Weltwirtschaft

Gustav Horn: „Die Corona-Krise führt uns die Unsicherheiten der Globalisierung vor Augen.“

Kai Doering16. März 2020
Den weltweiten Handel trifft die Corona-Pandemie hart. Eine Konsequenz wird sein, dass Wirtschaft wie Politik mehr Sicherheitsnetze einbauen werden, meint Wirtschaftswissenschaftler Gustav Horn.
Den weltweiten Handel trifft die Corona-Pandemie hart. Eine Konsequenz wird sein, dass Wirtschaft wie Politik mehr Sicherheitsnetze einbauen werden, meint Wirtschaftswissenschaftler Gustav Horn.
Wirtschaftswissenschaftler Gustav Horn sieht Deutschland gut auf die wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie vorbereitet. Als Lehre fordert er, dass Wirtschaft und Politik mehr internationale Sicherheitsnetze in der Globalisierung einziehen.

Hat es nach dem Zweiten Weltkrieg schon mal eine ähnliche Belastungsprobe für die Weltwirtschaft gegeben wie jetzt durch die Ausbreitung des Corona-Virus‘?

Das ist zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht abzusehen. Ich würde die Situation zurzeit schon mit globalen Finanzkrisen vergleichen, die wir in der Vergangenheit erlebt haben. Sie haben weltweit die Volkswirtschaften in eine Rezession geschickt. Der große Unterschied ist, dass der Auslöser diesmal nicht an den globalen Finanzmärkten war, sondern es ein medizinischer Vorfall ist.

Gibt es für Vorfälle wie diesen bereits Modelle?

Nein, wir sind eigentlich unvorbereitet, welchen Effekt eine solche Pandemie auf die Wirtschaft hat. Deshalb können wir nur versuchen, Erfahrungen, die wir während anderer Krisen gesammelt haben, auf die aktuelle Situation zu übertragen. Eine wichtige Erfahrung ist, dass die Politik von Anfang an Vertrauen schaffen muss, damit es nicht zu Panikreaktionen in der Bevölkerung und vor allem an den Börsen kommt, die dann dafür sorgen, dass die wirtschaftlichen Schäden noch größer werden.

Gustav Horn

Die Bundesregierung hat also richtig reagiert, indem sie am Freitag unbegrenzte Kredite für Unternehmen zugesagt hat, die wegen der Corona-Krise in Bedrängnis geraten?

Ja, das war genau die richtige Reaktion. Die Bundesregierung musste klotzen statt kleckern, um das Vertrauen aufrecht zu erhalten. Sie hat damit ganz klar signalisiert: Es kommen Belastungen auf die Unternehmen zu, aber sie tut alles, um diese aufzufangen und abzufedern. Und sie hat gezeigt, dass sie auch die Mittel hat, um die Belastungen aufzufangen. Unternehmen können über die Kreditanstalt für Wiederaufbau Liquiditätshilfen und auch Kredite erhalten, die ihnen über diese schwere Zeit hinweghelfen. Ganz wichtig sind  die Ankündigungen zur Kurzarbeiterregelung, damit Menschen auch dann ihren Arbeitsplatz behalten und ihr Einkommen stabil bleibt, wenn es vorübergehend wegen Corona weniger zu tun gibt.

Ist Deutschland wirtschaftlich und finanziell gut für eine solche Krise gerüstet?

Ja, davon bin ich überzeugt. Deutschland steht am Ende eines sehr, sehr langen Aufschwungs. Viele Menschen sind in Beschäftigung, die Arbeitslosigkeit ist gering. Die öffentlichen Haushalte sind weitgehend in einem guten Zustand. Insofern gehen wir aus einer starken Position heraus in die kommenden Wochen und Monate. Das erhöht die Wahrscheinlichkeit deutlich, dass wir die Krise gut bewältigen können.

Der Dienstleistungssektor ist von den Corona-Maßnahmen unmittelbar betroffen. Rollt in dem Bereich eine Pleitewelle auf uns zu?

Das Spezifische an dieser Krise ist, dass vor allem der sogenannte soziale Konsum betroffen ist. Wenn Menschen Abstand voneinander halten sollen, können sie viele Dinge wie Theater- oder Barbesuche nicht mehr durchführen. Deshalb wird diese Branche zunächst am meisten leiden. Und deshalb braucht es hier auch Soforthilfen, damit die Anbieter nicht Pleite gehen. Die Kurzarbeiterregelung wirkt hier stabilisierend, weil die Einkommen der Beschäftigten erhalten bleiben und für den Konsum genutzt werden können.

Wie könnte der Staat darüber hinaus helfen?

Unternehmen haben bereits die Möglichkeit, zinslose Kredite zu erhalten. Das ist eine riesige Unterstützung und wird vielen helfen, diese schwierige Zeit zu überbrücken. Jetzt geht es darum, dieses grobe Instrument so zu verfeinern, dass die spezifischen Sektoren möglichst unbürokratische Hilfe erhalten können.

