Einigung mit Griechenland

Nach dem Gipfel: Was die Griechen nun erwartet

Florian Schmitz14. Juli 2015
Griechenland muss nun harte Reformen und Sparmaßnahmen umsetzen.
Der Grexit ist – vorerst – abgewendet. Und jetzt? Es heißt, Griechenland sei gerettet, doch auf den Straßen Hellas herrscht Fassungslosigkeit. Ein Lagebericht aus Thessaloniki.

„Warum ein Referendum?“ fragten sich die meisten Menschen in Griechenland, als Tspiras in der vergangenen Woche seine Reformvorschläge nach Brüssel schickte. Reformvorschläge, gegen die man sich in der Volksabstimmung klar ausgesprochen hatte. Die Enttäuschung darüber sitzt tief. Viele fühlen sich hintergangen und ausgenutzt von der Regierung. Noch tiefer jedoch sitzt die Demütigung der letzten 48 Stunden. Vor allem die unnachgiebige Position der Bundesregierung hat das Land in eine Schockstarre versetzt. Der Euro bleibt. Aber jeder in Hellas weiß: Unter diesen Bedingungen wird sich das Land wirtschaftlich nicht erholen.

Vertrauen in Tsipras verpufft

Für die meisten Griechen bedeutete das Referendum vor allem eins: Ein Ende der Stagnation. Endlich passiert etwas! Endlich sollte Schluss sein mit einer Politik, unter der wirtschaftliches Wachstum konsequent auszubleiben schien. Als Tsipras dann eine 180-Grad-Drehung vollzog, und den Geldgebern faktisch die von ihnen auferlegten Bedingungen für ein neues „Rettungs“-Programm zum Angebot machte, herrschte Verwirrung auf den Straßen. „Ich weiß nicht, was er will, mein Kind, niemand weiß was das soll“, antwortet mir eine Gemüsehändlerin auf der Straße. Die Euphorie des Aufbegehrens, die nach dem „Oxi“ auf Veränderung hoffen ließ, verpuffte – und mit ihr das Vertrauen in den Ministerpräsidenten.

„Es ist nicht gut, was Tsipras macht. Jetzt werden wir uns mit den Europäern einigen, aber helfen wird das nicht“, kommentierte ein Kioskbesitzer das Geschehen. Dass es eine Einigung geben würde, davon gingen die meisten Griechen aus. Warum würde die Euro-Gruppe noch mehr fordern wollen? Die Reaktionen der deutschen Bundesregierung versetzten das Land dann in Fassungslosigkeit: Grexit auf Zeit, verlorenes Vertrauen, weitere Nachbesserungen beim Rentensystem, Verlagerung des Volksvermögens ins Ausland. Während viele vermutet hätten, dass die Verhandlungen von Sonntag auf Montag einen eventuellen und dringend benötigten Schuldenschnitt mit sich bringen würden, ist für die Griechen nun vor allem eins klar: Die Euro-Gruppe war zu wirklichen Verhandlungen nicht bereit. Das Land ist zurück an jenem Punkt, den es mit dem Referendum endlich hinter sich bringen wollte.

Höhere Preise durch höhere Mehrwertssteuer

Niemand in Griechenland weiß, was nun geschehen wird. „Das wird eine Katastrophe“, erzählt Gaby Guzek, eine Deutsche, die ein Restaurant in Thessaloniki betreibt. „Die Leute haben einfach kein Geld mehr. Wenn die Mehrwertsteuer jetzt erhöht wird, müssten wir die Preise erhöhen. Dann aber bleiben die Kunden aus. Also zahlen wir das selbst. Und bei einer Gewinnmarge von 5 bis 6 Prozent bleibt dann nichts mehr über.“ Ähnliche Erfahrungen hatte zuvor schon der Einzelhandel gemacht, bei dem die Mehrwertsteuer von 23 Prozent bereits gilt.

Den Griechen stehen nun noch härtere Zeiten bevor. Der Tourismus ist eingebrochen, das Saisongeschäft in vielen Orten tot. Das bedeutet: Keine Einnahmen im Sommer und keine Lebensgrundlage für den Winter. Die Stimmung schwankt zwischen Resignation und Verzweiflung. Die Euro-Gruppe wird – anders als bei der Vorgängerregierung unter dem konservativen Samaras – die Reformbemühungen des Landes nun penibel überwachen. Doch Experten sehen das Land mit dem neuen, alten Programm nicht auf Wachstumskurs.

Frage nach Schuldenschnitt bleibt

Auch bleibt die Frage nach einem Schuldenschnitt. Der IWF hatte diesen bereits vor dem Wochenende zur Bedingung für eine Teilnahme an einem dritten Hilfspaket gemacht. Die Bundesregierung aber lehnt diesen kategorisch ab und steht – nicht nur deswegen – international in der Kritik. Viele werten das unnachgiebige Auftreten der Kanzlerin und ihres Finanzministers als absichtliche Demütigung. Und trotz der „Einigung“ scheint Europa gespalten und die Hoffnung auf einen neuen politischen Kurs gebrochen. Darunter leiden werden nicht nur die Griechen. Auch in anderen europäischen Ländern kriselt es. Wirtschaftliche Probleme, Renationalisierung und politischer Extremismus sind die Folge. Zu alldem aber schweigt die Kanzlerin.

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Kommentare

Warum die dicken Tränen?

Unsere SPD-Vorturner in Vorstand und Regierung haben sich doch der Austeritätspolitik angeschlossen. Jener Politik, die sie noch im Wahlkampf als falsch erkannt haben. Unser Vorsitzender hat doch von sich gegeben, dass das was jetzt ausgehandelt wurde so ein toller Kompromiss ist. Jetzt, nachdem man Griechenland und seine Menschen gedemütigt hat, fallen einem auf einmal die negativen Seiten der Geschichte auf.

Griechenland gerettet?

Die Austeritätspolitik wird fortgesetzt und dies angesichts der schon bestehenden Verhältnisse in Griechenland, die gerade auf diese Politik zurückgehen: erhöhte Säuglingssterblichkeit, erhöhte Arbeitslosigkeit unter den jüngeren, Rückgang der Wirtschaft um 25%. Wahnsinn definiert Einstein so: Wenn man immer wieder das gleiche macht, in der Hoffnung andere Ergebnisse zu erhalten. Tatsache ist doch, dass die EU fürchtet, dass das Experiment für eine soziale und gerechte Politik in Griechenland Erfolg hat und beweist, dass das Neoliberale Konzept nur zu mehr Ungerechtigkeit und Umverteilung des Reichtums von unten nach oben führt. Davor hat Gabriel ebenso Angst, dann wäre bewiesen, dass es eine alternative zur Politik des "nach der Pfeife des Kapitals zu tanzen " (Kohlekompromiss) gibt. Ebenso wäre das ein Signal für Portugal, Spanien und Italien. Das aber will man unbedingt verhindern und so folgt man weiterhin dem Wahnsinn.