Corona-Pandemie

„Haltung zeigen!“ Was Dresden Querdenken und Rechten entgegensetzt

Kai Doering07. Januar 2022
Haltung zeigen! Am Samstag sollen auf dem Neumarkt hunderte Kerzen zur Erinnerung an die Dresdner Corona-Toten brennen.
Haltung zeigen! Am Samstag sollen auf dem Neumarkt hunderte Kerzen zur Erinnerung an die Dresdner Corona-Toten brennen.
In Dresden formiert sich Widerstand gegen die Corona-Proteste. Unter dem Motto „Haltung zeigen!“ setzen Tausende ein klares Zeichen gegen Rechts. Am Samstag gibt es eine Kundgebung. „Alles mit Anstand und Abstand“ sagt Initiatorin Annalena Schmidt.

Seit Wochen marschieren Gegner*innen der Corona-Politik durch Dresden und andere Orte in Sachsen. Was sind das für Leute, die da unterwegs sind?

Sie selbst bezeichnen die Aktionen ja als „Spaziergänge“, aber das sind sie definitiv nicht. Zumindest in einigen Stadtteilen von Dresden hat das eher den Charakter von Aufmärschen. Dabei sind auch harte Neonazis, etwa aus der Freien Kameradschaft Dresden, die auch zu früheren Anlässen schon in Erscheinung getreten sind. Sie sind unterwegs mit Politiker*innen der AfD, Querdenker*innen und Anhänger*innen von Verschwörungsmythen. Sie können sich meist völlig ungestört bewegen, weil es kaum Polizeibegleitung gibt. Regelmäßig werden so bei diesen Aufmärschen Journalist*innen bedroht und sogar angegriffen.

In Bautzen gab es kürzlich Ausschreitungen. Auch Freiberg steht immer wieder im Fokus der Berichterstattung. Warum ist Sachsen ein Hotspot der Corona-Proteste?

Querdenken ist ein bundesweites Phänomen. In Sachsen kommt allerdings dazu, dass die sogenannten Freien Sachsen den Protest tragen. Mit Martin Kohlmann an der Spitze mischen in der Partei bekannte Rechtsextremisten mit. Manche haben eine NPD-Vergangenheit. Andere, wie Michael Brück, sind in der Partei „Die Rechte“ organisiert. Brück ist vor kurzem aus Dortmund nach Chemnitz gezogen. Die „Freien Sachsen“ rufen vor allem über ihren Telegram-Kanal jeden Montag sachsenweit zu Protesten auf.

Gibt es Parallelen zu den Pegida-Demos?

Pegida selbst ist im Moment sehr ruhig, weil in Sachsen ja offiziell keine Kundgebungen mit mehr als zehn Personen stattfinden dürfen. Von den Personen her gibt es aber große Überschneidungen zwischen den Corona-Protesten und Pegida. Vielerorts nehmen diejenigen, die sonst bei Pegida auf der Straße waren jetzt an den sogenannten Spaziergängen teil. Bei mindestens zwei von ihnen gab es im Zusammenhang mit der Morddrohung gegen den Ministerpräsidenten auch Hausdurchsuchungen.

Wer gegen die Corona-Maßnahmen auf die Straße geht, weiß also genau, mit wem er das tut?

Ja, auf jeden Fall. Deshalb haben wir in unserem Aufruf „Haltung zeigen!“ ja auch klar formuliert: „Wer diesem Personenkreis den Schutz in der Masse gewährt, macht sich mitschuldig.“ Natürlich muss niemand ein geschlossenes rechtsextremes Weltbild haben, um dort mitzulaufen, aber sie bilden mit dezidiert Rechtsextremisten eine kritische Masse, die viele Übergriffe überhaupt erst möglich macht.

Was hat Sie bewogen, den Aufruf zu starten und für Samstag zu einer Kundgebung aufzurufen?

In vielen kleineren Städten in Sachsen haben sich in den vergangenen Wochen bereits Initiativen gegründet, die mit Online-Petitionen, offenen Briefen und vielem mehr darauf aufmerksam machen, dass sie keine Querdenker in ihrer Stadt wollen. In Dresden gab es das bisher nicht. Kurz vor Weihnachten hat mich ein Freund gefragt, ob wir nicht gemeinsam für Dresden etwas auf die Beine stellen wollen, um Flagge zu zeigen. Daraus ist dann erst die Kundgebung am Samstag entstanden und im weiteren Verlauf dann auch ein Twitter-Account und die Petition, die innerhalb weniger Tagen fast 7.500 Menschen unterzeichnet haben.

