Die Unterdrückung von Frauen durch das Kopftuch

Der Frauenkörper als Tabuzone

Lale Akgün31. Juli 2015
Ist das Kopftuch ein Zeichen der Unterdrückung?
Das Kopftuch weist die Frau in die den Männern genehmen Schranken. Die Diskussion um das islamische Kopftuch ist und bleibt die muslimische Variation der alten feministischen Frage: Sind Frauen Herrinnen im eigenen Haus?

Sich frei zeigen zu können ist ein Menschenrecht, und „Menschenrechte haben kein Geschlecht“, wie schon die Schriftstellerin Hedwig Dohm im 19. Jahrhundert schrieb. Wer behauptet, es sei ein Akt des Selbstbewusstseins, den Körper zu verstecken, oder ein Zeichen von Vielfalt, Selbstbestimmung oder gar Emanzipation, der verdreht die Fakten und verharmlost die tatsächliche Bedeutung des Kopftuchs. Ebenso durchsichtig ist die angelernte Argumentation, das Kopftuch sei ja „nur ein Stück Stoff“, denn dieses „Stück Stoff“ dient ja dazu, die Frau zu verhüllen. 

Bedecken heißt verstecken

Natürlich kann man zig Erklärungen und Schutzbehauptungen für das Tragen des Kopftuchs finden: das Kopftuch als „Übergangsobjekt von einer Gesellschaft in die andere, als ein Medium, gesellschaftliche Brüche zu überwinden, und – besonders beliebtes Argument – als ein Schutz. Da fragt sich so manch einer: Schutz vor wem oder was? Vor Wetter, Wind und Regen? Nein, vor den bösen Männern natürlich! Die fallen ja bei jeder Gelegenheit über die armen Frauen her, wenn das Kopftuch sie nicht „schützt“! Und welche Frau will schon diesen sexgierigen Männern schutzlos ausgeliefert sein! Das „Stück Stoff“ schreckt diese Männer freilich gewiss nicht ab.

Es genügt allerdings der gesunde Menschenverstand, um sich klar zu machen, was man – bzw. was Männer – wirklich mit dem Kopftuch bezweckt – bzw. bezwecken: bedecken heißt verstecken. Männer müssen sich nicht bedecken bzw. verstecken. Frauen aber müssen die ihnen zugewiesene Position einnehmen und einhalten. Klar doch! Das Kopftuch scheint geeignet, die Frau in die den Männern genehmen Schranken zu weisen. Wohlgemerkt: Die Rede ist natürlich vom islamischen Kopftuch, dem „Hidschab“, also dem „Stück Stoff“ mit religiösem Hintergrund.

Verbindung von Moral, Religiosität und Sexualität

Geht es nur um das Kopftuch? Nein! Die „religiöse“ Kopftuchträgerin zieht ja zumeist auch eine Kleidung an, die ihren Körper bedeckt. Denn für den konservativen und den fundamentalistischen Islam muss die „Aura“ – die Schamgegend – bedeckt sein. Und was genau die „Aura“ ist, darüber lässt sich ausgiebig diskutieren. Klar ist allerdings, dass die Aura von Mann und Frau nach traditionell-islamischem Verständnis sehr unterschiedlich ist. Während für den Mann der Bereich zwischen dem Bauchnabel und den Knien als „Aura“ definiert wird, ist es für die Frau ihr gesamter Körper, bis auf Gesicht, Hände und Füße. Oder wie es die türkische Theologin Beyza Bilgin formuliert: „Die Fundamentalisten haben es geschafft, den gesamten Körper der Frau zu einer Tabuzone zu erklären.“ Und – das muss kaum erwähnt werden: Es waren natürlich Männer, die das geschafft haben. Es geht also um den Körper der Frau und somit um die Verbindung von Moral, Religiosität und Sexualität und um die Bestimmung des Mannes über den weiblichen Körper.

