vorwärts-Debatte

Warum auch Freiberufler und Beamte in die Rentenkasse einzahlen müssen

Hans-Jürgen Urban17. November 2016
Die Rentenversicherung auf alle Beschäftigten ausdehnen, fordert die IG Metall
Die Rentenversicherung auf alle Beschäftigten ausdehnen, fordert die IG Metall
Ein Solidarsystem statt Privilegienschutz, fordert Hans-Jürgen Urban von der IG Metall. Auch Selbständige und Beamte sollen in eine Erwerbstätigenversicherung einzahlen. So könnte ein Sozialabbau bei den Renten gestoppt werden, erklärt Urban.

Die Rentenversicherung ist eine Arbeitnehmer-Versicherung. Beitragspflicht und Versicherungsschutz sind an den Arbeitnehmerstatus geknüpft. Selbstständige und Freiberufler müssen sich, bis auf einige Ausnahmen, privat für das Alter absichern. Zudem verfügen Teile der Selbstständigen und Freiberufler, etwa Ärzte, Anwälte oder Notare, über eigene Versorgungswerke. Und Beamte erhalten nach ihrem Ausscheiden aus dem Staatsdienst eine steuerfinanzierte Pension, die durch eine Alimentierungspflicht des Staates begründet wird. Doch diese Konstruktion passt nicht mehr so recht in die heutige Zeit. Sie leidet an zwei sozialpolitischen Achillesfersen:

Rentenversicherung auf alle Beschäftigten ausdehnen

So erzeugt der verengte Zuschnitt auf den Arbeitnehmer-Status angesichts veränderter Arbeitsmarktentwicklungen und neuer Lebensstile wachsende Sicherungslücken. Arbeitslosigkeit und Niedrigeinkommen sowie nicht sozialversicherte Formen abhängiger Arbeit nehmen zu. Doch wer längere Zeit arbeitslos ist, wenig verdient oder gar nicht rentenversichert ist, kann keine ausreichenden Anwartschaften auf eine auskömmliche Rente aufbauen. In der Arbeitnehmer-Rentenversicherung ist ein hinreichender Risikoschutz an eine kontinuierliche, ausreichend entlohnte und sozialversicherungspflichtige Erwerbsarbeit gebunden.

Hier besteht dringlicher Handlungsbedarf. Sollen die genannten Personengruppen nicht in Altersarmut und in der steuerfinanzierten Grundsicherung landen, muss der Versicherungsschutz auf die Beschäftigtengruppen ausgedehnt werden, die bislang aufgrund geringfügiger Beschäftigung oder formeller Selbstständigkeit nicht oder unterwertig versorgt werden. Das läuft darauf hinaus, die Rentenversicherung zu einer allgemeinen Erwerbstätigenversicherung weiterzuentwickeln, in die alle Formen von Erwerbstätigkeit, also auch Beamte und Parlamentarier, schrittweise einbezogen werden. Das wäre gerechter und würde alle an der Stabilisierung der sozialen Rentenversicherung beteiligen.

Hohe Einkommen entziehen sich dem Solidarsystem

Doch hier wird die zweite Achillesferse sichtbar. Viele Freiberufler entziehen sich aktiv der Solidargemeinschaft. Sie sind in Sonderversorgungssystemen versichert. Sie haben durchschnittlich recht hohe Einkommen und stellen versicherungsmathematisch eher „gute Risiken“ dar. So lange sie nicht einbezogen werden, entgehen der Rentenversicherung Finanzmittel. Diese fehlen für interne Solidarausgleiche und die Unterstützung derjenigen, die nicht aus eigener Kraft für eine hinreiche Absicherung sorgen können. Aber das ist ein unverzichtbares Element einer Sozialversicherung. Hier müssen sich Gesellschaft und Politik entscheiden: Aufrechterhaltung eines Privilegien-Systems für wenige oder Aufbau und Stabilisierung eines Solidarsystems für alle. Das Votum der Gewerkschaften heißt: Erwerbstätigenversicherung!

Aus Sicht der Beamten wird mitunter gewarnt: die heutigen Beamtenbesoldungen seien nicht auf die Zahlung von Rentenbeiträgen ausgelegt. Müssten solche zukünftig errichtet werden, käme es zu unzumutbaren Belastungen. Die Antwort liegt auf der Hand: Wenn zukünftige Beamtengenerationen ohne unzumutbare Einbußen beitragspflichtig werden sollen, müsste die Besoldung entsprechend angepasst werden. Das sollte machbar sein.

Also: Mehr Solidarität durch eine Erwerbstätigenversicherung statt Sozialabbau bei Rente? Geht das? Wenn der politische Wille da ist, ja! Unser Nachbar Österreich hat es vorgemacht.

