Kosten der Kernenergie

Gefährlicher Irrweg: Warum Atomkraft das Klima nicht rettet

Benedikt Dittrich11. März 2021
Es gibt nach wie vor Energieverbände, die für eine Renaissance der Atomenergie werben – als vermeintlichen Beitrag zum Klimaschutz.
Es gibt nach wie vor Energieverbände, die für eine Renaissance der Atomenergie werben – als vermeintlichen Beitrag zum Klimaschutz.
Zehn Jahre nach der Katastrophe in Fukushima werden immer noch Atomkraftwerke gebaut, geplant, betrieben. Doch Atomenergie ist ein gefährlicher Irrweg. Ein kurzer Check mit Blick auf den Klimaschutz, die Stromkosten und unkalkulierbaren Risiken der Atomkraft

Atomkraft als verlässliche, bezahlbare Energie bis zum Umstieg auf Erneuerbare Energien – damit rechtfertigte 2010 die schwarz-gelbe Bundesregierung die Laufzeitverlängerung. Ein kurzer Irrweg, der nur wenige Monate später in einem schlecht organisierten Wiedereinstieg in den Atomausstieg endete. Im globalen Kampf gegen den Klimawandel scheint Kernenergie aber noch nicht abgeschrieben zu sein: Auch zehn Jahre nach Fukushima werden noch Atomkraftwerke geplant, gebaut und betrieben. Ist die Energiewende in Deutschland mit dem Fokus auf Erneuerbare Energien also nur ein anderer Irrweg? Wir nehmen Kernenergie an diesem historischen Tag noch einmal anhand von Kosten, Klimabilanz und Verlässlichkeit unter die Lupe.

Atomenergie als klimaneutrale Stromquelle?

Zunächst ist es nicht von der Hand zu weisen: Ein Atomkraftwerk produziert Strom klimaneutral. Bei der Spaltung von Uran-Atomen wird Energie erzeugt, ohne dass dabei klimaschädliches CO2 entsteht. Was als Abgase über den Kühltürmen sichtbar ist, ist Wasserdampf.

Doch das ist nur die halbe Rechnung: Der „Treibstoff“ für Atomkraftwerke, Uranerz, muss abgebaut und angereichert werden. Die Brennstäbe aus den Kraftwerken müssen regelmäßig erneuert und irgendwann eingelagert werden, wenn sie nicht mehr aufbereitet werden können. Das Öko-Institut in Darmstadt hat bereits 2007 vorgerechnet, dass dieser Prozess viel Strom benötigt. Der wurde damals vor allem mit Kohle erzeugt, war also besonders klimaschädlich. Im Grundsatz gilt aber auch heute noch: Die atomare Stromerzeugung ist nicht CO2-neutral.

Gleiches gilt für den Bau der Atomkraftwerke, denn dafür werden neben Zement und Stahl auch zahlreiche Edelmetalle benötigt. Abbau und Produktion sind energieintensiv und umweltschädlich. Allerdings: Auch bei Photovoltaik oder Windkraftanlagen müssen solche Produktionsketten bei der CO2-Bilanz berücksichtigt werden. Ein Atomkraftwerk schneidet dabei aber nicht besser ab, birgt stattdessen noch zusätzliche Risiken für Mensch und Umwelt, wie die Reaktorkatastrophen von Tschernobyl und Fukushima zeigen.

Günstiger Strom aus Atomkraftwerken?

Selbst wenn man diese Risiken ignoriert: Atomstrom ist auch alles andere als günstig. Rechnet man die Umlagen auf Strom aus Erneuerbaren Energien raus, die die SPD gerne reformieren und langfristig abschaffen möchte, ist Strom aus Wind, Sonne, Wasser und Biogas unschlagbar günstig. „AKWs sind längst unwirtschaftlich und waren dies auch in der Vergangenheit, da die realen Kosten immer politisch aufgefangen wurden“, schreibt die SPD-Bundestagsfraktion. „Bei den Stromerzeugungskosten liegen sie seit Jahren deutlich über Wind und Sonne“.

