Mehrere Brände im Flüchtlingscamp

Flüchtlingslager Moria brennt: Was die SPD jetzt fordert

Benedikt Dittrich09. September 2020
Abgebrannte Zelte im Flüchtlingscamp in Moria.
Abgebrannte Zelte im Flüchtlingscamp in Moria.
Moria, Europas größtes Aufnahmelager für Geflüchtete, steht in Flammen. Das griechische Camp war schon vor der Corona-Krise hoffnungslos überfüllt, seitdem wurden nur wenige evaquiert. Die SPD fordert jetzt schnelle Hilfe für die Opfer.

Medienberichten zufolge sind in der Nacht im griechischen Aufnahmelager Moria mehrere Feuer ausgebrochen. Die Ursache ist derzeit noch unklar, in den Morgenstunden wird aber das Ausmaß der Zerstörung sichtbar: Das Camp, in dem zuletzt zehntausende Menschen unter widrigen Bedingungen lebten, ist offenbar in großen Teilen verwüstet. Starke Winde sollen die Feuer angefacht haben. Das Flüchtlingscamp wurde inzwischen komplett geräumt.

Das Camp auf der griechischen Insel Lesbos ist das größte auf europäischem Boden. Viele SPD-Poltiiker*innen fordern nun akute Hilfe, verweisen aber auch darauf: Es gibt in Deutschland bereits viele Initiativen, Kommunen, Bundesländer, die Geflüchtete aufnehmen wollen. Und das schon seit langer Zeit.

Saskia Esken: „Schande für Europa“

Die SPD-Parteivorsitzende Saskia Esken sprach von einer „Schande für Europa“ und forderte umgehende Hilfe vor Ort. Dafür müsse auch die Bundesregierung umgehend den Weg frei machen, um Geflüchtete aufnehmen zu können.

Saskia Esken

Während Esken unter anderem die Initiative Seebrücke nannte, forderte sie auch vom Innenminister Seehofer eine Dringlichkeitssitzung der EU-Innenminister und „einen gerechten Verteilmechanismus ermöglichen, der die Willigen bei der Aufnahme von Geflüchteten nicht weiter ausbremst und die Unwilligen auf anderem Weg in die Pflicht nimmt.“ Der Vize-Parteivorsitzende Kevin Kühnert forderte eine umgehende Evakuierung von Moria. „Wer jetzt noch blockiert, handelt mit Vorsatz“, ergänzte er bei Twitter mit Verweis auf die brennenden Einrichtungen auf Lesbos.

Kevin Kühnert

Kritisiert wird die Situation auf der griechischen Insel schon seit vielen Monaten, vor allem weil das Camp völlig überfüllt ist, die griechischen Behörden mit der Verwaltung und der Unterbringung offenbar überfordert sind. Eine Situation, auf die auch der migrationspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Lars Castellucci, am Mittwochmorgen erneut hinweist: „Moria steht seit Monaten in Flammen. In den Flammen des Elends, der Verzweiflung, der Selbstaufgabe Europas. Ich bete, dass niemand weiter zu Schaden kommt. Seehofer muss nun umgehend den Weg frei machen, dass aufnahmebereite Bundesländer sofort gemeinsam helfen können“, sagt er bei Twitter.

Auf Initiative der SPD wurde in der Vergangenheit durchgesetzt, dass besonders hilfsbedürftige Geflüchtete – allen voran Kinder und Erkrankte – in Richtung Deutschland ausgeflogen werden durften. Die Aufnahme ging seither aber nur schleppend voran. Seit Beginn der Evaquierung wurden rund 700 Geflüchtete evaquiert, rund 500 davon gelangten nach Deutschland, andere wurden von anderen EU-Staaten aufgenommen, die zur Aufnahme bereit waren. „Die Zustände in Moria waren schon bisher untragbar, nun sind sie desaströs. Für die Menschen dort geht es um das nackte Überleben“, sagte Rolf Mützenich, Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion, der in einer ersten Reaktion ebenfalls auf die Aufnahmeprogramme von Länder und Kommunen verwies. „Es ist natürlich richtig, dass wir jetzt auch eine rasche gemeinsame humanitäre Hilfsaktion Europas brauchen. Aber hinter dieser Forderung sollten wir uns nicht verstecken.“

Seehofer blockiert Aufnahmeprogramme

Auch die SPD-geführten Bundesländer hatten in den vergangenen Monaten vergeblich den Bundesinnenminister Horst Seehofer gedrängt, Geflüchtete aufnehmen zu dürfen. Der hatte aber die Landesaufnahmeprogramme aus Thüringen und Berlin zuletzt blockiert. Da die Aufnahme von Geflüchteten zunächst in den Verantwortungsbereich des Bundes fällt, weil die Geflüchteten die Außengrenzen der Bundesrepublik überqueren müssen, muss das Innenministerium den Programmen der Länder zusagen. Diese Zusage hatte Seehofer versagt, Medienberichten zufolge mit dem Verweis darauf, dass man auf eine europäische Lösung in der Migrationspolitik hoffe.

