in einem Parteitagsbeschluss. „Die Spekulationsgewinne werden wir abschöpfen, leerstehende Wohnungne zwangsweise vermieten“. Wer trotz aller Maßnahmen und Aufforderungen nicht baue, „den werden wir als letzte Möglichkeit über Baugebote dazu verpflichten, seinen Teil zur Wohnraumversorgung beizutragen.“ Hans-Jochen Vogels Herzensanliegen stößt, so scheint es, in seiner Partei auf offene Ohren.

Hans-Jochen Vogel: Mehr Gerechtigkeit!  Wir brauchen eine neue Bodenordnung – nur dann wird auch Wohnen wieder bezahlbar, Herder-Verlag 2019, 80 Seiten, 12 Euro, ISBN: 978-3-451-07216-1

Der Artikel erschien zuerst auf demo-online.de

weiterführender Artikel

Kommentare

Zustimmung

Hans-Jochen trat in meinen politischen Wahrnehmungshorizont, als er in Berlin in äußerst schwieriger das Amt des Regierenden Bürgermeisters übernahm, in kurzer Zeit eine großartige - fleißige - Arbeit leistete und einen für meine Begriffe fast schon heldenhaften Wahlkampf führte. Dass Vogel dann gegen den (in der Rückschau ebenfalls von mir hochgeschätzten) Richard von Weizsäcker unterlag, hat er, Vogel, am wenigsten zu vertreten. Vogels Grund- und Bodenansatz findet sich auf der goldenen Linie guter Politik wieder, die die Begriffe und Namen Godesberger Programm, den großartigen Oswald Nell-Breuning und den sehr großen Karl-Hermann Flach (FDP) (was für Namen
...) miteinander verbindet. Ich habe Vogels Schrift gestern gelesen. Ich stimme ihm in allen Punkten zu. Ich bin mir hingegen nicht sicher, ob Nowabos Forderung nicht irgendwie obsolet ist. M.E. kann man doch das, was er fordert, längst via städtebaulichem Vertrag regeln - und ist vielfach schon Praxis. Oder? (SPD-Mitglied, Schwerin)

Städtebaulicher Vertrag

Sehr geehrter Herr Schumacher, ein städtebaulicher Vertrag ist immer nur eine Lösung je Kommune.
Im Sinne der Gewährleistung der 'Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse' bundesweit, ist es zweifelsfrei
viel sinnvoller, die absolut richtigen Anliegen/Forderungen von Hans-Jochen Vogel und Norbert Walter-Borjans in die Form und verbindlichen Inhalt eines Bundesgesetzes - z.B. ins Baugesetzbuch oder in ein besonderes Gesetz zu gießen.

Städtebaulicher Vertrag

Danke für die Erläuterung.

Städtebaulicher Vertrag

Gerne!

Hans Jochen Vogel / Grund und Boden sind keine Ware

Es ist doch manchmal sehr gut auf Weise Alte Männer zu hören!
Und es ist gut, dass diese sich immer noch zu Wort melden!
So wie kürzlich Johano Strasser für Umwelt und Klima - so jetzt
Hans-Jochen Vogel in Sachen Wohungsmieten und Bodenpreise.
Die SPD braucht mehr, viel mehr von DIESEN aktiven Altershäuptlingen!

Demokratischer Sozialismus oder solidarischer Kapitalismus ?

Wenn wir doch allenthalben erkennen, dass sowohl der autoritäre Sozialismus als auch der demokratische Kapitalismus krachend gescheitert sind, so sollten wir uns nicht davor fürchten endlich einmal den Versuch zu unternehmen leistungslose Bereicherung, die es in beiden gescheiterten Systemen zuhauf zu finden sind bzw.waren strukturell zu verhindern !
Niemand der/die auch nur einen Rest von Anstand besitz,t sollte etwas dagegen haben, wenn die politische Rahmensetzung dahingehend verändert wird, dass einerseits der puren Spekulation mit Haus und Grund etwas Wirksames, im verfassungsrechtlich möglichen Rahmen, entgegengesetzt wird und gleichzeitig die Bevölkerung in ihrer ganzen Breite sowohl viel mehr von Effektivitäts-, Produktivitätsgewinnen als auch von bisherigen Gewinnen aus leistungslosen Wertsteigerungen profitiert.
Welchen Namen wir dem Kind geben scheint eigentlich zweitrangig zu sein.
Aber bei näherem hinsehen dann doch nicht! Anscheinend dürfen weder die Begriffe Kapitalismus noch Sozialismus Bestandteil der neuen Begrifflichkeit für ein zukunftsfestes Demokratiemodell sein, sofort kommt sonst ein reflexhafter populistischer Aufschrei auch aus der Medienwelt !

Welchen Namen wir dem Kind geben ...

Der richtige Name ist: Demokratischer, ökologischer Sozialismus.
Wir sollten uns nicht des Begriffs des Demokratischen Sozialismus schämen. Schon Wilhelm Liebknecht (1826 - 1900) hat den Begriff des Demokratischen Sozialismus dem Grunde nach sehr zutreffend definiert. In der Jetztzeit ist die Erweiterung um das Adjektiv ökologisch (kompatibel) unverzichtbar! Und diese Inhalte müssen tatsächlich gelebt werden!
Und wir sollten unsere Begriffsbildungen und Inhalte nicht abhängig machen von reflexhaften populistischen Aufschreien aus der Medienwelt. Positiv mit der Zeit gehen kann niemals bedeuten, sich jedem (blödsinnigen) Zeitgeist anzupassen!