Integrationsdebatte

Fünf Gründe für die doppelte Staatsbürgerschaft in Deutschland

Jonas Jordan08. Dezember 2022
Der deutsche Pass wird nicht weniger wert, wenn andere ihn auch bekommen oder eine weitere Staatsangehörigkeit behalten dürfen.
Der deutsche Pass wird nicht weniger wert, wenn andere ihn auch bekommen oder eine weitere Staatsangehörigkeit behalten dürfen.
Die Ampel-Koalition plant eine Reform des Staatsbürgerschaftsrechtes. Mal wieder ist die Empörung groß. Dabei würde mit der doppelten Staatsbürgerschaft in Deutschland nur das eingeführt, was anderswo schon lange gängige Praxis ist.

Und dann taucht mal wieder Roland Koch auf. Also zum Glück nur im Kopf, nicht persönlich. Doch die Unterschriftenkampagne des damaligen CDU-Spitzenkandidaten im hessischen Landtagswahlkampf 1999 gegen die doppelte Staatsbürgerschaft hat für die politische Debatte Maßstäbe gesetzt, in der Union, aber auch innerhalb der deutschen Gesellschaft.

Kaum hat die Ampel-Koalition unter Federführung von Innenministerin Nancy Faeser (SPD) ihren Vorschlag für ein geändertes Staatsbürgerschaftsrecht mit schnelleren Einbürgerungen und der grundsätzlichen Möglichkeit einer doppelten Staatsbürgerschaft unterbreitet, schon folgen wie ein Pawlowscher Reflex „Argumente“ und Äußerungen wie: Der deutsche Pass werde verramscht. Von „50-Prozent-Deutschen“ ist die Rede. Man könne nur einem Herren dienen, heißt es. Das Prinzip „Eine Person, eine Stimme“ im Wahlrecht werde verletzt. Dass diese letzlich von Vorurteilen und rassistischen Denkmustern geprägten Äußerungen größtenteils vollkommen absurd sind, zeigt sich aus mehreren Gründen.

Erstens: Viele doppelte Staatsbürgerschaften sind bereits erlaubt

Erstens behalten bereits jetzt mehr als 60 Prozent der Menschen bei ihrer Einbürgerung neben ihrer deutschen Staatsbürgerschaft auch ihren bisherigen Pass. Das gilt beispielsweise grundsätzlich für alle EU-Bürger*innen, denen Deutschland eine doppelte Staatsbürgerschaft erlaubt. Darüber hinaus gibt es eine Reihe von Staaten wie zum Beispiel Syrien, Ägypten oder den Iran, bei denen es grundsätzlich nicht möglich ist, den Pass des jeweiligen Landes abzugeben. Ergo behalten auch diese Menschen bei ihrer Einbürgerung neben der deutschen eine weitere Nationalität. 

Zweitens: Andere machen es längst

Zweitens ist die in Deutschland nun beabsichtigte Praxis in anderen europäischen Ländern längst Gang und Gäbe. Nur wenige Länder verbieten die mehrfache Staatsbürgerschaft. Seit den 2000er-Jahren haben viele europäische Staaten ihr Staatsangehörigkeitsrecht reformiert. Relativ gering sind die Hürden der Einbürgerung zum Beispiel in Frankreich, Großbritannien, Portugal, Polen, Schweden, Finnland und Belgien. 

Dort können Einwanderer*innen nach einem rechtmäßigen und ununterbrochenem Aufenthalt im Land von fünf Jahren einen Antrag auf Einbürgerung stellen – ähnlich wie nun in Deutschland geplant. Wenn sie mit einem Ehepartner oder einer Ehepartnerin zusammenleben, reduziert sich die Frist auf drei Jahre. Sie können außerdem nach der Einbürgerung ihre ursprüngliche Staatsangehörigkeit beibehalten.