Damit spielen die Bundestagsabgeordneten Matthias Miersch, Nina Scheer und Carsten Träger vor allem auf die Subventionen in Milliardenhöhe an, die die Energiekonzerne in der Vergangenheit für den Betrieb ihrer Atomkraftwerke erhielten – zusätzlich zu den Entschädigungszahlungen, die die Rückwärts-Rolle beim Ausstieg 2011 verursacht hat. Verständlich erklärt hat das unter anderem die Wissenschaftssendung „Quarks“ mit Rückgriff auf Zahlen des Umweltbundesamtes und des Fraunhofer-Instituts. So kostet Atomstrom je nach Berechnung 6 bis 15 Cent pro Kilowattstunde, Windkraft 4 bis 8 Cent – und die Chancen stehen gut, dass erneuerbarer Strom noch günstiger wird.

Unterdessen könnten die Kosten für Atomstrom noch steigen. Denn die Kosten für den Rückbau der Kraftwerke sowie die Endlagerung des Atommülls sind Faktoren, die nur schlecht beziffert werden können. Dafür bilden die Konzerne zwar Rücklagen, ob die ausreichen, ist aber unklar. In Deutschland wird seit Jahrzehnten nach einem Endlager gesucht – bislang aber ohne Erfolg.

Atomstrom als Ergänzung zu Erneuerbaren Energien?

Als 2010 die Laufzeit von Atomkraftwerken verlängert wurde, war die Rede von einer „Brückentechnologie“, um die Schwankungen bei der Stromerzeugung von Erneuerbaren Energien und ihren schleppenden Ausbau auszugleichen. Probleme, die noch präsent sind: Wenn kein Wind weht und keine Sonne scheint, kann es zu Engpässen und „Versorgungslücken“ kommen. Wie also die Grundlast auffangen, wenn an manchen Tagen zu wenig grüner Strom produziert wird, überschüssiger Strom an anderen Tagen aber nicht gespeichert werden kann? Atomenergie wäre da immerhin umweltfreundlicher als Kohlestrom, so die Überlegung.

Nur: Atomkraftwerke sind nicht flexibel. Die Kraftwerksbetreiber müssen im weit Voraus wissen, welche Schwankungen es im Stromnetz geben wird, um die Energieerzeugung anzupassen. Die Atomspaltung kann nicht einfach, je nach Wetterlage, per Knopfdruck an- oder abgeschaltet werden. Eine Wasserstoffstrategie, verbunden mit einem massiven Ausbau der Erneuerbaren könnte stattdessen diese Probleme beheben. Auch der 12-Punkte-Plan zum Atomausstieg, den SPD-Umweltministerin Svenja Schulze am Donnerstag vorgestellt hat, zeigt deutlich in eine andere Richtung.

Die Sozialdemokratin zielt auch darauf, den Abschied von der Kernenergie über deutsche Grenzen hinweg zu unterstützen, Subventionen für diese Form der Energieerzeugung weltweit zu senken sowie hohe Sicherheitsstandards für die noch aktiven Atomkraftwerke in Europa zu erhöhen. „Unsere Arbeit ist mit dem deutschen Atomausstieg Ende 2022 nicht beendet“, verkündete Schulze bei der Vorstellung des Plans.

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Kommentare

Bitte beachten

Ser CO2 Ausstoß pro kilowarrstunde von Atomstrom liegt in der Größenordnung von dem von Wind- und Solarstrom - da müssen wir ehrlich bleiben. Das Problem haißt auch Atommüll, aber warum müssen funktionierende Wid- und Solaranlagen nach 20 Jahren verschrottet werden ? Gesetzesänderung ist angesagt !!!!
Das Hypen von Wasserstoff finde ich auch recht bedenklich gerade wenn ich an so Projekte wie "Power to Liquid" (Strom -> H2 -> Diesel/Benzin) denke. Aber auch andere H2-Technologien, denn sie dienen mit "grünem" Mäntelchen nur dazu daß der Kapitalismus sein müllreiches Wachstum fortsetzen kann. Das sehen wir ja auch bei Biogas, Biodiesel, Bioethanol .... und was sich sonst noch so Bio nennt.

Ganz so einfach...