Was genau ist für Samstag geplant?

Uns war von vorneherein klar, dass es schwierig ist, eine Kundgebung unter Pandemiebedingungen abzuhalten. Wir wollen uns ja an alle bestehenden Regeln halten. Wir rufen deshalb dazu auf, im Laufe des Nachmittags auf den Dresdner Neumarkt zu kommen und eine Kerze anzuzünden. Die Kerzen stehen stellvertretend für die Menschen. Gruppen von mehr als zehn Menschen sollten dabei unbedingt vermieden werden. Mit den Kerzen wollen wir ein Zeichen gegen rechts setzen, aber auch an die inzwischen mehr als 1.400 Corona-Toten in Dresden erinnern. Wer nicht auf den Neumarkt kommen möchte oder kann, kann auch online Gesicht zeigen. Alles mit Anstand und Abstand.

Soll es bei der einmaligen Aktion bleiben?

Nein, das sicher nicht. Dafür ist die Resonanz auf unsere Initiative auch einfach zu groß und zu positiv. Spätestens Anfang kommender Woche werden wir uns deshalb zusammensetzen und überlegen, wie es weitergeht. Wir wollen auch gern mit den Initiativen und Parteien, die unseren Aufruf unterzeichnet haben, überlegen, wie wir etwas Längerfristiges aufbauen können. Wir werden auf jeden Fall weiter Haltung zeigen.

Wenn man an die Zeit nach Corona denkt: Wie lässt sich der entstandenen Riss in der Gesellschaft wieder kitten?

Ich weiß gar nicht, ob das Bild des Risses richtig ist. Die verschwörungsideologische Szene gab es vor Corona und es wird sie auch nach Corona geben. Entscheidend wird weiterhin politische Bildungsarbeit sein. Wir müssen die Menschen informieren und schulen, damit sie gar nicht erst empfänglich für Verschwörungsideologien sind bzw. Menschen in ihrem Umfeld Verschwörungsmythen widersprechen können.

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Kommentare

Für Grundrechte=Nazi ?

Schon wieder wird jeder, der gegen politisch gewollte Zumutungen und für Grundrechte eintritt in die Nazischublade gesteckt.
Wer auf die Strasse geht - was nur in funktionierenden Demokratien überhaupt was bewirken kann - weiss bestenfalls als was er verunglimpft wird. Keiner ausser google(bezogen auf Menschen mit smartphone und aktivierten Ortsdiensten) weiss, wer wann wo unterwegs ist.

Von einer "Zeit nach Corona" zu fabulieren ist angesichts der Tatsache das nach zwei Jahren Ausnahmezustand noch immer kein Ende in Sicht ist und es nirgends auch nur ein erkennbares Hinarbeiten auf eine Rückkehr zur Normalität gibt leider völlig unrealistisch.

Hier ist dringendster Handlungsbedarf, zumindest muss endlich der politische Wille erkennbar werden, den Ausnahmezustand zu beenden und sämtliche entzogenen bzw. in Neusprech "eingeschränkten" Grundrechte vollständig und voraussetzungsfrei zurückzugeben.

Nazischublade

Die Darstellung ist deutlich differenzierter als Sie es hier darstellen: Im Interview gibt Annalena Schmidt doch eindeutig Auskunft darüber, wer da in Dresden seit Wochen unterwegs ist. Sie bejaht auch die Frage, ob die Leute in Dresden wissen, mit wem sie da auf die Straße gehen. Sie sagt nicht, dass alle, die mitmarschieren Nazis sind. Sie sagt aber, dass sie die Nazis schützen.

Dann schliessen wir doch den Bundestag

Mit gleicher Scheinargumentation muss dann auch darauf bestanden werden, das "Demokraten" zukünftig den Bundestag meiden, sitzen dort doch regelmässig Abgeordnete der AfD.

Auch rechts orientierte Mitbürger haben die gleichen Grundrechte wie links,rosa,esoterisch oder wie auch immer orientierte Bürger und damit wie alle, denen permanent Grundrechte "eingeschränkt" oder anderweitig durch die angeblichen "Schutzmassnahmen" Schaden zugefügt wird, das Recht auf Meinungsäußerung.