Doch auch auf europäischer Ebene sind die Fronten schon seit Jahren verhärtet: Während Staaten wie Deutschland, Frankreich, Portugal, Luxemburg, Finnland und Belgien zuletzt immer wieder Geflüchtete aufgenommen hatten, weigern sich andere Staaten vehement, sich an der Verteilung der Geflüchteten zu beteiligen. Für ein gemeinsames Verteilsystem ist aber die Zustimmung aller EU-Staaten nötig. Ein Konsens, der schon seit Jahren in weiter ferne liegt, wie die SPD-Europaabgeordnete Birgit Sippel schon im Gespräch mit dem „vorwärts“ im März erklärte: Es fehle an politischer Führung von Seiten der EU-Kommission und gleichzeitig würden bestimmte Länder einer europäischen Solidarität verweigern, allen voran Ungarn und Polen. Sie sieht eine Lösung in einer „Koalition der Willigen", die mit gutem Beispiel innerhalb Europas vorangehen und Geflüchtete aufnehmen könnten, während Länder, die sich verweigern, weniger EU-Fördermittel erhalten.

An eine solche Koalition appellierte nun auch SPD-Bundesaußenminister Heiko Maas mit Blick auf das zerstörte Aufnahmelager in Griechenland:

Heiko Maas

Erst zu Beginn der Woche wurde mit einer Aktion von „Seawatch" und anderen Initiativen vor dem Reichstag für Aufsehen gesorgt: Mit 13.000 Stühlen vor dem Gebäude wurde darauf aufmerksam gemacht, wie viele Menschen in dem Flüchtlingscamp derzeit ausharren. Die Initiativen fordern seit langem eine Evaquierung des Camps, in dem auch die Infektionen mit dem neuen Coronavirus steigen und von der griechischen Regierung deswegen ein harter Lockdown verhängt wurde. Auch Politiker*innen beteiligten sich an der Aktion, forderten eine sofortige Aufnahme der Geflüchteten – darunter auch Esken und ander Sozialdemokrat*innen.

Reaktion aus Europa: Versagen der Regierungen

„Wir wissen sehr genau, wer da versagt: Die Staats- und Regierungschefs sind nicht fähig, sich für Menschlichkeit zu entscheiden“, kritisierte Jens Geier, Vorsitzende der SPD-Abgeordneten im Europaparlament scharf die Flüchtlingsdebatte auf der europäischen Ebene. Ebenso wie die SPD-Politiker*innen in Deutschland forderte er jetzt schnelle Unterstützung für die Geflüchteten und auch die griechischen Behörden – und forderte vor allem von den EU-Innenministern eine schnelle Verständigung und koordiniertes Handeln. „Die Menschen müssen als erster Schritt ans Festland gebracht und dort sicher untergebracht werden“, schlug er am Mittwoch vor. In einem ersten schnellen Schritt könnten bereits anerkannte Flüchtlinge in anderen EU-Mitgliedstaaten aufgenommen werden, ergänzte er in einer Pressemitteilung – mit Verweis auf Städte in Deutschland, die bereit seien, Menschen aufzunehmen. „Die Unionsfraktion muss mit Attacken gegen aufnahmewillige Kommunen aufhören, die EU-Innenminister um Horst Seehofer mit den Blockaden", so der Sozialdemokrat.

Auch Birgit Sippel spricht im selben Atemzug von einem „katastrophalen Versagen“ der EU-Mitgliedsstaaten. Sie sieht die Katastrophe jetzt in einer Linie mit der schlechten Unterbringung der Geflüchteten in den vergangenen Monaten. Die Ausgangssperren und Einschränkungen der vergangenen Monaten hätten Moria in ein Inhaftierungslager verwandelt, heißt es in einer Pressemitteilung. „Die Evakuierung des Lagers war überfällig“, sagt Sippel – und ergänzt: „Der neue Migrationspakt, den Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bereits für Anfang 2020 zugesagt hat, steht noch immer aus.“

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Kommentare

Länder u.Kommunen wollen aufnehmen !!!