Drittens: Das Land wird demokratischer

Drittens ist es mit Blick auf das Wahlrecht bereits jetzt so geregelt, dass zumindest EU-Bürger*innen bei Wahlen auf kommunaler Ebene oder zum EU-Parlament ihre Stimme abgeben dürfen. Für Wahlen auf Landes- und Bundesebene gilt dies jedoch nicht. Das betrifft derzeit mehr als neun Millionen Menschen in Deutschland. Deswegen forderte auch Bundeskanzler Olaf Scholz: „Die Demokratie lebt von der Möglichkeit, mitzubestimmen. So entsteht Legitimität und so wächst Akzeptanz. Deswegen muss uns daran gelegen sein, dass Einwohnerschaft und Wahlvolk nicht auseinander fallen.“

Viertens: Auch Deutsche haben Vorteile

Viertens müssen bislang deutsche Staatsbürger*innen, die aus persönlichen oder beruflichen Gründen die Staatsbürgerschaft eines anderen Landes beantragen, zum Beispiel wenn sie im Ausland leben, entweder die deutsche Staatsbürgerschaft ablegen oder zumindest einen Antrag auf Beibehaltung zu stellen. Auch das wäre mit der geplanten Reform der Bundesregierung künftig nicht mehr notwendig.

Fünftens: Es gibt keine halben Menschen

Fünftens ist die deutsche Staatsbürgerschaft keine Auszeichnung, zumindest für die meisten hier lebenden Menschen nicht. Sie haben den deutschen Pass einfach mit ihrer Geburt bekommen – logischerweise ohne irgendetwas Nennenswertes dafür geleistet zu haben. Insofern mutet es recht seltsam an, wenn diese Personengruppe nun von anderen ein besonderes Bekenntnis zu Deutschland fordert. Denn das wirft die Frage auf, wann eben jene dieses Bekenntnis geleistet haben. Mit dem ersten Schrei nach der Geburt, der – schwer artikulierbar – so viel wie „Ich bin stolz, ein*e Deutsche*r zu sein“ bedeuten sollte?

Zugleich ist es natürlich gehöriger Unfug, von 50-Prozent-Deutschen zu sprechen. Es gibt keine halben Herzen, keine halben Menschen und keine halben Staatsbürgerschaften. Es wird auch niemanden etwas weggenommen oder entwertet, wenn andere es auch bekommen. Das mag zwar der gefährliche Irrglaube von Konservativen sein, ist aber in der Realität schlicht unzutreffend.

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Kommentare

ich denke, das ist zu kurz gesprungen, immerhin

gibt es reale lebenssachverhalt, in denen bei Zubilligung der doppelten Staatsangehörigkeit weitere Staatsangehörigkeiten verloren gehen, bzw aufgegeben werden müssen. Ich finde ja gut, dass nun die doppelte Staatsangehörigkeit zum Regelfall wird, aber noch besser wäre es, generell keine Begrenzung vorzusehen, um auch die Fälle zu berücksichtigen, in denen mehr als zwei Staatsangehörigkeiten vorliegen

Gründe für die doppelte Staatsbürgerschaft in Deutschland

sehe ich keine.

Denn:

1) Bürger aus EU-Mitgliedstaaten benötigen keine deutsche Staatsbürgerschaft. Regelungen anderer Staaten wie bspw. Syrien, Ägypten, Iran sind das Problem dieser Staaten.

2) Was andere EU-Mitgliedstaaten machen, ist deren Angelegenheit. Und natürlich kommen auch dort richtige Einwanderer nur rechtmässig ins Land.

3) Einwohnerschaft und Wahlvolk kann und muss unterschieden werden; ausser man will das einheimische Wahlvolk überrumpeln, überstimmen und letztlich schädigen.

4) Die angeblichen "Vorteile" sind marginal, denn die bisherigen Regelungen hinderten deutsche Bürger in den vergangenen 70 Jahre nirgends.

5) Natürlich gibt es Halbherzigkeiten. Und die Aussagen insbesondere von zugezogenen Bürgern islamisch beherrschter Staaten bezüglich ihrer Loyalität zu Deutschland waren und sind mehr als erschreckend.

Kein rechtmässiger Bürger irgendeines Landes muss etwas für seine Staatsbürgerschaft leisten.

Die im Artikel angeführte Argumentation ist ein Strohmannargument, und aus meiner Sicht ein schäbiges.

Die zwischenstaatlichen Regelungen in der EU oder mit anderen Staaten reichen aus. Es bedarf keiner doppelten Staatsbürgerschaft.

Ich gebe dir recht! Es soll

Ich gebe dir recht! Es soll bitte so bleiben wie es ist. Dauerhafter Aufenthalt soll vereinfacht werden aber nicht die Staatsbürgerschaft.
Nach 3-5 Jahre gibt es den Dauerhaften Aufenthalt und nach 8 Jahren die Staatsbürgerschaft evt. 5 wenn man verheiratet ist.

