Big Data

Der gläserne Kunde 
ist längst Realität

Markus Morgenroth25. Juni 2015
Unsichtbarer Beifahrer: Auch im Auto werden laufend Daten gesammelt – künftig könnte sich der Versicherungstarif nach unserer Fahrweise richten.
Im Verborgenen sammeln Unternehmen täglich tausende 
Daten über uns. Sie machen damit jährlich Milliardenumsätze. Das kann für den Bürger sehr gefährlich werden.

Durch die Enthüllung von Edward Snowden wissen wir, welches Ausmaß die Überwachung durch Geheimdienste angenommen hat. Vielen Menschen ist aber immer noch nicht bewusst, dass auch unzählige Firmen damit beschäftigt sind, jeden Schritt, jeden Klick im Internet, letztendlich unser gesamtes Denken und Handeln zu messen und zu analysieren. Die Branche der Datensammler und -händler ist undurchsichtig, vieles passiert im Verborgenen, aber mit den Daten, die wir jeden Tag produzieren, werden weltweit jedes Jahr mehrere Milliarden Euro Umsatz erzielt.

Es ist kein Geheimnis mehr, dass man beim Surfen im Internet und der Benutzung von sozialen Netzwerken Daten hinterlässt. Aber auch außerhalb des Internets werden ständig Daten über uns gesammelt. Schaufensterpuppen, Straßenlaternen und Mülleimer mit eingebauten Kameras und Sensoren, intelligente Kühlschränke, mitdenkende Autos und smarte Kleidungsstücke analysieren uns. Die Industrie erfindet stetig neue Möglichkeiten, uns immer umfassender zu durchleuchten. Der gläserne Kunde ist schon längst Realität. Nach aktuellen Schätzungen der Industrie werden im Jahr 2020 bis zu 50 Milliarden Gegenstände mit dem Internet verbunden sein und Daten sammeln.

Menschen in Schubladen

Diese Daten werden mittlerweile im großen Maßstab dazu genutzt, Menschen zu analysieren und in Schubladen zu stecken. Sind sie ein wertvoller Kunde, ein loyaler Arbeitnehmer, ein vorbildlicher Krankenversicherungskunde – oder eben nicht? Aus völlig harmlos und unwichtig erscheinenden Datenschnippseln, können dank moderner Analysemethoden relativ genaue Schlüsse über Personen gezogen werden. So kann auf Bildungsniveau und Charaktereigenschaften, die religiöse und politische Einstellung, die sexuelle Orientierung, die psychopathische Veranlagung oder die Kreditwürdigkeit geschlossen werden.

Bedenklich daran ist, dass bei diesen Datenanalysen immer wieder Fehler passieren und Menschen in die falsche Schublade gesteckt werden. Trotzdem schafft es die Industrie dank intelligenter Marketings, dass Verbraucher neue Dienste und Produkte oft ohne Vorbehalte nutzen und bereitwillig private Daten preisgeben.

Gesundheitsdaten sind besonders begehrt

Besonders brisant ist dieser Umstand im Gesundheitsbereich. Der Markt für sogenannte Wearables und Gesundheitsapps explodiert momentan, fast täglich kommen neue Fitnessarmbänder, Schrittzähler und andere Sensoren auf den Markt. Diese haben natürlich den positiven Effekt, dass sie beim Abnehmen und Sportreiben helfen, allerdings muss uns klar sein, dass bei der Benutzung äußerst sensible Gesundheitsdaten anfallen. Eine Studie ergab, dass bei 20 der beliebtesten Gesundheits-, Wellness-, und Fitness-Apps die Daten der Anwender an insgesamt 70 Drittfirmen weitergegeben wurden. Realistisch gesehen hat man kaum eine Möglichkeit nachzuverfolgen, was mit den eigenen Daten passiert. Dies kann fatal enden, wenn man einen Job nicht bekommt, weil dem potenziellen Arbeitgeber das errechnete Gesundheitsrisiko zu hoch ist. Oder wenn einem günstigere Versicherungstarife nicht mehr angeboten werden, weil man laut den Datenanalysen in der Vergangenheit zu ungesund gelebt hat. Jeder gesundheitliche Fehltritt kann so auch Jahre später noch negative Auswirkungen haben.

Datenanalysen sind per se nicht schlecht, es gibt viele positive Anwendungen beispielsweise im Forschungs- und Logistikbereich. Allerdings stehen wir am Anfang einer gefährlichen Entwicklung, die unsere Gesellschaft tiefgreifend verändern wird. Unser Leben wird zunehmend von Algorithmen und den Konsequenzen aus Datenanalysen bestimmt. Wir brauchen daher dringend ein neues Konzept des gesellschaftlichen Umgangs mit Daten.

Wer schützt unsere Daten?

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