Auftakt ins europäische Gleichstellungsjahr

Gleichstellung in der EU - zwischen Strategie und Stereotyp

Laura Strübbe10. März 2020
Die Frauen, die das Podiumsgespräch zur EU-Gleichstellungsstrategie möglich machten.
Eine Union der Gleichheit, dieses Ziel setzt sich die EU-Gleichstellungsstrategie der nächsten vier Jahre. Von der Podiumsdiskussion der Veranstaltung 'Ein Europa der Gleichstellung' in höhsten Tönen gelobt, lässt der breitgefächerte Ansatzt zukünftig jedoch nun auf konkrete Umsetzungen hoffen.

„Es gibt verschiedene Arten Demokratie zu machen und mit einer, die draufhinaus lief, sukzessiv Frauen zu benachteiligen, ist der falsche Weg eingeschlagen worden“, so Barbara Helfferich. Wie die Mitbegründerin des ersten feministischen Think Tanks „Gender Five Plus“ weiter ausführt, seien die Barrieren, die jene in den Medien hoch und runter beschrienen Lücken verursacht hätten, sichtbar zu machen. „Gradmesser der Demokratie sollte das Mitgestalten von Frauen sein!“ Im Podiumsgespräch der FES-Veranstaltung „Ein Europa der Gleichstellung“, währenddessen frau die EU-Gleichstellungsstrategie sowie die deutsche EU-Ratspräsidentschaft ins Visier nahm, machte sich Helfferich für ein Gesetz gegen Stereotypie stark.

Gegen Gewalt über den Tellerrand hinausschauen 

Geschlechterstereotypen zählen zu den Hauptursachen für die Ungleichheit zwischen den Geschlechtern, so der Wortlaut der von der Europäischen Kommission herausgegebenen „Strategie für die Gleichstellung der Geschlechter“. Geschlechterstereotypen wie Frauen hinter dem Herd und Männer in Bergen voller Akten müssten abgebaut werden, da ein festes Schema Frauen und Männer in ihrem Streben, ihren Entscheidungen und letzten Endes in ihrer Freiheit eingeschränkt wären.

Denn geschlechterspezifische Gewalt sei, wie in der EU-Gleichstellungsstrategie herausgearbeitet, tief in den Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern verwurzelt. Ausbau von öffentlichen Dienstleistungen, Präventions- und Unterstützungsmaßnahmen sowie Zugang zur Justiz müsse geleistet werden. Bundesfamilienministerin Franziska Giffey möchte beispielsweise unter der 08000 116 016 – dem Hilfetelefon für Frauen, die Gewalt erlebt haben oder jene befürchten – einen europäischen Frauennotruf schalten, der Betroffene über nationalstaatliche Grenzen hinaus unterstützt. 

Eine Frau – mehrere Schachteln

Als Teil der heterogenen Gruppe, wie Frauen in der Mitteilung der Europäischen Kommission beschrieben werden, müssen sich Migrantinnen als Frauen und als Ausländerinnen doppelt behaupten. Die Umsetzung der Strategie solle demnach intersektional gedacht werden, denn diskrimiert würde frau aufgrund ihres Geschlechts, ihrer Herkunft, ihrer Religion sowie weiterer äußerlichen und demnach leider immer noch identitätsbildenden Merkmale. Mehrfachdiskriminierung könne nur entgegengewirkt werden, in dem außerhalb der Schachteln gedacht würde, so die SPD-Europaabgeordnete und Bundesvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen (AsF) Maria Noichl. Dass die Bekämpfung von Ideologien, die die Rechte von Frauen untergraben würden, auch zur Prävention von Radikalisierung beitragen kann, führt die EU-Gleichstellungsstrategie weitergehend aus. Erziehung spiele hierbei eine entscheidende Rolle. Jungen und Mädchen müssen, so die Forderung, im Sinne der Gleichberechtigung erzogen werden.

Ansatz statt umsetzen

Ökonomischer, digitaler und demografischer Wandel – all jene Herausforderungen, vor denen die EU heute stünde, wiesen eine geschlechtsspezifische Dimension auf. Laut Erhebungen innerhalb der Strategie sind 10 Prozent der Beschäftigten im Baugewerbe und 25 Prozent in Land-, Forst-, Fischerei- und Transportwirtschaft Frauen. Jene Regionen, die verstärkt auf benannte Sektoren setzen würden, haben laut Klara Geywitz Stellvertretende SPD-Vorsitzende mit arbeitsbedingter Abwanderung von Frauen zu kämpfen. Für sie steht fest: „Eine Region ohne Frauen ist eine ohne Zukunft!“ So sei Produktivität sowie das Schaffen neuer Arbeitsplätze nicht mehr ohne Gleichstellung zu denken – ein Potential, dass die Europäische Kommision erkannt hat und zu nutzen fordert.

Zum Abbau von struktureller Ungleichheit sollen Sozial- und Wirtschaftspolitik sowie Steuer- und Sozialschutzsysteme beitragen. An jenem Punkt sind die Länder jedoch unterschiedlich aufgestellt, in Schweden wird heute individual besteuert. Schon 1970 wurde das Ehegattensplitting, beidem der geringer Verdienenden der hohe Steuersatz des Partners vom eh schon niedrigen Gehalt abgezogen wird, abgeschafft. Das versetzt Giffey noch heute ins Staunen. In Deutschland wiederum gilt das Ehegattensplitting nach wie vor.

 

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