Sozen-Wirtschaft

Wie eine gerechte Steuerpolitik in Zeiten des Wandels aussieht

Gustav Horn13. März 2023
Sieben statt 19 Prozent: Die ermäßigten Sätze bei der Mehrwertsteuer dienen dazu, zum Leben wichtige Güter wie Lebensmittel steuerlich relativ günstig zu stellen.
Sieben statt 19 Prozent: Die ermäßigten Sätze bei der Mehrwertsteuer dienen dazu, zum Leben wichtige Güter wie Lebensmittel steuerlich relativ günstig zu stellen.
Die FDP will Unternehmen entlasten und im Gegenzug Ausnahmen beim reduzierten Mehrwertsteuersatz abschaffen. Letzteres würde vor allem die hart treffen, die viel für den Konsum ausgeben müssen: untere Einkommen. Dabei gibt es bessere Alternativen.

Jüngst sorgte die FDP wieder einmal mit steuerpolitischen Vorschlägen für Aufsehen. Wenig überraschend fordert sie eine Senkung der Unternehmenssteuer. Überraschend war dagegen der Vorschlag zur Gegenfinanzierung, indem der ermäßigte Steuersatz bei der Mehrwertsteuer zumindest für einige Produkte gestrichen und diese künftig mit dem Normalsatz von 19 Prozent besteuert werden sollten. Der letzte Vorschlag ist schon insofern überraschend als dass die FDP bislang jede Form von Steuererhöhungen abgelehnt hat. Jetzt also doch. Warum aber dies alles und vor allem: Ist dies sinnvoll und gerecht?

Warum die Unternehmen im Fokus stehen

Vor dem Hintergrund des fundamentalen Umbruchs, in dem unsere Wirtschaft derzeit steht, stellt sich zweifellos die Frage nach den angemessenen steuerpolitischen Konsequenzen. Dass dabei die Unternehmenssteuern in das Blickfeld geraten, ist zwangsläufig. Die Unternehmen werden die Hauptlast der Investitionen in nachhaltig produzierende Technologien zu tragen haben. Daher ist es sinnvoll, wenn das Steuersystem ein entsprechendes Verhalten spürbar belohnt.

Dies ist sogar im Koalitionsvertrag vorgesehen. Dort ist zwischen den Koalitionspartnern ein Superabschreibungsgesetz vereinbart, das Unternehmen durch eine Investitionsprämie (Superabschreibung) steuerlich merklich entlastet, wenn sie Investitionen in Wirtschaftsgüter vornehmen, die der Transformation hin zu einer nachhaltigen Wirtschaft dienen. Das ist der richtige Weg, richtige Anreize zu setzen. Diese wirken im übrigen umso so stärker je höher der Steuersatz ist, den Unternehmen ohne diese Abschreibungen zahlen müssten, weil unter diesen Voraussetzungen die Steuerersparnis durch Umweltinvestitionen am höchsten ist.

Daher wären nicht allgemeine Steuersenkungen für Unternehmen das Gebot der Stunde, sondern die Verabschiedung des ohnehin vereinbarten Superabschreibungsgesetzes. So hat es der amerikanische Präsident Biden in seinem Inflation Reduction Act (IRA) übrigens vorgemacht.

Umverteilung von unten nach oben

Wenn man steuerlich entlasten und gleichzeitig – wie die FDP – die Schuldenbremse  einhalten will, stellt sich zwangsläufig die Frage nach der Gegenfinanzierung. Da ist der Blick der FDP nun auf die ermäßigten Sätze der Mehrwertsteuer gefallen. Das aber ist nun die falsche Blickrichtung. Die ermäßigten Steuersätze dienen dazu, zum Leben wichtige Güter wie Lebensmittel steuerlich relativ günstig zu stellen. In den vergangenen Jahrzehnten hat sich hier nicht zuletzt wegen intensivem Lobbyismus von Branchenverbänden zwar ein gewisser Wildwuchs herausgebildet, aber im Kern soll der ermäßigte Satz nach wie vor Lebensmittel relativ günstig halten.

Dies ist vor allem für Haushalte mit niedrigen Einkommen sehr wichtig. Sie geben einen vergleichsweise großen Anteil ihres Einkommen genau für diese Güter aus. Für Haushalte mit hohem Einkommen, die zudem viel sparen können, ist eine höhere Mehrwertsteuer nur von geringer Bedeutung. Eine Anhebung dieser Steuersätze wäre daher schon für sich genommen eine Umverteilung von unten nach oben. In Kombination mit niedrigeren Steuersätzen für Unternehmen, von denen fast ausschließlich höhere Einkommen profitieren, wäre dies, gerade angesichts der aktuellen Belastungen durch die Inflation ein zutiefst ungerechtes Steuerprogramm.