...ist es eben nicht, wenn man die ganze Produktionskette betrachtet. Wie im Artikel erwähnt ist ein Restrisiko bei der Atomkraft noch gar nicht bezifferbar: die Endlagerung. Die beeinflusst die CO2-Bilanz ja auch – vom Castortransport bis hin zum Unterhalt von Endlagerstätten, die es bis heute in Deutschland nicht gibt. Damit fehlt immernoch ein entscheidender Faktor bei Kosten und CO2-Bilanz von Atomstrom, während bei Windkraft und Photovoltaik die gesamte Reihe bekannt ist.

Das ganze ist also - Forschung und Entwicklung ausgenommen - eine Rechnung mit immernoch mindestens einer Unbekannten.

Beste Grüße
Benedikt Dittrich

Was ist mit Frankreich?

Aus der Physik [Mittelschulwissen] wissen wir: Energie kann weder erzeugt noch vernichtet werden, sondern wird jeweils von einem Energieträger auf einen anderen übertragen und genutzt.

Frankreich 'erzeugt' fast 40% der gesamten Energie aus Kernkraft, der Anteil bei der Stromerzeugung beträgt ca. 70%.

Provokativ gefragt: SInd die Franzosen blöde?

Natürlich nicht. Sie nutzen das vorhandene Fachwissen und erweitern dies auch noch ständig. In Deutschland wurde durch den 'Ausstieg' aus der Kernkrafttechnik solches Wissen vernichtet.

Die Kernkrafttechnik wird also wie jede andere Technik beständig weiterentwickelt. Das sieht man an modernen Kernkraftwerken. Zukünftig wird es kein Endlagerungsproblem geben, da durch neue Kraftwerkstypen nahezu die gesamte Kernkraft genutzt wird und nur noch schwach strahlende Reste übrigbleiben, mit Halbwertszeiten von einigen Hundert Jahren.

Die Frage ist, was geschieht mit den Materialien der Windmühlen und Solartechnik?

Es wäre wünschenswert, die Bürger würden zumindest auf Mittelschulniveau über alles informiert, anstelle mit ideologischen Begriffen ['grüner Wasserstoff' u.ä.m.] irregeführt, manipuliert und verdummt zu werden.

Moderne Atomkraftwerke

Auch in Fukushima hat man geglaubt, so etwas wie in Tschernobyl könne dort nie passieren, denn Japan sei technisch ja viel weiter als die frühere Sowjetunion. Welch ein Trugschluss das war, hat sich vor genau zehn Jahren gezeigt. Die Atomkraft ist nie komplett beherrschbar und wird es auch nie sein. Ebenso wird immer strahlender Abfall anfallen. Diesen mit Resten von Windenergieanlagen oder Solarpanelen gleichzusetzen, halte ich für einen Fehler.
Noch eine Verständnisfrage: Was ist an dem Begriff "grüner Wasserstoff" irreführend?

Ursachen und Wirkungen

Es war ein sogenanntes Jahrhundertbeben, dass die Havarie im Kernkraftwerk von Fukushima verursachte und eben nicht fehlerhafte Technik oder fehlerhafte Handhabung der Technik. Die japanische Regierung veranlasste seinerzeit sofort eine Verbesserungn aller in Japan betriebenen Kernkraftwerke, so dass Kernkraftwerke nicht mehr aufgrund von Erd- und Seebeben havarieren können.

Der Reaktor in Tschernobyl war ursprünglich zur Herstellung waffenfähigem Materials gedacht und nicht zur Stromerzeugung. In Tschernobyl kamen tatsächlich fehlerhafte Technik und fehlerhafte Handhabung der Technik zusammen, die das Reaktorunglück herbeiführten.

Bei den in modernen und zukünftig noch mehr verbesserten Kernkraftanlagen anfallenden radioaktiven Stoffen handelt es sich sicher um Material, das nicht mit den Materialien vergleichbar ist, die bei dem Abriss von Windmühlen oder der Solartechnik anfallen. Es ging mir darum aufzuzeigen, dass für jedwede Technik immer Energie und Stoffe benötigt werden. Industrielle Prozesse sind nun mal nicht 'sauber'.

Technisch betrachtet ist Wasserstoff einfach Wasserstoff, egal wie man ihn herstellt. Man sollte das eben auch technisch betrachten.