
Wie geht es der SPD in Thüringen?
Es mag sich derzeit nicht in Wahlergebnissen niederschlagen, aber die Sozialdemokratie in Thüringen ist lebendig! Wir sind in fast allen Kommunalparlamenten vertreten, unsere Arbeitsgemeinschaften sind aktiv, die Mitglieder sind durch die Ereignisse im Frühjahr hochpolitisiert. In der Regierung sind wir diejenigen, die den Laden am Laufen halten.
Was wollen Sie anders machen als Ihr Vorgänger Wolfgang Tiefensee?
Wolfgang Tiefensee hat die Partei aufgerichtet und zusammengehalten. Er war präsent und hat so einige Krisen gut gemeistert – das möchte ich natürlich beibehalten. Natürlich gibt es aber auch Dinge, die ich anders machen möchte. Das politische Geschäft verändert sich stark. Es kommt mehr auf Personen an, Nachrichten und Meinungen verbreiten sich schnell. Dafür müssen wir personell, inhaltlich und technisch aufgestellt sein und dafür will ich sorgen. Die Basis liegt dabei im Kommunalen und darauf bauen wir auf.
Anders als Ihre unmittelbaren Vorgänger sind Sie in Westdeutschland geboren. Welche Rolle spielt das im 30. Jahr der Einheit?
Es spielt eine Rolle, aber nicht mehr die Hauptrolle. Ich bin längst in Thüringen verwurzelt. Ich wohne in Friedrichroda, eine typische Thüringer Kleinstadt. Dort bin ich integriert und kenne die Menschen und ihre tagtäglichen Herausforderungen. Es sind andere als vor 30 Jahren. Als Mitglied des Stadtrates weiß ich zum Beispiel sehr genau, wie schwierig die Folgen des demographischen Wandels zu beherrschen sind. Die Menschen in Thüringen haben besonders in den letzten 30 Jahren sehr viel geleistet und können sehr stolz darauf sein. Jetzt geht es darum, das Land gemeinsam nach vorne zu bringen. Davon abgesehen habe ich viele Dinge hier liebgewonnen: die Improvisationsfähigkeit, der Zusammenhalt und natürlich unsere legendäre Thüringer Bratwurst.
Sie übernehmen den Landesvorsitz unmittelbar zwischen zwei Landtagswahlen. Welches sind aktuell die größten Herausforderungen für die SPD in Thüringen?
Der jetzige Zeitpunkt liegt nicht nur zwischen zwei Landtagswahlen, sondern auch nach einer politischen Zäsur. Nie zuvor wurde der Konsens, dass Faschisten nie wieder an einer Regierungsbildung beteiligt sein dürfen, von demokratischen Parteien verlassen. Darauf müssen wir reagieren. Die SPD ist schon immer das Bollwerk der Demokratie gewesen und in Thüringen ist das sehr konkrete Arbeit.
Wir haben ein starkes Team aus Regierung und Fraktion, das sich auf eine breite Parteibasis stützen kann. Mit diesem werden wir weiter dafür kämpfen, dass die Antidemokraten von Rechts zurückgedrängt werden und wir mit unserem Angebot einer offenen und demokratischen Gesellschaft punkten können.
Was halten Sie von Überlegungen, die für das Frühjahr geplante Landtagswahl aufgrund der Corona-Pandemie zu verschieben und mit der Bundestagswahl im Herbst 2021 zusammenzulegen?
Wir haben eine gültige Vereinbarung zum Wahltermin. Daran halten wir uns.
Bleibt Rot-Rot-Grün das Wunschbündnis für die SPD in Thüringen?
Wir sind kein Teil eines politischen Projekts, wir sind eine eigene politische Kraft. Wir haben eigene Personen, eigene Positionen und lassen diese nicht auf die Wortmarke „r2g“ reduzieren. Sicherlich sind die Schnittmengen mit Linken und Grünen derzeit am größten, aber am Ende zählt die Konstellation, die unsere Werte vertritt und das Leben der Menschen spürbar verbessert.
In welchen Punkten kann sich die SPD inhaltlich von Linken und Grünen abgrenzen?
Zum Beispiel die Streitigkeiten über Polizei und Verfassungsschutz sind ermüdend und werden von Linken und Grünen nicht ehrlich geführt. Die SPD hat gerade im Bereich der inneren Sicherheit neue Standards gesetzt. Die Grünen sind in Thüringen eine reine Klientelpartei, die einen bevormundenden Politikstil pflegt. Und anders als die Linke, stehen wir ohne Wenn und Aber zu diesem Land, seinen Institutionen und Werten.
Nur die SPD Thüringen bietet eine Politik, die nah dran an der Lebenswirklichkeit der Menschen ist und stets das Wohl aller im Blick hat.
Bei der vergangenen Landtagswahl lag die SPD in den beiden Wahlkreisen in Gotha deutlich über dem Landesschnitt. Was funktioniert dort besser als im Rest des Landes?
Die SPD hat dort eine über Jahre gewachsene kommunale Basis und ein exzellentes Netzwerk. Die Kommunikation zu Vereinen, Bildungseinrichtungen, Unternehmen und Initiativen funktioniert schnell und problemlos. Davon kann man viel lernen. Hinzu kommen große Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten, wie Matthias Hey, Onno Eckert und Gabriele Reichstein.