Solidarität ist die entscheidende Kraftquelle

Würde man sich mit Blick auf die Mehrwertsteuer darauf beschränken, nur den Wildwuchs zu durchforsten, wäre dies schon wesentlich sinnvoller. Noch besser wäre es, wenn man steuerliche Maßnahmen vor dem Hintergrund der Belastungen, die durch den tiefgreifenden Umbruch in unserer Wirtschaft entstehen, sehen würde. Inflation, der Krieg in der Ukraine und der Gang ins post-fossile Zeitalte belasten den Wohlstand unser Volkswirtschaft insgesamt, besonders aber den ohnehin bescheideneren der mittleren und niedrigeren Einkommen. Daher wäre deren steuerliche Entlastung sinnvoll, während hohe Einkommen und Vermögen in dieser unsicheren Zeit auch etwas höhere steuerliche Lasten tragen könnten. Vor allem die ökonomischen Gewinner des Wandels sind hierzu mühelos in der Lage.

Ein solches Steuerpaket könnte man mit Recht solidarisch nennen. Wie gerade der jetzt zu Ende gehende Winter zeigt, dessen gewaltige und zuvor unbekannte Herausforderungen dank der vielfältigen Maßnahmen der Bundesregierung relativ glimpflich überstanden wurde, ist Solidarität die entscheidende Kraftquelle, mit der wir auch die künftigen Herausforderungen bestehen können. Das weiß auch die FDP.        

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Kommentare

Ausgaben durch Regierungen senken

Man hat den Eindruck, Regierungen Deutschlands zahlen für alles in der Welt, nur nicht für die deutschen Bürger.

Die einst nicht vorsteuerabzugsfähige und kumulative Umsatzsteuer [Allphasen-Brutto-Umsatzsteuer] betrug 1951 4%, was bei Produkten mit einer langen "Wertschöpfungskette" zu relativ hohen Steuerbelastungen führte.

1968 wurde diese Allphasen-Brutto-Umsatzsteuer zur Allphasen-Netto-Umsatzsteuer mit Vorsteuerabzug umgeformt und gleichzeitig massiv auf 10% erhöht.

Seitdem wurden die Bürger zunehmend mit der "Mehrwertsteuer" belastet. Dem muss man einen Riegel vorschieben.

Denn Regierungen waren und sind keine Unternehmer und vor allem auch nicht die besseren Unternehmer.

Es müssen alle "Projekte" von Regierungen überprüft werden, und zwar durch die Bürger, weil es ihr Geld ist, das die Regierungen ausgeben.

Es müssen also die Ausgaben durch Regierungen verringert werden, damit den Bürgern das von ihnen erwirtschaftete Geld zur eigenen Verfügung bleibt.

Der grösste Niedriglohnsektor eines EU-Landes ist übrigens das Werk von Grünen&SPD. Dadurch wurde und wird den Bürgern das Geld geraubt.

Man muss wieder Wohlstand für alle schaffen.

wir haben uns sehr gewöhnt an die Vollkaskoversicherung von Staa

ts wegen. Der Staat hat es ja, nicht Geld, sondern Kredit- und wie es jetzt den Anschein hat, erreichen wir das Kreditlimit, müssen also sehen, wie wir anderweitig zu Geld kommen, um unseren Anspruch als Sozialamt Europas und angrenzender Gebiete ebenso gerecht zu werden, wie den Forderungen der Bundeswehr, der investitionsbereiten Unternehmen (ua Northvolt- "wir kommen und bauen eine Batteriefabrik in Heide/Holstein, aber nur , wenn wir mindestens die Subventionen erhalten, die die USA zahlen würden"). Häuser, Wärmepumpen, Solaranlagen, machen wir alles, aber nur wenn der Staat dies fördert. Dann noch Sondervermögen jeweils 100 Mrd. für "diverses" . da ist Steuergerechtigkeit das geringste Problem- die schaffen wir auch noch - da bin ich recht sicher. Die Steuersätze , wie sie zu Zeiten des Altkanzler Kohl galten, das wäre mal ein Anfang

Steuergerechtigkeit

Den Beitrag von Gustaf Horn kann ich nur unterstreichen, aber allmählich geht mir zunehmend der Glaube daran verloren, dass irgendeine Bundesregierung (zumindest eine mit Unions-oder FDP-Beteiligung) endlich eine überfällige gerechte Steuerpolitik überhaupt in die Wege leitet, geschweige denn, umsetzen will.

Solidarität ist die entscheidende Kraftquelle

Gustav Horn analysiert wie immer sachlich und gut. Die zielführenden steuerlichen Werkzeuge liegen also schon seit Jahrzehnten auf dem Tisch.
Diese werden jedoch nicht zur Anwendung gebracht, weil ehedem der CDU-Wirtschaftsflügel dies nicht wollte und gegenwärtig die FDP dies nicht will. Wie lange lässt sich die Scholz-SPD noch von der Lindner-FDP am Nasenring durch die Arena ziehen?!

Mein Eindruck

Seit Jahren präferiert die SPD-Führung Regierungen mit CDSU oder FDP um eine Ausrede zu haben keine gerechte Steuerpolitik zu machen. Das gilt ähnlich für Bildung, Wohnungsbau etc. Man beachte da nur die derzeitige Politik im Land Berlin. So verspielt man das Vertrauen der Menschen und wundert sich dan über die afd.