Die deutsche Bundesregierung darf sich nicht hinter dem Mangel an organisierter Flüchtlingshilfe der EU verstecken ! Die SPD muss dringend in die Blockade des immer noch amtierenden Innenministers Horst Seehofer krätschen, der aufnahmewilligen Bundesländern wie Thüringen und zahlreichen hilfsbereiten Kommunen die Aufnahme einer, angesichts der tatsächlichen vom "Westen" mitentfachten gewaltigen Fluchtbewegungen, geradezu lächerlichen Anzahl von Flüchtenden verbietet !!!
Auch kommunale Entschuldung sowie anderw. staatl. Hilfe muss u.a. an die Flüchtlingshilfe-Bereitschaft gekoppelt werden
Hier müssen unsere Parteivorderen und die MinisterInnen ganz klare Kante für Menschlichkeit zeigen sonst brauchen wir gar nichts mehr von demokratischen Werten erzählen, wenn wir eifrig dabei sind jegliche menschlich-moralischen und christlichen Werte über Bord werfen !!!
Nicht "nur" Moria brennt !

Schande des Abendlandes

Wie lange waren die menschenverachtenden Zustände schon bekannt ? Wer koaliert denn mit diesem Herrn Seehofer, der die Aufnahme von Flüchtlingen blockiert ? Christliche Werte ? Fehlanzeige ! Die Empörung der SPD Oberen die hier dargestellt wird ......?

Humanitäre Aufnahme von den

Humanitäre Aufnahme von den Geschundenen aus Moria kann und muß man machen. Im Gegenzug wünsche ich mir die Abschiebung all der Ausreisepflichtigen und Illegalen. Diese belegen höchst unsolidarisch die Plätze, die für die armen Menschen aus Moria jetzt gebraucht werden.

Merkel bekommt das offensichtlich nicht zu Stande - wie wäre es da mit einem konstruktiven Vorstoß unserer Genossen?

Moria

Für jeden human, sozial sowie auch christlich denkenden Menschen sollte doch die Hilfe für die Flüchtlinge Vorrang vor allen anderen taktischen oder sonstigen Spielchen haben.

"CS"U- Minister Seehofer und, wie in anderen Fällen, auch sein unfähiger "CS"U-Kollege Scheuer verweigern diese humanitäre Hilfe unter Hinweis auf die nichtaufnahmewilligen Länder, andererseits ist doch ausgerechnet Seehofers Busenfreund Orban Regierungschef eines dieser Länder. Wie passt dies zusammen?

Im Übrigen sollte die EU doch endlich den Aufnahmeverweigerern und Nettogeldempfängern der Visegrad-Staaten die Finanzmittel streichen, bis sie ihren Pflichten aus der Menschenrechts-Charta der EU nachkommen.

Jeder redet von

Jeder redet von menschenverachtenden Zuständen in diesem Lager und von Flüchtlingshilfe etc. So gut wie nichts wird zu den Fluchtursachen gesagt.

Ist es nicht die neoliberale Raffgierpolitik, die durch angezettelte Kriege, Waffenlieferungen, erpresserischen Freihandelsabkommen etc. die Menschen erst zur Flucht nötigt bzw. bewegt hat?

Die Groko stimmt doch in regelmäßigen Abständen für die Verlängerung von Bundeswehreinsätzen z.B. in Afghanistan, genehemigt Waffenlieferungen etc. und leistet somit Vorschub für das, was sich in so einem Lager wie Moria abspielt.

Ich mache jeden einzelnen Unterstützer dafür verantwortlich, was diesen Menschen angetan wird. An erster Stelle diejenigen, die jetzt öffentlichkeitswirksam die Humanität einfordern und in der Vergangenheit stets den Ja-Knopf gedrück haben, wenn es darum ging, die Situation weiter zu führen bzw. am köcheln zu halten.

Fluchtursachen

Richtig, denn die Vermeidung von Fluchtursachen wäre das allererste Gebot.

Es sind in der Tat sowohl die neoliberale Raffgierpolitik durch Ausbeutung dieser Länder, die Kriege, Waffenlieferungen, erpresserische Freihandelsabkommen etc., die Menschen erst zur Flucht nötigen.

Einerseits werden die Zustände in Moria und anderen Flüchtlingslagern beklagt, andererseits werden die Bundeswehreinsätze regelmäßig verlängert, und die Waffenexporte nehmen von Jahr zu Jahr zu, obwohl diese lt. Koalitionsvertrag eingeschränkt werden sollten.

Fluchtursachen

Super Argument! Das ist in etwa so als würde man Ihnen, wenn Ihr Haus brennt, sagen: Wir löschen mal nicht. Bekämpfen Sie erstmal die Brandursachen.

Fluchtursachen

Vermutlich haben Sie meinen vorherigen Kommentar nicht gelesen, in dem ich auf die notwendige Hilfe hingewiesen habe.
Aber auch einen Hausbrand kann ich vermeiden, wenn ich keine unnötigen Brandursachen bereite.

