
Die Zahlen sind erschreckend: Bisher gab es in diesem Jahr fast 700 Übergriffe auf Flüchtlingsunterkünfte, mehr als 100 Brandanschläge sowie mehr als 100 Gewalttaten und mehr als 200 Körperverletzungen. Dies hob der Bielefelder Konfliktforscher Andreas Zick bei der Vorstellung des neu erschienenen Buchs „Wut, Verachtung, Abwertung – Rechtspopulismus in Deutschland“ am heutigen Montag in der Friedrich-Ebert-Stiftung in Berlin hervor. In dem Band wird das Phänomen Rechtspopulismus aus wissenschaftlicher und journalistischer Perspektive betrachtet. Die Forscher beschreiben ein gesellschaftliches Klima, das zunehmend von Enthemmung und Verrohung geprägt ist.
Andreas Zick zufolge ist der Rechtspopulismus viel stärker als bisher angenommen. Zudem verändere er zunehmend die Gesellschaft, wie der Konfliktforscher bei der Veranstaltung in Berlin betonte. 20 Prozent der Bevölkerung seien eindeutig rechtspopulistisch eingestellt und 42 Prozent tendierten in eine rechtspopulistische Richtung, erklärte die Sozialforscherin Beate Küpper.
Rechtspopulistische Einstellungen gehen demnach vielfach einher mit kollektiver Wut. „Wut auf die Veränderungen etwa durch Einwanderung, Verachtung für ‚die da oben’ in Politik, Wirtschaft und Medien sowie Abwertung all derer, die schwächer sind, denen aber unterstellt wird, den eigenen Status vermeintlich zu bedrohen“, sagte Andreas Zick dazu. So äußere knapp ein Fünftel der Bevölkerung kollektive Wut auf Zuwanderer oder unerwünschte Personen, 23 Prozent zeigten Verständnis für gegen Zuwanderer gerichtete Wut und sieben Prozent billigten Gewalt gegen Asylunterkünfte.
Deutschland ist ein zerrissenes Land
Noch deutlich höher liegen die Zustimmungswerte bei den rechtspopulistisch Gesinnten. 40 Prozent von ihnen artikulierten kollektive Wut, 17 Prozent davon Gewalt billigen und 22 Prozent wären gar bereit, Gewalt selbst anzuwenden, so die Sozialforscher. Für den Herausgeber der Studie, Ralf Melzer von der Friedrich-Ebert-Stiftung, ist diese hohe Gewaltakzeptanz in Verbindung mit kollektiver Wut alarmierend: „Die nahezu täglich brennenden Unterkünfte für Geflüchtete sind ein Ausdruck davon.“
Deutschland sei 2015 ein zerrissenes Land, konstatieren die Sozialwissenschaftler. Die so genannte gesellschaftliche Mitte sei an ihren Rändern fragil und rutsche zunehmend nach rechts. Von den Rändern schlichen sich Stimmungen ein, ohne dass dies immer entsprechend bemerkt werde. Ein Jahr Pegida-Bewegung habe zur Polarisierung der Gesellschaft und Radikalisierung beigetragen, rechtspopulistische Diskurse seien wieder sagbar geworden, hält Andreas Zick fest.
Für den Band „Wut, Verachtung, Abwertung – Rechtspopulismus in Deutschland“ wurden die für die Mitte-Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung für 2014 erhobenen Daten neu ausgewertet und sind dort mit eingeflossen.
Der Artikel erscheint mit freundlicher Genehmigung des „Blicks nach rechts“ (bnr.de)