Rechte der Rechten

Selbstverständlich haben auch Rechtsextreme das Recht der freien Meinungsäußerung. Sie haben aber nicht das Recht, dass ihnen nicht widersprochen werden darf. Und wer sich mit ihnen gemein macht, muss eben ebenso mit Gegenwind rechnenen. Das Ganze nennt sich Demokratie.

Ihr sarkastischer Kommentar zum Bundestag führt sich selbst ad absurdum.

ja, genau, alternativ dazu

könnte man auch mal die einen Austausch der Einschränkungen ins Spiel bringen, also z.B die Berufs- und Gewerbefreiheit uneingeschränkt wieder herstellen und dafür mal den Datenschutz begrenzen

Die Illusion des Datenschutzes ...

Ich rate Ihnen dringend dazu, sich die sogenannten "Datenschutzerklärungen" jedes Testzentrums, jeder Impfstelle und jedes Einlieferungsscheines in ein Krankenhaus endlich durchzulesen.
Der Daten sind genug gesammelt nur haut die Auswertung nicht hin. Ausnahmen wie die für die Gesundheitsämter mehr als ein Jahr unzugänglichen Luca-App oder die durch strikte Weigerung der EMA nicht verfügbaren Informationen zu den ganzen noch immer nur bedingt zugelassenen Impfstoffen existieren zwar, sind aber im von Ihnen angesprochenen Zusammenhang wenig relevant.

Freude über "Haltung zeigen"

Es ist erholsam, bei "Haltung zeigen" lesen zu können, wie man mit Zeilen ohne Beschimpfungen, Lügen und Drohungen Texte füllen kann. Mit positiven Worten von Menschen, die - wie ich - sicher ebenfalls die Nase von Corona voll haben, aber die vielen Beweise von der Existenz der Pandemie - bis hin zu jammervoll Verstorbenen - akzeptieren und deshalb die Maßnahmen befolgen. Einsicht in die Notwendigkeit ist unser Freiheitsbegriff !! Die ANDEREN verzögern das Ende der pandemischen Lage und berauben auch uns durch IHRE kopfstehende Welt unserer Freiheit. SIE benehmen sich wie im Zeitalter der Hexenverbrennung, wenn Vereidigte Politiker, die einfach nur ihren Job machen um Schaden von der Bevölkerung abzuwenden, mit dem Tode bedroht werden. Schade nur, dass manche ANDERE auch noch den ganz Falschen hinterherlaufen - das hatte Deutschland schon ... Ich akzeptiere Impfskeptiker, nur deren Zeit des Erkenntnisgewinns sollte abgelaufen sein. Die Coronamaßnahmen-Gegner auf der Straße verlängern selbst genau das, wogegen sie sein wollen. Was für ein Irrsinn. Diese ANDEREN sind zum Glück nicht das "Volk", auf welches SIE sich gern laut berufen. Zur Umkehr ist jedoch nie zu spät !

gut, dass Sie es erwähnen, das

Zeitalter der Hexenverfolgung. Ich hatte auch angenommen, wir hätten dieses mit den prägenden Merkmalen längst hinter uns gelassen, bin aber in den letzten 2 Jahren eines Besseren belehrt worden. Damals wir heute werden wir in einer wesentlichen Fragestellung- der Seuchenbekämpfung- vornehmlich vom Glauben gelenkt. Damals gab es keine Erkenntnisse wegen unzureichender intellektueller Leistungen. heute gibt es keine Erkenntnisse, weil wir keine Daten erheben wollen, die uns in die Lage versetzen könnten, zielgenauer festzustellen, wer sich wo ansteckt. Wir wissen nichteinmal um die Wirksamkeit der Impfungen, weil bei den Erkrankten nicht erfasst werden darf, ob und womit sie wann geimpft wurden. Andere forschen mit solchen Daten, und deren Ergebnisse sind es dann, die mitunter hierzulande veröffentlicht werden, und uns dann deutlich vor Augen führen, dass wir nichts wissen. (Bericht über Studien in Schottland) Wir wollen nicht wissen. Vermutlich scheuen wir die Wahrheit, Dinge, von denen es besser ist, sie nicht zu kennen, weil sie die Bevölkerung beunruhigen könnten-

Freude über "Haltung zeigen"

Ein sehr guter Kommentar, der voll und ganz meine Zustimmung findet.

Interessant in diesem Zusammenhang finde ich folgenden Beitrag in Spiegel.de, in dem von einer Denkpest die Rede ist:
https://www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/corona-und-die-radikalisieru...