China scheint den Höhepunkt der Corona-Krise bereits überwunden zu haben, die Wirtschaft läuft bereits wieder an. Könnte das Land sogar wirtschaftlich gestärkt aus der Krise hervorgehen?

Das Wiederanlaufen der chinesischen Wirtschaft zeigt erstmal, dass die Corona-Krise eine vorübergehende Krise ist. Das ist eine wichtige Erkenntnis. Ob China weltwirtschaftlich gesehen gestärkt daraus hervorgeht, wird auch davon abhängen, welche Konsequenzen die Unternehmen aus der Krise ziehen und ob die Wertschöpfungsketten so erhalten bleiben, wie sie zurzeit sind oder ob mehr Sicherheiten eingebaut werden, also manche Produktionen vielleicht wieder aus China zurückgeholt wird. In dem Fall würde China sogar geschwächt. Andererseits leistet China zurzeit große Hilfe in anderen Ländern im Umgang mit dem Corona-Virus. Das stärkt seine Position in der Welt.

Würden Sie als Erfahrung aus der Krise zu einer Re-Nationalisierung von Produktions- und Wertschöpfungsketten raten?

Nein, das wäre viel zu eng gedacht. Wir sollten stattdessen viel mehr im europäischen Maßstab denken – der in dieser Krise ohnehin viel stärker betont werden sollte. Es gibt in Europa ein reichhaltiges Angebot an Produktion und deshalb sollten wir uns auch europäisch stärker gegen solche Entwicklungen wie jetzt in der Corona-Krise absichern. Institutionen wie die Europäische Investitionsbank und der Europäische Stabilitätsmechanismus sollten wir jetzt stärker in Stellung bringen.

Welchen Einfluss wird die Krise allgemein auf die Globalisierung haben?

Diese Krise führt uns die Unsicherheiten der Globalisierung ganz deutlich vor Augen. Eine Konsequenz wird sein, dass Wirtschaft wie Politik mehr Sicherheitsnetze einbauen werden. Das geht aber nicht national, sondern nur mit einem multilateralen Ansatz. Ein Land allein kann sich nicht gegen die Folgen einer solchen Pandemie schützen. Insofern kann nur eine stärkere Europäisierung die Antwort sein.

Der Gesprächspartner

Gustav Horn ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Duisburg-Essen. Er gründete und war von 2005 bis 2019 wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in der Hans-Böckler-Stiftung. Horn ist Mitglied im SPD-Parteivorstand.

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Kommentare

Unsicherheiten ist wohl

Unsicherheiten ist wohl untertrieben. Wir stehen vor einem möglichen Totalzusammenbruch der Wirtschaft. Eine Weltwirtschaftskrise wie in den 1930er Jahre ist nicht mehr fern mit all den schlimmen Folgen!

Keine Sorge

Die "Wirtschaft" wird schon nicht untergehen. Banken und Konzerne werden mit Steuermitteln "gerettet". Ganz anders sieht es bei Selbstständigen und kleinen Handwerksbetrieben aus. Wer macht bei einem Bauern, der krank ist, die Frühjahrsbestellung, wer melkt die Kühe ?????
Es geht um MENSCHEN und MENSCHENLEBEN, aber die Hauptsorge der Politik ist die "Wirtschaft". Christoph Butterwegges Vorschlag Hartz IV befristet um 100 € aufzustocken ist erst mal vernünftig besonders weil die private "Sozialpolitik" ala Tafeln nicht mehr funktioniert. Politik sollte sich um die normalen Menschen und um die "Abgehänkten" kümmern satt um diejehnigen die aus dem Gewinn auch noch Profit schlagen wollen.
Krisengewinnler wird es genug geben.

Die Wirtschaft/Industrie war

Die Wirtschaft/Industrie war schon im letzten Jahr auf Talfahrt und das Finanzsystem stark aufgebläht. Da kommt Cora gerade zur rechten Zeit. Das "Luftablassen" wird einiges an Kapital und Existenzen verschlingen. Und wer zahlt am Ende die Zeiche? Es werden die Arbeitnehmer und die kl. Betriebe sein, wie immer.

Bemerkenswert ist auch, dass das Virus hauptsächlich in China und im Wertewesten wütet. Afrika, Latainamerika, die Schwellenländer in der Nähe von China (Thalland, Indonesien, Malaysia usw.) sind nicht so sehr betroffen. Warum hinterfragt das niemand? Die Bevölkerung hat dort zwar nicht durchgehend Zugang zum Gesundheitssystem, aber es gibt genug Bürger dort, die sich einen Test leisten können.

