Klimawandel

Frankreich macht es vor: Klimaschutz als Staatsziel der Verfassung

Jo Leinen24. Juli 2018
Der Klimawandel bedroht uns alle: Die Staaten sollten seiner Bekämpfung Priorität einräumen, fordert der SPD-Europaabgeordnete Jo Leinen.
Der Klimawandel bedroht uns alle: Die Staaten sollten seiner Bekämpfung Priorität einräumen, fordert der SPD-Europaabgeordnete Jo Leinen.
Frankreich hat den Schutz der Umwelt und den Kampf gegen den Klimawandel in seine Verfassung aufgenommen. Die anderen EU-Staaten sollten diesem Beispiel folgen. Denn der Schutz der körperlichen Unversehrtheit der Bürger ist die fundamentalste Aufgabe des Staates.

Die Abgeordneten der Französischen Nationalversammlung haben am 13. Juli dafür gestimmt, den Klimaschutz zur Verfassungssache zu machen. In Artikel 1 der Französischen Verfassung soll die Ergänzung „Die Republik handelt für den Schutz der Umwelt und der Biodiversität und gegen die Klimaveränderungen“ angefügt werden. Zwar wird prognostiziert, dass die Verfassungsänderung nicht vor 2019 abgeschlossen ist, doch schon jetzt ist Frankreich damit einen ambitionierten Schritt in Richtung besseren Klimaschutz gegangen.

Die EU-Staaten sollten Frankreich folgen

Andere Mitgliedstaaten sollten diesem Vorbild folgen und die verfassungsrechtliche Verankerung von Klima- und Umweltschutz zum Grundprinzip machen. Der Schutz der Bürgerinnen und Bürger und ihrer körperlichen Unversehrtheit ist die fundamentalste Aufgabe eines jeden Staates und Staatenverbunds. Da eine intakte Umwelt die Grundlage der menschlichen Existenz ist, ist es deshalb nur folgerichtig, den Schutz der von Klimawandel und Verschmutzung bedrohten Umwelt und Biodiversität als Staatsziel mit Verfassungsrang zu behandeln.

In Deutschland haben Bündnis 90/Die Grünen 2016 gefordert, den Klimaschutz in das Grundgesetz zu schreiben. Greenpeace hatte dies bereits 2007 über eine Petition gefordert. Der Vorschlag lautete an Artikel 20a GG folgenden Absatz anzufügen: „Insbesondere ist er [der Staat] verpflichtet, durch Gesetzgebung, Gesetzesvollzug und Weiterentwicklung des Völkerrechts einer Klimaerwärmung, die die natürlichen Lebensgrundlagen gefährdet, nachhaltig entgegenzuwirken. Innerhalb der Völkergemeinschaft ist dazu eine gerechte Lastenverteilung anzustreben. Die eigenen Verpflichtungen zum Klimaschutz sind davon nicht abhängig, sondern müssen eigenständig verfolgt werden.“

Prinzip der Nachhaltigkeit im Grundgesetz

Hans-Jürgen Papier, Gesine Schwan und Joachim Wieland haben sich in Rahmen einer öffentlichen Anhörung des Parlamentarischen Beirates für nachhaltige Entwicklung am 8. Juni 2016 für eine grundgesetzliche Verankerung des Klimaschutzes ausgesprochen. Papier befürwortet demnach den Staat durch eine Staatszielfestlegung zu verpflichten, auf eine dauerhafte Befriedung der Gemeinschaftsinteressen hinzuarbeiten, ihm aber nicht vorzuschreiben, wie dieses Staatsziel zu erreichen ist. Joachim Wieland schlägt hierfür den Satz vor: „Der Staat beachtet bei seinem Handeln das Prinzip der Nachhaltigkeit“. Eine solche Selbstverpflichtung des Staates wäre ein starkes Signal für eine ambitionierte Umsetzung der Klimaziele. Dem Klimaschutz würde dadurch eine höhere Bedeutung beigemessen - auch gegenüber kurzfristigen ökonomischen Interessen.

In den EU-Verträgen sind Umwelt- und Klimaschutz bereits fester Bestandteil. In Artikel 3 Abs. 3 des Vertrages über die Europäische Union (EUV), in dem die generellen Ziele der Union aufgeführt sind,  heißt es, dass die EU auf ein „hohes Maß an Umweltschutz und Verbesserung der Umweltqualität hinwirkt“. Im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) befindet sich ein eigener Titel zum Schutz der Umwelt. Dadurch ist dem Klimaschutz eine zentrale Stellung im Vertragswerk zugesichert. Dieses Ziel kann aber nur durch konkrete Maßnahmen zur Umsetzung internationaler Abkommen wie dem Pariser Weltklimaabkommen oder den Nachhaltigen Entwicklungsziele der Agenda 2030 erreicht werden.

