Bundeswehr

Gegen die Bewaffnung von Drohnen: Angriff ist nicht die beste Verteidigung

Lothar Binding23. November 2020
Drohne „Predator“: Der Einsatz von bewaffneten Drohnen bedeutet den Übergang von Friedensmissionen in aktive Kampfmissionen, meint Lothar Binding.
Drohne „Predator“: Der Einsatz von bewaffneten Drohnen bedeutet den Übergang von Friedensmissionen in aktive Kampfmissionen, meint Lothar Binding.
Das Verteidigungsministerium unter Annegret Kramp-Karrenbauer dringt auf eine Bewaffnung der Aufklärungsdrohnen der Bundeswehr. Das würde eine gefährliche Eskalationsspirale in Gang bringen.

Deutschland, Europa, ja, die ganze Welt ächzt unter den gesundheitlichen und wirtschaftlichen Belastungen durch die Corona-Pandemie. Währenddessen bemüht sich das Verteidigungsministerium um eine Bewaffnung der in der Bundeswehr bisher lediglich für Aufklärungsmissionen eingesetzten Drohnen.

Im Einklang mit dem Beschluss des SPD Parteivorstands aus dem Jahr 2013 lehnt die AG SPD 60 plus eine Bewaffnung von Drohnen weiterhin ab. Es geht hierbei nicht „nur“ um die Aufrüstung der sogenannten Unmanned Aerial Vehicles (UAV), der unbemannten Fluggeräte, also Drohnen. Es geht auch nicht „nur“ um die neuen Möglichkeiten extralegaler, also außergesetzlicher Tötungen. Vielmehr ist die Diskussion Teil der übergeordneten Fragen, wie sich die Bundesrepublik Deutschland in einer sich weltweit stark wandelnden Sicherheitsarchitektur sehen möchte.

Die Logik des Kalten Krieges

Welchen Weg wollen wir auf der Suche nach einer friedlichen Welt einschlagen? Wollen wir eines der Länder sein, die sich offensiv militärisch engagieren? Oder wollen wir ein friedenliebendes, ein friedenförderndes Deutschland sein und bleiben, ein Land, das sich seiner historischen Verantwortung bewusst ist und eine glaubhafte internationale Plattform für diplomatische Gespräche sein kann? Wie sollen wir das noch sein, wenn sich deutsche Pilot*innen (am Bildschirm) durch die Nutzung von unbemannten bewaffneten Kampfdrohnen nicht mehr von Pilot*innen aus aller Welt unterscheiden lassen – extralegal?

Vielfach wird in der Debatte ein altbekanntes Argumentationsmuster bemüht: Die weltweite Militärausrüstung und Ausstattung der Armeen bewege sich sowieso immer weiter in Richtung Automatisierung und deshalb könnten wir uns auch beteiligen. Wer nicht mitmacht, geht unter, so die Botschaft. Diese Logik entspricht im Kern der Logik des Kalten Krieges, der gegenseitigen Abschreckung durch Aufrüstung und liegt auf dem Niveau der atomaren Bewaffnung Nordkoreas.

Kluge Abrüstungs- und Friedenspolitik durchbricht diese sich selbst bestätigende Aufrüstungsspirale immer wieder. Dass es möglich ist, effektive Schritte in Richtung Abrüstung zu gehen, zeigt das völkerrechtliche Verbot des Einsatzes von ABC-Waffen, also atomarer, biologischer und chemischer Waffen. Um weitere Schritte in Richtung einer friedlicheren Welt zu gehen, ist Aufrüstung maximal kontraproduktiv. Vielmehr ist es notwendig, dass wenigstens ein Industrieland den Anfang macht und mit der Bewaffnung von Drohnen gar nicht erst beginnt.