Erfassungslücken

Die geringen Zahlen zu Infektionen in den genannten Regionen sind möglicherweise auf die geringe Erfassung von Corona zurückzuführen. Als menschliche Weltgemeinschaft dürfen wir uns nicht erlauben diese Regionen zu vernachlässigen, denn die ganze Menschheit ist durch dieses Virus bedroht. Und das gilt unabhängig davon ob dem Wertewesten das dortige Regime paßt oder nicht !
Aber jetzt zeigt sich aber auch ganz deutlich, daß Krankenhauspersonal, Verkäuferinnen, Paketboten ...... alles ganz unverhältnismäßig niedrig bezahlte Menschen SYSTEMRELEVANT sind und nicht die Investmentbänker und Co.

und genau so wird es kommen!

Sehr gut Frau Merding! Zur Entstehung der "Messtechnischen Kriese" gibt es schöne Beiträge von Dr. Wolfgang Wodarg auf youtube. Ich möchte noch hinzufügen, dass die Erträge aus Zinseinnahmen ohnehin die Erträge aus Arbeit schon überschritten haben - also, wer viel hat: Gold, Geld, Immobilien, Land etc. braucht sich keine Sorge zu machen . Kriesen schaffen neue Superreiche, vielleicht die Firma mit dem ersten Impfstoff. Und zum Schluss noch ein Zitat aus Thomas Pikettys Buch "Kapital und Ideologie": "Jede Gesellschaft muss ihren Ungleichheiten einen Sinn geben". Auch da ist diese Kriese ein zukünftiges "Totschlagargument". Warten wir bis uns die Bundesregierung die Rechnung "Corona" aufmacht.

Groko-Ideologie: Schwarze Null + Marktradikale Globalisierung

Es ist unbedingt zu hoffen, dass unsere Jusos und die Mehrheit unserer Basis den Mut haben den Finger zur richtigen Zeit noch einmal in die klaffende SPD-Wunde zu legen. Denn viele der bisherigen und kommenden Gefährdungen inbesondere auch bei Covid-19-Krise hängt mit einer völlig überzogenen jahrelangen Sparpolitik der Groko-Regierung zusammen (an der Spitze der Schwarze-Null-Dogmatiker steht Olaf Scholz), die Deutschlands Infrastruktur nahezu komplett, auch im medizinischen Bereich, kaputt sparte und für extremen Personalmangel in existentiell wichtigen Bereichen sorgte !!!
Hinzu kommt der auch von der Groko verbreitete Glaube dass der neoliberale Markt es schon richtet ! Da haben sie sich kräftig getäuscht. Wir erkannten es spätestens bei den Klimafrage und erkennen es jetzt deutlich in der weltweit und national ausufernden Corona-Pandemie !
Wir müssen reden ! Spätestens wenn die menschgestützte Covid-19-Katastrophe überwunden ist !!!
Ein überkommener Wohlstandbegriff der uns in Katastrophen führt, muss dringend in Frage gestellt u. unter den aktuellen katastrophalen Zeichen der Zeit, die auf lange Jahre verfehlter Politik hindeuten, neu definiert werden !
Chance f.SPD !

SPD ohne Rückwärtsgang

Ich befürchte nicht. Die menschenwürdige Rettung wäre die Rückkehr vom Hyperkapitalismus zur sozialen Marktwirtschaft. Die Groko-Parteien verhalten sich aber wie Ertrinkende: Sie klammern sich aneinander, blockieren sich und gehen beide langsam unter. Covid-19 könnte man da eher als Strohalm oder Zeitverzögerung sehen. Es wird so weiter gemacht wie bei TTIP: der Markt wird gestärkt, die betroffenen Bürger zahlen oder Lasten verteilen, Gewinne personalisieren.

Und wie immer ignoriert ?

Die eigentliche Peinlichkeit wird wieder einmal gekonnt totgeschwiegen.
Abseits der durchaus berechtigten Vermutung, das allein wirtschaftliche Interessen die "Maßnahmen" der Politik bestimmen sollte man doch "unsere" oft zitierten und so gut wie nie vorgelebten "Werte" nicht ganz vergessen.

Grundgesetzliche Rechte werden zur Zeit massiv beschnitten oder gleich aufgehoben. Freizügigkeit, Versammlungsfreiheit, Recht auf freie Ausübung der Religion, freie Berufsausübung, etc.
Laut GG darf derlei Einschränkung - wenn überhaupt - nur auf Grundlage von gesetzen geschehen.

Nun hat die deutsche Politik zwar grob fahrlässig ignoriert das SARS-CoV 2 bzw. in Mediendummsprech "Coronavirus" nicht nur vom Namen sondern auch von Schwere und Symptomen her SARS-1 gleichsteht, man also zumindest wie beim ersten SARS gleichwertige Maßnahmen hätte ergreifen müssen.

Aber im Gegensatz zu Brexitland, wo auch Maßnahmen eingeleitet werden das z.B. aktuell die Internetanbieter kein Datenvolumen berechnen dürfen wenn man die Seiten der NHS(Gesundheitsministerium) aufruft, darauf kommt man hierzulande nicht.
Wichtiger war der deutschen Politik das Abnicken der erhöhten GEZ-Tribute.