Erleichtert, zufrieden und im Hintergrund die absolute Mehrheit in der neuen Nationalversammlung erobert, so ist Präsident Francois Hollande zum G-20-Gipfel nach Mexiko aufgebrochen. Die Sozialisten verfügen in der Pariser Kammer allein über 314 Sitze. Dazu kommen 17 Abgeordnete des linken Bündnispartners Grüne EEV (Europe-Ecologie - les Verts) sowie 10 der Linksfront (Front de Gauche), zusammen sind es über 340 Mandate. Noch nie hatten die Sozialisten mehr Einfluss und mehr Macht in der Grande Nation als nach der Stichwahl am Sonntag.
Der 57 Jahre alte Hollande hat am 6. Mai den Elyséepalast erobert, voriges Jahr setzte sich seine Partei im Senat durch und die Mehrheit der Regionen und Großstädte verwaltet heute die PS (Parti socialiste). Die konservative Partei des Ex-Staatschefs Nicolas Sarkozy (57), UMP, verlor in der Parlamentswahl über 100 Sitze; sie kommt jetzt auf 215. Nach 18 Jahren Abwesenheit gehören jetzt auch zwei rechtsradikale Abgeordnete des Front Nationale (FN), die 22-jährige Enkelin des FN-Gründers Jean-Marie Le Pen, Marion Maréchal Le Pen, sowie der Anwalt Gilbert Collard der Nationalversammlung an.
Die Grande Nation vor Riesenaufgaben
Selbst unter dem sozialistischen Präsidenten Francois Mitterrand (1981-1995) war die Linke politisch nicht so stark wie heute. Zweifellos wird der Erfolg dem neuen Staatschef helfen, seine innen-, sozial- und wirtschaftspolitischen Wahlversprechen zu halten. Premierminister Jean-Marc Ayrault sagte noch in der Wahlnacht zum Montag, auf die Regierung kämen Riesenaufgaben zu. Die Macht der Linken wird auch die internationale Statur von Hollande festigen. Man rechnet damit, dass er in der Serie bevorstehende Europakonferenzen selbstsicherer und überzeugender auftreten wird.
Im Fokus steht an erster Stelle die finanzielle und wirtschaftliche Lage des Landes. Sein Vorgänger Sarkozy hat in den fünf Jahren seiner Amtszeit über 600 Millionen Schulden angehäuft. Frankreich hat in dieser Zeit herbe industrielle Rückschläge hinnehmen müssen und zum Beispiel in der Innovation den Anschluss verpasst, kritisieren Finanzexperten. Paris müsse um seine internationale Bonität bangen. Nicht wenige in der sozialistischen Regierungspartei fordern deshalb nach dem Vorbild von Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder eine Art Agenda 2017, also eine Roadmap bis zum Ende der Legislaturperiode. Bisher hat Hollande lediglich einige Maßnahmen zum Wachstum in Frankreich und Europa in Aussicht gestellt.
Spitzengehälter deckeln
Nur wenig verlautete bislang über notwendige Strukturreformen auf dem Arbeitsmarkt. Das Land zählt 10 Prozent Arbeitslosigkeit, vor allem unter den Jugendlichen. Der Export liegt im argen, Frankreich schlägt sich mit Millionendefiziten herum, während Deutschland Millionenüberschüsse verbucht. Hollande will den garantierten Mindestlohn anheben. Spitzengehälter in der verstaatlichten Industrie sollen heruntergesetzt werden.
Das Heruntersetzen des Renteneintrittsalters vom 62 auf 60 soll nur etwa 200 000 Franzosen betreffen, die sehr früh in die Arbeitswelt und volle Beitragsjahre haben. Die Regierung der 34 Minister hat sich ihre Bezüge um ein Drittel gekürzt, aber die Geste kam bei den Franzosen nur als Gestikulation an. Sie wollen konkrete Zeichen des Wandels und der Erneuerung sehen, wie sie Hollande in Aussicht gestellt hat.
In der Außen- genauer Europapolitik erwarten Fachleute einen entspannten Umgang von Hollande mit Angela Merkel. Am Wochenende haben beide ein längeres Telefongespräch geführt, das in Paris als konstruktiv bezeichnet wird. Danach soll der französische Präsident der Kanzlerin vorgeschlagen haben, einen Aktionsplan Wachstums-Initiativen in der EU zu vereinbaren. Merkel soll auf die bevorstehenden EU-Konferenzen verwiesen haben, wo das Thema auf der Tagesordnung steht.