Bewaffnete Drohnen haben nichts mit Verteidigung zu tun

Natürlich wird als Grund für die Aufrüstung der Schutz der Soldat*innen genannt, oft genug vorgeschoben. Wer würde dem auch widersprechen? Selbstverständlich verdienen Menschen, Soldat*innen, die bereit sind, ihr Leben einzusetzen, den bestmöglichen Schutz – dazu zählt auch die Aufklärung mit Drohnen. Eine Bewaffnung von unbemannten Fluggeräten hat aber nichts mehr mit dem Schutz unserer Soldat*innen, nichts mit Verteidigung zu tun, auch wenn konservative Kreise das gerne so behaupten. Es sei denn, man folgt der Logik, dass Angriff die beste Form der Verteidigung sei. Ein Schild dient eben der Verteidigung, ein Schwert dem Angriff. Die Bewaffnung von Aufklärungsdrohnen wird zum offensiven Akt und schafft die Möglichkeit von Präventivschlägen.

Wir schaffen für sehr viel Geld immer neue Waffensysteme an, die sich mit trauriger Regelmäßigkeit als nicht einsatzfähig herausstellen. Statt diesen Weg weiterzugehen, sollte das Verteidigungsministerium lieber seinen Beitrag dazu leisten, dass Deutschland ein Land wird, das (schwierigen) internationalen Gesprächen eine Heimat bietet.

Unbemannte Systeme senken die Hemmschwelle für Grenzüberschreitungen und damit auch für Souveränitätsverletzungen. Sie sind – wie andere Waffensysteme auch – nicht ethisch neutral, weil sie beeinflussen, wie unsere Handlungsmöglichkeiten wahrgenommen werden.

Der Einsatz von bewaffneten Drohnen bedeutet den Übergang von Friedensmissionen in aktive Kampfmissionen, den Schritt von einer Schutzbedeutung deutscher Soldat*innen für einheimische Zivilist*innen hin zu einer potentiellen Bedrohung.

Der Koalitionsvertrag macht klare Vorgaben

Im Koalitionsvertrag haben SPD, CDU und CSU vereinbart, dass „über die Beschaffung von Bewaffnung [für Drohnen] der Deutsche Bundestag nach ausführlicher völkerrechtlicher, verfassungsrechtlicher und ethischer Würdigung gesondert entscheiden wird.“ (Koalitionsvertrag, S.159) In Mitteilungen der Verteidigungsministerin lesen wir nun, dieser Würdigung sei durch eine einzelne öffentliche Anhörung im Verteidigungsausschuss Genüge getan – wir halten diese Passage des Koalitionsvertrags noch lange nicht für erfüllt. Eine „ethische Würdigung“ militärischer Aufrüstung braucht eine aber breite, öffentliche Debatte.

Im Koalitionsvertrag heißt es außerdem: „Rüstungskontrolle und Abrüstung bleiben prioritäre Ziele deutscher Außen- und Sicherheitspolitik. […] Deutschland wird deshalb neue Initiativen für Rüstungskontrolle und Abrüstung ergreifen.“ (Koalitionsvertrag, S.148) Warum es konservativen Politiker*innen schwerfällt, in diesen Zeilen einen Widerspruch zu der Bewaffnung von Drohnen der Deutschen Bundeswehr zu sehen, bleibt ihr Geheimnis.

Sozialdemokratische Politik setzt auf Dialog

Kluge Politik denkt langfristig und erkennt Wirkungszusammenhänge, die im Falle der Bewaffnung von Drohnen zu einer Autonomisierung von Waffen führt. Denn was werden die Befürworter*innen im nächsten Schritt fordern, wenn sie feststellen, dass es trotz – oder gerade wegen – der Bewaffnung der Drohnen auch weiterhin Bedrohungsszenarien für unsere Soldat*innen gibt? Die nächste Forderung wird lauten, die Kampfdrohnen effektiver zu machen, indem sie die Bedrohungslage eigenständig analysieren und Handlungsempfehlungen an Piloten und Pilotinnen abgeben.

Das bedeutet also, Abwägungen, die auch heute nur Menschen treffen können und sollten, an Maschinen zu delegieren. Auch das widerspricht dem Koalitionsvertrag: „Autonome Waffensysteme, die der Verfügung des Menschen entzogen sind, lehnen wir ab. Wir wollen sie weltweit ächten. Deutschland wird auch künftig für die Einbeziehung bewaffneter unbemannter Luftfahrzeuge in internationale Abrüstungs- und Rüstungskontrollregime eintreten.“ (Koalitionsvertrag S.149)

Konservatives Sicherheitsverständnis definiert sich auch weiterhin über Abschreckung durch Aufrüstung. Sozialdemokratische Politik setzt dagegen auf Dialog, auf internationale Kooperation und Wandel durch Annäherung.