Ein Schelm, der glaubt oder vorgibt, hier gehe es um eine kulturelle Frage, die wegen der Unterschiedlichkeit der Kulturen mit Respekt behandelt und ganz einfach akzeptiert werden müsse. Mitnichten! Die ganze Diskussion um das islamische Kopftuch ist und bleibt die muslimische Variation der alten feministischen Frage: Sind Frauen Herrinnen im eigenen Haus, dürfen sie selbst über ihren Körper bestimmen oder müssen sie sich von den Männern vorschreiben lassen, was sie zu tun und zu lassen haben? Und dürfen Frauen diese Frage überhaupt stellen? Denn anscheinend ist die Frage „Wie hältst Du`s mit dem Kopftuch“ die Frage, mit der die Macht der muslimischen Männer über die Frauen in Frage gestellt wird.

Abkapselung der muslimischen Frau

Wenn Frauen das Kopftuch verteidigen – was ja durchaus häufig vorkommt – dann haben sie sich die Sichtweise der Mächtigen zu Eigen gemacht. Sie heißen damit nicht nur die Kontrolle über den weiblichen Körper für gut, sie tragen auch zur Sexualisierung des Körpers der Frau bei.

Es geht ja nicht nur um das „Stück Stoff“. Das Kopftuch ist das wichtigste Symbol für die Abkapselung der muslimischen Frau. Folglich muss es getrennte Schwimmtage für muslimische Frauen geben (wieso dürfen muslimische Männer eigentlich mit den nicht-muslimischen Frauen mitschwimmen?) sowie getrennte Sportstudios. Und irgendwann weigern sich frischgebackene männliche Abiturienten dann, ihrer Klassenlehrerin die Hand zu geben, weil sie ja eine Frau ist. So zum Beispiel geschehen in einer Gesamtschule in Köln.

Dem politischen Islam auf den Leim gehen

Für den politischen Islam (bzw. Islamismus) hat das Kopftuch seit den 1950er Jahren eine ganz besondere Bedeutung. Es ist das Zeichen seiner Sichtbarkeit und sein Symbol für die beanspruchte Deutungshoheit über den Islam. Dabei spielen die (missbrauchten) Argumente „muslimische Identität“ und „Religionsfreiheit“ eine wichtige Rolle.

In jüngster Zeit hat es der politische Islam geschafft, das Kopftuch als Symbol auch in der deutschen Öffentlichkeit in aller Deutlichkeit zu platzieren, zuletzt nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 13. Februar 2015, welches erklärt hat, dass ein pauschales Kopftuchverbot für Lehrkräfte in öffentlichen Schulen mit der Verfassung nicht vereinbar sei.

Es war ein vielleicht gut gemeintes, aber weltfremdes Urteil. Ein Urteil, das dem politischen Islam auf den Leim gegangen ist. Für den politischen Islam war es ganz sicher ein großartiger Tag. Hatte er es doch geschafft, seine „Fahne“, „sein Zeichen für die Ehre der Frau“ – wie das Kopftuch gerne von den Islamisten genannt wird auch am Kopf deutscher Beamtinnen durchzusetzen.

Dringend notwendiger Streit

Gerade am Kopftuch – so sichtbar und ach so „exotisch“ – machen u.a. auch die gutmeinenden Anhänger des Folklore-Islam die „gesellschaftliche Bereicherung“ fest. Leider fehlt es bislang an dem dringend notwendigen Streit über die Frage, wer von dieser „Bereicherung“ profitiert. Etwa die Kopftuchträgerinnen? Oder gar die Musliminnen, die kein Kopftuch tragen? Beides darf wohl bezweifelt werden.  

Ein Stück Stoff

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Kommentare

Und was ist, wenn hierzulande

Und was ist, wenn hierzulande eine Frau oben ohne durch die Straßen läuft? Erst mal an die eigene nase fassen!

Was ist das denn für eine

Was ist das denn für eine blöde Entgegnung? Was wäre denn, wenn Männer so rumlaufen?
Oder anders, warum tragen sie keine Kopftücher?

Wer läuft schon oben ohne in

Wer läuft schon oben ohne in der Öffentlichkeit rum? Selbt wenn, besser oben ohne als mit Bettlaken auf dem Kopf.

Der Artikel bringt es wunderbar auf den Punkt!