Klimaschutz tangiert viele Politikbereiche

Weil der Klimawandel einen direkten Einfluss auf all unsere Lebensbereiche hat, muss ein Mainstreaming von Klimapolitik in anderen politischen Bereichen stattfinden. Klimapolitik kann nicht nur als ein für sich selbst stehender Politikbereich behandelt werden, sondern muss vielmehr zur Maxime allen Handelns werden, auch in der Außen- und Handelspolitik. Der Klimaschutz muss für diese wie auch weitere Bereiche als eine Vorbedingung verstanden werden, sodass er in allen politischen Initiativen und Überlegungen Beachtung findet.

Da die EU den Umwelt- und Klimaschutz bereits in ihrem Primärrecht verankert hat, wäre eine verfassungsrechtliche Verankerung in allen Mitgliedstaaten konsequent. Daraus wird sich eine engere Kooperation zwischen Institutionen der EU und den Mitgliedstaaten ergeben, die wiederum eine effektivere Umsetzung von Klimazielen in der gesamten Union ermöglicht. Die Europäische Union könnte so verstärkt zur Reduktion von Treibhausgasen beitragen ihre globale Führungsrolle beim Klimaschutz zementieren.

 

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Kommentare

Nachhaltigkeit ist ein großes Wort !

Ganz bestimmt ein ehrenwertes und überfälliges Anliegen ist es den Schutz der kommenden Generationen mit anderen Worten "Nachhaltigkeit" in das Grundgesetz aufzunehmen ! Doch in der Realität reicht die Nachhaltigkeit oft nicht über den kleinen intellektuiellen wirtschaftlichen und politischen Tellerrand hinaus ! Wird das bemängelt (wie das verfehlen der eigenen deutscher Umwelt- und Klimaziele) wird oft auf europäische Lösungen vertröstet und vom eigenen Politikversagen abgelenkt. Niemand hindert die deutsche Regierung die Einhaltung ihrer Klimaziele durch entsprechende Rahmensetzung zu forcieren bzw. neue schärfere Ziele festzulegen, außer einer Industrielobby (s. auch Auto-., Agrar-, und Energielobby) die noch immer nahezu ungehinderten Zugang zur gesetzgebenden Politik hat. Lobbyisten formulieren im Vorfeld von Gesetzgebungen vielfach den Gesetzestext ! Ein Lobbyregister wird auch von unserer SPD weiterhin blockiert ! Transparenz nicht gewollt ! Zahlreiche Interessenskonflikte durch zu große Nähe im Amt befindlicher und ehemaliger Politiker zu einer Großindustrie deren Hauptziel die Gewinnmaximierung ist !
Nachhaltigkeit wird noch nicht lange in Wirtschaftshochschulen gelehr

Gewinmaximierung wird gelehrt statt Nachhaltigkeit !

Nachhaltigkeit wird noch nicht lange an deutschen Wirtschaftshochschulen gelehrt. Alternativen der auf einseitige, stupide Gewinnmaximierung setzenden neoliberalen Wirtschaftstheorie kommen in deutschen Wirtschaftshochschulen und Managerschmieden immer noch zu kurz. "Öffentlichkeitsarbeit" ist ganz wichtig, weil dort nachhaltige Mäntelchen geschneidert werden. Öffnet sich der Mantel, trifft uns der Schlag ! Deshalb Rahmensetzung für Nachhaltigkeit auch für unsere Schulen und Hochschulen ! Das bedeutet Alternativen zu unserer herkömmlichen Lebens- und Wirtschaftsweise ! Think-Tanks für Nachhaltigkeit nicht die für schnelle maxim. Gewinnmaximierung staatl. unterstützen !!! Langsam solltet ihr d. Schuss gehört haben liebe SPD-Vorderen !!! Und bitte betrachtet mal die von euch prop. nahezu unter Ausschluss der Öffentlichkeit verhandelten Freihandelabkommen etwas genauer, bevor ihr sie peinlich abfeiert !!! Was den Schutz der Artenvielfalt anbel. und den Schutz vor Großindustriellen Monopolisten, die sich eine Marktmacht aneignen wollen, wie wir es nur aus einem Feudalsysten kannten, wo arme Bauern den größten Teil ihrer Ernte abgeben mussten, brauchte es das Bundesverfassungsgericht !