Mitarbeit: Paul von Neumann-Cosel

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Kommentare

Volle Zustimmung

Frieden und Abrüstung sind das Gebot der Stunde !
Deutsche Verantwortung für mehr Sicherheit heißt: Die ersten wichtigen Schritte in diese Richtung gehen. Der gegenwärtige Konfrontationskurs gegenüber Rußland oder China ist absolut falsch. Schnellstmöglicher Abzug aller Bundeswehrsoldaten un deren Gerät aus allen Drittländern. Auch aus dem Baltikum.

Bewaffnung von Drohnen

Es ist einfach nicht zubegreifen, dass ausgerechnet in einer Zeit, in der es um die Gesundheit der Menschen geht, aber auch grundsätzlich, der Kriegsministerin nichts Besseres einfällt, als vor der Bundeswehr-Hochschule eine mehr oder weniger kriegslüsterne Rede zu halten und dabei mit dem Schlagwort "Verantwortung" die Waffenproduktion auf ein Höchstmaß zu forcieren.
Neben den Kampfdrohnen sollen 38 Eurofighter sowie neue Hubschrauber beschafft werden.
Wenn die Union schon laufend sinnvolle Projekte, wie Parlamentsvorbehalt bei Corona-Schutzmaßnahmen, Lieferkettengesetz oder Abschaffung von Werkverträgen, Leiharbeit in der Fleischindustrie boykottiert, sollte die SPD in umgekehrter Weise ebenso diese unmenschlichen Waffenkäufe ablehnen!!!

ich stimme Ihnen voll

zu, die 38 Eurofighter brauchen wir nicht mehr. Es reichen ein paar tausende Drohnen, um ein ausreichendes Abschreckungspotential zu haben. Dass auf konvertionelles Material und vorallem auf Soldaten weitgehend verzichtet werden kann, haben wir doch gerade gesehen in Bergkarabach. Drohnen aus der Dritten Welt, und schon war die Sache erledigt für die drohnenlosen Armenier

Vielleicht meinten Sie es zynisch,

Herr Freitag und ich habe den Zynismus nicht verstanden.
"Es reichen ein paar tausende Drohnen, um ein ausreichendes Abschreckungspotential zu haben."
Wen wollen, sollen wir denn Abschrecken? Die Russen, oder die Chinesen, oder vielleicht die Flüchtlinge, welche lieber im Mittelmeer ersaufen, als weiter in ihrem Elend zu darben, welches sie dem "Werte-Westen" zu verdanken haben?

Es

muss hier in Sachen Abschreckung nichts erläutert werden, geht es doch allein um die Mittel, die heutzutage vonnöten sind, wenn man abschrecken will. Dazu bedarf es keiner zusätzlichen Eurofighter, schon gar nicht der vereinbarten 2% des BIP- das gilt es festzustellen, und dazu bedarf es des Hinweises auf die erfolgreichen Operation in Bergkarabach, denen konventionell gerüstete Armenier nichts entgegensetzen können, was hätte wirken können.
Also her mit den Drohnen, den Rest brauchen wir dann nicht mehr

Ich möchte Ihnen Ihre Meinung

Ich möchte Ihnen Ihre Meinung nicht madig machen, aber es ist traurig, dass einem nicht mehr einfällt, als ein Drohungspotential aufbauen zu müssen. Das hat mit Friedenspolitik nichts mehr zu tun...
Ich denke mal in den nächsten 10 bis 15 Jahren werden wir erleben, wohin uns diese Politik bringt.

Technische Gefährdung statt "Sicherheit"

Brexitland möchte eine "in-house"Drohne, die mit einer Schrotflintenladung den Gebäudekampf unterstützt. Das "Wingman" Programm der USA möchte ganze Kampfjets zu Drohnen machen und auch die bereits im Einsatz befindlichen Predator sprechen für sich.
Weit ist der Weg von der CL289 bis zu heutigen feuchten Träumen der Waffenlobby.