Die Fluchtursachen sehe ich

Die Fluchtursachen sehe ich eher in der Einwanderungsmöglichkeit in unser für die Einwanderer attraktives Sozialsystem. Da helfen keine gut gemeinten Sozialprojekte in den Auswander-Ländern.

Als Flüchtlich würde ich mich

Als Flüchtlich würde ich mich auch dahin durchschlagen, wo mir die beste Versorgung geboten wird. Der Flüchtlingsmensch als Ware (damit lässt sich im Inland ja auch gut verdienen) und als s.g. Kollateralschaden für das Raffgierverhalten des Wertewestens lässt sich nicht mit Sozialprojekten und Entwicklungshilfe stoppen. Diese Raffgiermentalität muss endlich ein Ende finden. Wie sagte Madeleine Albright, die kürzlich beim Parteitag der Grünen anwesend war, doch so schön in Bezug auf den Beutezug im Irak:" Die 500.00 getöteten Kinder im Irak sind es wert gewesen" oder so ähnlich. Solche Personen halte ich für den letzten Abschaum auf diesen Planeten. Leider gibt es solche auch in DE zu finden.

Du schreibst: "Als Flüchtling

Du schreibst: "Als Flüchtling würde ich mich auch dahin durchschlagen, wo mir die beste Versorgung geboten wird."

Das sehe ich auch so, denn das ist normal.

Nur die Frage ist: Was tun die Menschen, in deren Land nun aus fremden Kulturen eingewandert wird, was wäre da normal?

Erst einmal möchte ich sagen,

Erst einmal möchte ich sagen, dass eine Asylpolitik geben muss und zwar für Verfolgte etc. mit berechtigtem Asylhintergrund. Deren Anzahl würde problemlos akzeptiert werden.

Was allerdings die Massen an Wirtschaftsflüchtlingen angeht, sehe ich eher, dass es zu Verwerfungen in der lokalen Bevölkerung kommen wird. Der überwiegende Teil der Flüchtlinge ist mit Gewalt aufgewachsen (Afghanistan, Irak, Syrien etc.) und hat nicht viel anderes kennengelernt.Ob die sich hier ruhig verhalten werden, ist eine andere Sache. Alles und ewig kann nicht unter dem Deckel gehalten werden. Da werden wohl die Einheimischen mit Einschüchterungen, sprich die berüchtigte Rassismus- und Nazikeule ruhig gestellt werden müssen.

Integration ist in erster Linie eine Bringschuld seitens des Neubürgers. Ob das alle so sehen auf Seiten der Neubürger bzw. auch der Politik, da habe ich große Zweifel.

Mutmaßungen und Unterstellungen

Bitte unterlassen Sie Mutmaßungen und Unterstellungen ("Da werden wohl die Einheimischen mit Einschüchterungen, sprich die berüchtigte Rassismus- und Nazikeule ruhig gestellt werden müssen."). Ansonsten müssen wir Ihre Kommentare leider löschen.

was Sie fordern ist

Assimilation, nicht Integration- wir haben schon mit der Integration schier unslösbare Probleme bei einer erheblichen Zahl von Einwanderen, da dürfen die Anforderungen (Bringschuld) nicht noch höher gelegt werden- sonst wird das Scheitern zum Programm . Was wir brauchen ist Zuversicht- meinetwegen auch auf schwacher Basis

Assimilation bzw. Integration

Assimilation bzw. Integration, ich will mich gar nicht verheddern mit diesen Begrifflichkeiten. Fakt ist, dass Menschen, die in einem fremden Land mit fremder Kultur etc.Fuß fassen wollen, einen exstrem harten Weg vor sich haben, was Jahre dauert (Sprache erlernen, Schuldbildung und Berufsausbildung nachholen usw.). Das kann dem Einwanderer niemand abnehmen.

Wer den Weg nicht gehen kann und/oder nicht gewillt ist und sonstige Gründe hat, wird in der sozialen Hängematte hängenbleiben und ein Zaunkönigdasein in unserer Gesellschaft fristen. Ich frage mich, was wir diesen Menschen antun, die in Massen hier eingebürgert werden sollen.

Qatar, ein Staat der gerne in DE investiert, hat gerade den Mindeslohn für alle auf 1.000 Real festgesetzt (ca.230,00 EURO) + 800,00 Real sofern keine Verpflegung u. Logis gestellt werden, bei Vollzeit versteht sich = 60 Stundenwoche. Bei den ausländischen Arbeitern handelt es sich zwar nicht um Flüchtlinge in dem Sinne, aber von von Armuts-Gastarbeitern kann man durchaus sprechen.

Wollen wir hier in DE auch so was schaffen? Den Multikonzernen würde es sicher in den Kram passen. Arbeitslose und Hartz-4ler dienen zumindest als Lohndruckmittel.