Wie schaffen wir sichere Renten?

weiterführender Artikel

Kommentare

Hans-Jürgen Urban polemisiert und verdunkelt:"Privilegienschutz"

Der Abbau der Renten wurde und wird vom Parlament und der Regierung betrieben. Das System der gesetzlichen Rente wurde durch Riester u.ä. mehr schon ruiniert, wurde und wird zudem durch Zahlung versicherungsfremder Leistungen geschwächt: erst die Finanzierung der deutschen Einheit dann der massenhafte illegale Zuzug in die Sozialsysteme. Eine durch falsche Finanz-, Wirtschafts-, Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik, sich daraus ergebender hoher Arbeitslosigkeit und deshalb notwendig gewordene Modernisierung der Finanzierung der gesetzlichen Rente wurde und wird weder vom Parlament noch der Regierung geleistet, die daraus entstehenden Belastungen einseitig den Arbeitnehmern aufgebürdet. Das ist ein dramatisches Versagen vor allem von SPD&Grünen, die mit der Agenda 2010, der masslosen Ausweitung von Zeitarbeit und den rabiat gedückten Löhnen für Probleme in der Sozialversicherung sorgten. Um die umlagefinanzierte Rente zu sichern, müssen die Löhne drastisch erhöht und gleichzeitig mit geeigneter Politik dafür gesorgt werden, dass die Bürger sich selbst Wohlstand erarbeiten und ihn im Falle von Arbeitslosigkeit auch behalten können. Die Erpressung Selbständiger macht nichts bessern.

Warum auch Freiberufler und Beamte in die Rentenkasse einzahlen

Hans-Jürgen Urban hat vollkommen Recht, seine Forderung sollte auch von der SPD nachhaltig unterstützt werden; denn das seitherige System ist ungerecht.

So kassieren Beamten- und vor allem Millionärsgattinnen die Mütterrente aus einer Kasse, in die sie nie eingezahlt haben, ebenso wie andere versicherungsfremde Leistungen (Renten von Russlanddeutschen, die nun AfD wählen) aus der Rentenkasse finanziert werden.

Dies stellt eindeutig den Tatbestand der Veruntreuung dar, die gegenüber den Verantwortlichen strafrechtlich verfolgt werden müsste!

Freiberufler und Beamte in die Rentenkasse.

Grundsätzlich ein möglicher Weg, der uns aus der anstehenden Misere, in die
unser Rentensystem langfristig gesehen unweigerlich hineinschlittert. Hier
ist die Gruppe der Betreiber von Kleingewerben wohl die jenige ,bei der
die Gefahr akkuter Armut im Alter am grössten ist. Ich stelle mir hier eine
Beitragspflicht bis zum erreichen der Grundsicherung vor. Anschliessend
sollen diese Leute einen jährlichen Beitrag als Infaltionsausgleich zahlen.
Ein ebensolches Verfahren würde ich auch für die Gruppe der Freiberufler
vorschlagen. Schwierig, doch keinesfalls unlösbar ist die Sache bei den
Beamtenpensionen, deren Bruttogehälter eine Rentenversicherugsbeitrag
nicht berücksichtigen. Verordnet man der Beamtenschaft nun einen Bei-
tritt zur gesetzlichen Rentenversicherung, bedeutet dies eine Minderung
des Nettoeinkommens von ca. 10%, zuzüglich des Arbeitnehmeranteils,
der ebenso kostenmäßig zu Buche schlägt. Ich halte hier eine Reform
der Krankenversicherung der Staatsdiener für weitaus besser.

"Das sollte machbar sein."

"Die Antwort liegt auf der Hand: Wenn zukünftige Beamtengenerationen ohne unzumutbare Einbußen beitragspflichtig werden sollen, müsste die Besoldung entsprechend angepasst werden. Das sollte machbar sein."

Das ist alles, was der Gewerkschafter zu den Kosten, die der Steuerzahler zusätzlich für rentenzahlende Beamte aufbringen müsste, zu sagen hat?
Das würde bedeuten, die Bruttogehälter der rd. 1,5 Mio. Beamten um ca. 20% erhöhen zu müssen. Bei Übernahme der Beamten in die GKV/"Bürgerversicherung" kämen nochmals rd. 20% obendrauf und zusätzlich natürlich die jeweiligen Arbeitgeber-Anteile. Gewonnen wäre damit nichts, da natürlich zusätzliche Anspruchsberechtigte die RV / GKV belasten würden.

Selbst der Milchmädchen rechnende Steuerbürger sollte erkennen, dass das für den Steuerzahler erheblich teurer würde, als die bisherige Beamtenversorgung.

BTW: Da bereits heute jährlich ca. 90 Milliarden Euro/Jahr Steuergeld in die Rentenkassen fliessen und auch Beamten Steuern zahlen, finanzieren ergo bereits heute die Beamten die gesetzliche Rente mit, ohne davon etwas zu haben!