Untersuchen wir also die "sichere Technik" am aktuellen Beispiel. Die F135 hat ein derartig unsicheres Logistiksystem (ALYS) das man mit den devtools in jedem Firefox Browser eine ganze Flugzeugflotte "krankschreiben"= startunfähig klicken kann, zusätzlich telefoniert das System aggressiv nach Hause. Flugstabilisierung, Waffensysteme, Zielerfassung und Ortung, keines der Subsysteme im Flugzeug ist auch nur nach Stand der 1990er geschützt.
Wie genau soll der ("Cyber")Schutz vor Sabotage/Manipulation der gewünschten Killermaschinen also aussehen ?
Was würden die "Predator" machen, würde die BRD tatsächlich ein Gewissen entwickeln und Ramstein vom Internet isolieren ?

Achja: wird eine Aufklärungsdrohne manipuliert oder abgeschossen verliert man bestenfalls die zeitnahe Aufklärung, schenkt dem Gegner aber keine scharfe Munition samt Abschußplattform.

Wenn sozialdemokratische

Wenn sozialdemokratische Politik auf Dialog setzt frage ich mich, warum aus der Partei denn Zustimmung zu den Kriegseinsätzen der Bundeswehr im Ausland kommt. Sanktionen, wie sie z.B. gegen Syrien erfolgen, ist auch nichts weiter als ein Kriegsführung. Wer etwas einfordert, muss auch entsprechend handeln, sonst wirds unglaubwürdig.

Abschied...

Die SPD hat sich mit Beginn des Völkerrechtswidrigen Krieges gegen Jugoslawien unter Schröder von der Friedenspolitik verabschiedet. Bis heute sehe ich keine wirkliche Rückbesinnung auf eine Friedenspolitik wie sie unter Willi Brandt gegeben war. Was von Herr Maas kommt, ist nur noch unterirdisch. Das schlimmste ist die eigene Ohnmacht, nichts dagegen tun zu können und auf Gedeih und Verderb den, durch die Transatlantischen Kaderschmieden gegangenen Politiker/innen ausgeliefert zu sein...

Kampfdrohnen

Der beste Schutz für die SoldatInnen der Bundeswehr ist der Verzicht auf Einsätze wie z.B. in Afghanistan, Mali oder in sonstigen Ländern, wo die Bundeswehr nichts zu suchen hat. Sie ist eine Verteidigungsarmee! Der Einsatz von Kampfdrohen ist ohne sog. Kollateralschäden kaum möglich, wie die von US-Drohnen verursachten Todeszahlen von Zivilisten belegen

Kleine Korrektur

Ich stimme vollkommen zu das die Bundeswehr ursprünglich eine reine Verteidigungsarmee war, kenne aber das aktuelle Weißbuch nicht. Seit der Falschaussage das "Deutschland auch am Hindukusch verteidigt wird" sieht die Definition von "Verteidigung" im politischen Bereich wohl deutlich anders aus als beim Bürger.

Die "Kollateralschäden" bei den Drohnenmorden sind technisch bedingt. Die Predator feuert rückstoßfreie "Hellfire" Raketen. Diese sind LASERgelenkt (wo der Infrarotpunkt leuchtet fliegt die Rakete hin) und normalerweise mit einem Flächensprengkopf versehen, der jedwede Lüge von wegen "chirurgischer Präzision" ad absurdum führt. Panzerbrechende Nutzlast wird im Allgemeinen nur bei gepanzerten Zielen verwendet, bei Weichzielen (niedrig gepanzerte Ziele bzw. Menschen) sieht man die Gefahr das der eher punktuell wirkende panzerbechende Sprengkopf durch das Ziel hindurchgeht bzw. daran vorbei als zu groß an.
Überspitzt gesagt "Ich treffe alles, mein eigentliches Ziel ist hoffentlich dabei".

Drohnen haben Probleme mit dem Rückstoß punktuell wirksamer Waffen (Projektil- statt Raketenwaffen). Zwei Ausnahmen sind in Entwicklung befindliche (GB/RUS) Drohnen mit Schrotladung