Präsidentschaftswahlen

Frankreich: Wie Präsident Macron jetzt um seine Wiederwahl kämpft

Kay Walter09. April 2022
Fünf weitere Jahre für ihn? Frankreichs Präsident Emmanuel Macron bei einem Wahlkampfauftritt am 2. April 2022 bei Paris.
Fünf weitere Jahre für ihn? Frankreichs Präsident Emmanuel Macron bei einem Wahlkampfauftritt am 2. April 2022 bei Paris.
Am Sonntag steht der erste Wahlgang der französischen Präsidentschaftswahlen an. Die Sozialisten um Anne Hidalgo werden für den Wahlausgang keine Rolle spielen. Der Favorit heißt Emmanuel Macron – aber sicher ist noch gar nichts.

Am Samstag vor einer Woche veranstaltete Emmanuel Macron seine große Wahlkampfveranstaltung, genauer, seine einzige. Über 30.000 Menschen jubelten dem Präsidenten in einer Halle vor den Toren von Paris in einer perfekt inszenierten, sehr amerikanisch anmutenden Politshow zu. Minutenlang skandierte die Menge „cinq ans de plus“, „fünf weitere Jahre“.

„Wir sind hier, in Zeiten, in denen der Krieg in der Ukraine tobt. Wir sind hier, um ein Projekt des Fortschritts auf den Weg zu bringen, der Unabhängigkeit. Wir gehen in die Zukunft - für unser Frankreich, für unser Europa“, erklärte Macron in seiner zweistündigen, kämpferischen Rede. Und kämpfen werden Macrons Anhänger in den letzten Vorwahltagen müssen. Auch wenn Macron Favorit ist, sicher ist noch gar nichts.

Der Ukraine-Krieg bestimmt den Wahlkampf

Auch in Frankreich überlagert der Ukraine-Krieg alle anderen Themen, selbst die Wahl des Präsidenten. Wahlkampf mag man das kaum nennen, was das Land in den letzten Wochen gesehen hat. Ja, es gab ein paar Großveranstaltungen, auch TV-Debatten, aber der amtierende Präsident Macron glänzte bislang durch Abwesenheit. Für Wahlkampf hat er objektiv keine Zeit. Er ist in der Weltpolitik gefordert.

Die elf GegenkandidatInnen mühen sich derweil um Erkennbarkeit, einige noch mehr darum, die eigene Nähe zu Kriegstreiber Putin vergessen zu machen. Das gilt vor allem für Marine Le Pen, Éric Zemmour und Jean-Luc Mélenchon, Macrons aussichtsreichste Gegner.

Stimmenaustausch bei Rechtsradikalen

Den heftigsten Absturz musste der rechtsradikale Publizist Zemmour verkraften. Vor wenigen Wochen wurden ihm 18 Prozent der Stimmen im ersten Wahlgang vorausgesagt. Platz zwei war möglich. Doch sein Lobpreisen von Wladimir Putin als „viriler Mann der Tat“, dessen Eintreten für „nationale Werte“ und gegen „Überfremdung“ vorbildlich seien, wirkt im Angesicht des Krieges in der Ukraine abwegig. Die Umfragewerte des Ultranationalisten brachen um die Hälfte ein. Die Stichwahl scheint für Zemmour unerreichbar.

Profitiert hat davon die zweite rechtsextreme Kandidatin Marine Le Pen. Die musste zwar zum Wahlkampfauftakt ihre bereits gedruckte Hochglanzbroschüre wieder einstampfen, weil das Titelbild sie im fröhlichen tête-a-tête mit Putin zeigte - dem Putin, der auch schon ihren letzten Wahlkampf 2017 finanziert hatte – aber sie darf sich doch berechtigte Hoffnung auf die Stichwahl machen. Was Zemmour an Zustimmung verliert, zahlt bei ihr ein.

Le Pen wird verharmlost

Mehr noch: Der Ex-Moderator Zemmour ist in den Medien überproportional präsent geblieben und hat dabei mit seinen rassistischen, antisemitischen und homophoben Ausfällen den Rahmen des „Sagbaren“ deutlich ausgeweitet. Dagegen erscheint selbst Le Pen zahm. Zudem berichten viele Zeitungen lieber über Le Pens Eintreten für das Tierwohl, zeigen sie mit süßen Welpen knuddelnd, als dass sie ihre politischen Inhalte durchleuchten. Das führt zu einer „Banalisierung des Rechtsradikalen“, die weit über „man wird doch wohl noch sagen dürfen“ hinausgeht. Ultranationalistische Positionen dringen tief in die Mitte der Gesellschaft ein.

Die Linke hat dem wenig entgegenzusetzen, zumal ihr aussichtsreichster Kandidat Mélenchon de facto ins selbe Horn tutet. Seine Putin-Bewunderung hat er zwar abgelegt, nicht aber seine Anti-USA oder Anti-Europa Attitüden. In unfassbarem Egoismus beantwortet er seit Jahren jeden Versuch, linke Gemeinsamkeit zu erreichen mit dem nämlichen Satz: „Gerne, wenn alle sich hinter mir versammeln.“

Rechte und linke Radikale zusammen gegen Macron

Noch viel ärger ist Mélenchons Gleichgültigkeit gegenüber den Rechtsextremen. Er würde wohl nicht so weit gehen, im zweiten Wahlgang Le Pen zu unterstützen, er würde aber auch nicht zur Wahl Macrons aufrufen. Das Problem dabei: Viele Franzosen, vor allem die Jungen, folgen ihm in dieser Haltung. Links- und Rechtsradikale Propaganda haben Macron gleichermaßen zum Präsidenten des Großkapitals gestempelt.

Trotzdem: Vieles spricht derzeit für eine zweite Amtszeit des amtierenden Präsidenten. Laut Umfragen findet eine Mehrheit der Franzosen, Macron habe sie im Vergleich zu anderen Staaten ziemlich gut durch die Corona-Pandemie geführt. Die Wirtschaftsdaten sehen besser aus als vor seiner Amtszeit. Und einen Wechsel im Élysée in einer Kriegssituation will sich kaum jemand ernsthaft vorstellen, grade weil die Gegenkandidaten so sehr pro Putin standen. Auch bei diesem Thema befindet die Mehrheit, der Präsident mache eine gute Figur, spiele international eine wichtige Rolle.

Unpopuläre Reformen

Das wird Macron sicher in die Stichwahl führen. Aber was dann? Jetzt gilt es, jetzt ist die Zeit zu kämpfen, betonte Macron am Samstag und fügte hinzu: „Nichts wird uns zurückrollen. Das ist unser Projekt.“ Tatsächlich kündigte er eine Rentenreform an, mit Erhöhung des Renteneintrittsalters um mindestens drei Jahre und eine durchgreifende Reform der Institutionen. Keine eben populären Ansagen.

„Wir sind stolz, Europäer zu sein, gerade jetzt. Wir waren 2017 die einzigen und wir werden es wieder sein“, erklärte Macron. Den Rivalen schrieb er ins Stammbuch, ihr Nationalismus sei die Verzwergung Frankreichs: „Wie Russland entgegentreten, wenn man selbst an die Rückkehr des Empire glaubt?“ Nein, verkündete Macron, „unsere Werte Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit sind die modernste und die einzige Antwort auf die Herausforderungen der Zeit“.

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Kommentare

Macron

"Wir" heben mal wieder die Vorzüge des neoloberalen "Präsidenten der Superreichen" (Hollande) hervor.