Royal stellt neues Energie-Modell vor:

Auch Frankreich startet jetzt die Energiewende

Lutz Hermann01. August 2014

Einen erheblichen Nachholbedarf hat Frankreich beim Ausbau erneuerbarer Energien. Ob bei Sonnen-, Wind- oder Meereskraft, Paris hat nur einen Teil seiner selbst gesteckten Ziele  erreicht. Jetzt unternimmt Umweltministerin Ségolène Royal einen neuen Versuch, ein „französisches Energie-Modell“ auf die Beine zu stellen.

Der Gesetzentwurf legt in 64 Artikeln den „energetischen Übergang und grünes Wachstum“ fest. Ein Hauptpunkt ist das Vorhaben, Treibhausgase bis zum Jahr 2050 zu halbieren. Der gesamte Energieverbrauch (Öl, Gas, Kohle) soll bis 2030 um ein Drittel zurückgefahren und die Lücke durch erneuerbare Energie gefüllt werden.

Royal hält gleichzeitig am Ziel fest, das Präsident Francois Hollande in seinem Wahlkampf 2012 aufgestellt hat, nämlich bis 2025 die Atomstromproduktion (derzeit über 75 Prozent) auf einen Anteil von 50 Prozent bei der Stromherstellung herunter zu fahren.

Zahlreiche Projekte, Ideen und Vorschläge wurden in den letzten Jahren zur Reduzierung der CO2-Emissionen bekannt, aber sie wurden nicht in praktische Politik umgesetzt. In der Person der neuen Umweltministerin Royal bekleidet eine Sozialistin ein Amt, das sie nach eigenen Angaben motiviert und in dem sie „Nägel mit Köpfen“ machen will.

Ihre Durchsetzungskraft hat die 60-jährige Royal, die einst Lebenspartnerin von Hollande war und mit ihm vier Kinder hat, als Präsidentin des Regionalrates des Departements Poitou-Charente bewiesen. Die politische Nähe zu Hollande wird ihr bei ihren Reformbemühungen sicher helfen.

80.000 Arbeitsplätze in Aussicht

Aber auch sie legt den Akzent ihrer Arbeit auf die ökologische Umrüstung von Häusern, Wohnungen und öffentlichen Gebäuden. Den Bürgern werden für Wärmedämmung weitreichende Steuererleichterungen eingeräumt. Dafür stehen nach Angaben von Royal 5 Milliarden Euro bereit. Sie macht darauf aufmerksam, dass allein der Bausektor die Hälfte des Energieverbrauchs ausmacht. Pro Jahr könnten eine halbe Million Wohnungen erneuert und etwa 80.000 Arbeitsplätze geschaffen werden. Ein ähnliches Ziel hatte Royals Amtsvorgänger genannt, jedoch keine praktische Lösung angeboten.

Für gut ein Drittel der Treibhausgase ist das Transportwesen verantwortlich, heißt es in dem Gesetzentwurf. Deshalb werde der Staat „mindestens“ die Hälfte seiner Dienstfahrzeuge mit Elektromotoren ausrüsten. 7 Millionen „Strom-Tankstellen“ sind ins Auge gefasst. Gemeinden und anderen lokalen Körperschaften werden für die Umrüstung ihres Fuhrparks ebenfalls 5 Milliarden Euro in Form von zinslosen Krediten bereitgestellt.

Für einen „sanften“  Atomausstieg

Keine Überraschung ist: An der Atompolitik wird nicht gerüttelt. Die Stillegung des umstrittenen AKW Fessenheim sieht nicht einmal der Gesetzentwurf vor. Die Regierung überlässt es dem Betreiber Electricité de France (EDF), Produktionseinschränkungen oder gar den Abbau einiger über 40 Jahre alten AKWs vorzunehmen. In einem Fünf-Jahres-Plan will Ségolène Royal den „sanften Ausstieg“ festlegen.

„Atomkraft gehört zum Energie-Mix in Frankreich“, sagen Fachleute, die kommenden Jahre würden den Gesamtverbrauch an Energie aufzeigen und damit die Möglichkeit, „einige der 56 Atomblöcke als Beitrag zum Übergang zu einer grünen Wirtschaft“ eröffnen.

Die einflussreiche linksliberale Abendzeitung Le Monde schreibt, sowohl Präsident Francois Hollande als auch sein Premierminister Manuel Valls wollten derzeit keine öffentliche Diskussion über einen Atomausstieg. Das kritisieren die französischen Grünen, die bei anderen Themen Royal unterstützen. Atom bleibt in Frankreich vorerst ein „Non-Thema“. Die wirtschaftliche Schwäche mit Rekord- Arbeitslosigkeit könnte sich bei einem Abbau von Atomanlagen nur verstärken, warnt die Wirtschaft. Zu den Verweigerern der Debatte gehört auch der mächtige Unternehmerverband MEDEF, dessen Chef Pierre Gattaz die ökonomische Lage Frankreich jüngst als „katastrophal“ bezeichnet hat.