Was ich finde was sich ändern muss ist der automatische Verlust der deutschen Staatsbürgerschaft wenn man eine andere annimmt.

Ihre Argumentation

Dafür ist Ihre Argumentation von Islamophobie geprägt, was ja bei dem Thema auch nicht selten ist.

Doppelte Staatsbürgerschaft

Ich habe selten ein dümmeres Argument gehört als das unter Punkt 5 von Jonas Jordan vorgetragene. Damit zerlegt Herr Jordan sich selbst und untermauert, weshalb es einfach nur dumm ist, doppelte Staatsbürgerschaften zu automatisieren. Wir haben in den Grundschulen oftmals eine Migrationsquote von ca 50%, die Sprachkenntnisse lassen vielfach zu wünschen übrig, das Niveau sinkt -nicht nur deshalb- aber es sinkt.In zehn bis 15 Jahren sind die Kinder von heute im wahlfähigen Alter und sollen dann über die Gesetze bestimmen? Womöglich eine Fremdsprache zur offiziellen Landessprache erheben wie jüngst bereits gefordert wurde? Man muss es eben zu Ende denken.

Zu Ende denken

Gut, dann denken Sie es mal zu Ende: Fakt ist, dass Deutschland längst ein Einwanderungsland ist, umso mehr, wenn man die vielen Millionen Vertriebenen nach dem Zweiten Weltkrieg auch in die Statistik aufnehmen würde. Fakt ist auch: Ohne Zuwanderung würde Deutschland aussterben auf lange Sicht, kurzfristig würde sich zumindest der jetzt schon gravierende Fachkräftemangel weiter verstärken. Das hat aber letztlich nichts damit zu tun, die Menschen, die schon lange hier leben und gut integriert sind, einzubürgern und ihnen auch die doppelte Staatsbürgerschaft zu erlauben. Genauso enthält Ihr Kommentar keinerlei Argumente, die einer doppelten Staatsbürgerschaften entgegen stehen, mit Ausnahme grundsätzlicher Ressentiments mit Blick auf Zuwanderung.

Einwanderungsland wird Deutschland n i c h t dadurch,

dass man gebetsmühlenartig behauptet, es sei ein Einwanderungsland. Ausser, man übernimmt die mittlerweile auch von der SPD verbreitete und recht eigenwillige Definition von Einwanderung, nach der jeder Zuzügler (egal ob legal oder illegal ins Land gelangt) durch mehrjährigen Aufenthalt zum Einwanderer erklärt wird.

Fremde und/oder einheimische Bürger würden auch in Deutschland bei einer Geburtenrate unterhalb der Sterberate sicher aussterben. Wie sagte der britische Ökonom J.M. Keynes so richtig: Auf lange Sicht sind wir alle tot.

Das sind ja ...."Argumente"

Ich möchte nur bemerken, daß >25% meiner Schülerinnen und Schüler einen Migrationshintergrund haben (wie man heute so sagt). Sie sind alle der deutschen Sprache mächtig und ich sehe die von Ihnen beschrieben Gefahr der Abschaffung der deutschen Sprache nicht. Und diese Menschen sind in meinen Fächern, Chemie und Biologie (SEK I), auch nicht schlechter als die "Biodeutschen".

Danke!

Danke!

Viele Menschen leben mehrere Jahre in diesem Land, lernen Sprache, bezahlen Steuer und tun alles was Sie können um deutsch zu sein und sich zu integrieren. Ich lebe hier 8 Jahre zum Beispiel und habe mich so gut wie möglich integriert. Wieso soll es dann so problematisch sein den Pass zu bekommen. Es gibt deutsche die in US wohnen und von US Pass profizieren werden. Geht aber nicht, weil sie dann die deutsche verlieren. Es gibt Leute, die einfach ihr Pass behalten wollen, damit man letzendlich nicht noch eine bürokratische Hölle bei der Abgabe der eigenen durchgehen muss die zum Beispiel, wie in meinem Fall 2 Jahre dauern kann. Wozu? Wieso muss ich es abgeben? Wir leben schon längst in der Zeit, wo das nicht wirklich Sinn macht und es gibt definitiv Menschen, die es längst verdient haben eine Doppelte zu haben.

ganz meine Meinung

insbesondere soweit die Begrenzung auf zwei Nationalitäten in Frage gestellt wird. Jeder sollte die Pässe bekommen können, die er benötigt bzw gebrauchen kann