Der Artikel von Lale Akgün spricht mir aus der Seele und bringt sehr genau meine Vorbehalte gegenüber dem Kopftuch, dem Hijab und schlussendlich den Niqab und Burka aus einer feministischen Position heraus auf den Punkt.
Für mich stellt das Kopftuch die Burka im Kleinen dar und ist Ausdruck einer anti-emanzipatorischen Haltung, die ich doch sehr kritisch sehe.
Unter jungen Frauen in Deutschland, die aus Ländern mit einen traditionell islamischen Weltbild kommen, scheint es zunehmend hip zu sein, sich freiwillig für ein Kopftuch entscheiden, weil sie das vermeintliche Tier "Mann" sexuell nicht reizen möchten…
Ich kann mich nicht erinnern, in früheren Jahrzehnten in Deutschland so viele junge, gebildete Frauen mit Kopftuch gesehen zu haben und das zeitgleich mit der Zunahme des Salafismus und dem Erstarken des IS.
Eigentlich müssten die Frauen mit Kopftuch schon alleine aus Solidarität den Frauen gegenüber, die in islamistisch geprägten Ländern keine Wahl haben und zum Kopftuch gezwungen werden, ihr Kopftuch verbrennen....

Ich schließe mich an: Der Artikel bringt es auf den Punkt!

Ich sehe das Tragen des Kopftuchs genauso kritisch. Keine Frage, auf der Straße, privat soll jede es tragen, wenn sie es möchte.
Aber in Berufen, in denen der Staat vertreten wird, ist es fehl am Platze!
Ein Hijab ist einfach zu viel Religiosität im Amt. Es soll ein rechtlich-demokratischer Staat vertreten werden, aber nicht so dermaßen offensichtlich eine Religion, in diesem Fall der Islam.
Mir fallen auch immer wieder die Aussagen junger Kopftuchträgerinnen auf, die sagen sie hätten sich mit 12 (!!!) Jahren freiwillig für das Kopftuch entschieden. Das sind oft fleißige lernwillige junge Mädchen, die dann auch gerne zum Korankindergarten (!) gegangen sind. Hier bedarf es gar keines Zwanges, sondern den Mädchen wird einfach suggeriert, wenn Du Gott oder Allah besonders lieb hast, dann trägst Du ein Kopftuch. Es gibt etliche Wege, wie man Menschen dazu bringen kann "freiwillig" etwas zu tun.

Die selbstauferlegte Verhüllung dann auch noch als Emanzipation verkaufen zu wollen, ist schon sehr vermessen.
Wir haben hier jahrzehntelang dafür gekämpft uns praktisch, dem Klima entsprechend oder auch freizügig zu kleiden, ohne befürchten zu müssen als gefallenes Mädchen zu gelten.

Selbstausgrenzung

Frau Akgüns Argumente kann ich nur bekräftigen.
Was hier keine Erwähnung findet: Mit dem Tragen eines Kopftuchs geht auch einher, dass die betreffende Muslimin sich in einer modernen offenen Gesellschaft selbst ausgrenzt. Völlig unnötig übrigens, da der Koran kein Kopftuch vorschreibt. Diese ganzen Frau-mach-dich-unsichtbar-Vorschriften sind von männlichen Menschen gemacht und im Laufe der Jahrhunderte immer mehr verschärft worden. Dass heutzutage so viele junge Frauen dieser überholten Propaganda derjenigen, die Macht über den weiblichen Körper wollen, so unkritisch auf den Leim gehen, dafür fehlt mir jedes Verständnis. Da sollten sie nicht jammern, die deutsche Gesellschaft grenze sie aus. Das erledigen sie selber.
Lale Akgün sagt es deutlich: Wovor brauchen diese Damen "Schutz" durch das Kopftuch? Vergewaltigungen haben nichts mit den "Reizen" oder der "Schönheit" der betreffenden Frauen zu tun, sondern sind eine Machtdemonstration. Sie findet mit oder ohne "Schutzkleidung" statt.

Was mir jedoch große Sorge macht, ist die hohe Zahl derjenigen Muslime, die einen modernen Islam ablehnen und dem Rest der Welt ihre Religion als Herrschaftsinstrument aufzwingen wollen.