Korrektur: s.o. Bundesverwaltungsgericht u. europ.Gerichtshof

Es waren das Bundesverwaltungsgericht (Problem Genmaisanbau) und der europ. Gerichtshof (Problem Gen-Schere) die uns bisher vor dem ungehinderten Einsatz patentierten genveränderten Saatgutes schützten ! Leider nicht unsere Regierung ! Freihandelabkommen könnten die Zuständigkeit unserer Gerichte auf sog. Schiedsgerichte abwälzen deren Unabhängigkeit mindestens zu bezweifeln ist und die häufig zugunsten der Großkonzerne und zu Lasten der Menschen entscheiden!

Aktuell: Die mit dem Klimawandel in Zusammenhang stehende aktuelle Hitzewelle ist, je nach Region für für Ernteausfällle von bis zu 70 % der Feldfrüchte verantwortlich. Bauern fordern jetzt Notstandsmaßnahmen !!!
Der Klimawandel wurde jahrzehntelang bis heute auch oder insbes. von Regierungen mit Beteiligung unserer SPD (Nichthandeln) ignoriert - bis heute (s. verfehlte Klimaziele) !!! Der aktuelle Notstand ist erst der Anfang einer von Wissenschaftlern mit "mehr als bedenklich" eingestuften Entwicklung die inbesondere die junge und die nachkommenenden Generationen teuer zu steh. kommt.

Druck machen für inhaltliche und personelle Erneuerung unserer SPD und schnelles parteiübergreifendes Handeln! www.plattform.pro

Deutschland trauriger Spitzenreiter !!

Aktuell !!!
Passt in das Gesamtbild von versäumten Klima- und Umweltschutz der Groko-Regierungen mit maßgeblicher Beteiligung durch Nichthandeln unserer SPD(Alt):

Nirgends fällt in der EU pro Kopf mehr Verpackungsmüll an als in Deutschland.

http://www.faz.net/aktuell/finanzen/meine-finanzen/richtig-einkaufen/tra...

wenn das so einfach wäre,

wir schreiben etwas in die Verfassung , und das Problem ist gelöst.
Naiver geht es wohl nicht. Sehr mal ins Grundgesetz und vergleich das mit der Wirklichkeit. Eigentum verpflichtet, ist so ein ganz alter Hut, den gab es schon 1949

Wie die (Auto-)Industrie durchregiert !

In diesm aktuellen Beitrag im Deurschlandfunk wird deutlich wie die deutsche Autoindustrie mangels Lobbytransoarenz (Einführung Lobbyregister wird auch von SPD-Spitze blockiert) weiterhin ungehindert durchregiert zu Lasten unserer Lebensgrundlagen, zu Lasten unserer Gesundheit, zu Lasten unserer Zukunft (Klimawandel) und zu Lasten von Verbraucherrecht !!! Klimaschutz muß als Staatsziel in die Verfassung und Lobbykontrolle (Lobbyregister) im Vorfeld beschlossen werden ! Ein erster Schritt in der Abkehr vom ungezügelten Neoliberalismus !!!
https://www.deutschlandfunk.de/ein-jahr-diesel-gipfel-es-ist-nicht-einzu...

Interview mit Jürgen Resch Deutsche Umwelthilfe:
https://www.deutschlandfunk.de/informationen-am-mittag.1765.de.html

Autoindustrie regiert durch mit Unterstützung v. Olaf Scholz

"Resch" in Suchfunktion

Zum Beitrag "Interview mit Jürgen Resch" zum Thema gelangt man durch eingeben von "Resch" in der Suchfunktion nach Betätigung des gen. Links:
https://www.deutschlandfunk.de/informationen-am-mittag.1765.de.html

Parteiübergreifende themenbezogene Protestbewegungen

Nach der aus der SPD initiierten "progressiven sozialen Plattform" die parteiübegreifend Unterstützer gegen die momentane Groko-Politik sucht, wirbt auch die von Linken initiierte Sammlungsbewegung parteiübergreifend mit sozialer, nachhaltiger Agenda um Unterstützung. Es ist kein Widerspruch beide zu Unterstützen, da sich sicherlich beide unterstützenswerte Initiativen im Diskurs inhaltlich annähern werden und das Ziel die Einflussnhame auf die in Teilen ignorante Politik der derzeitigen Groko-Regierung bzw. deren Ablösung ist.
Bleibt zu hoffen, dass auch aus dem Lager der "Grünen" eine Bewegung kommt, die für eine gerechtere, nachhaltigere Politik ohne Industrielobbyhörige Volksvertreter aber mit gerechter Steuerpolitik eintritt !!!
Sinnvoll ist es sicher, die diesbezüglichen Initiativen unterstützen ! www.plattform.pro www.aufstehen.de