„Green Deal“ wird konkret

„Fit for 55“: SPD-Abgeordnete fordern Fairness bei EU-Klimapolitik

Benedikt Dittrich14. Juli 2021
Der „Green Deal“ wird sichtbar: Das grün beleuchtete Barlaymont-Gebäude, Sitz der Europäischen Kommission, erinnert auch visuell an die europäischen Klimaschutzziele.
Der „Green Deal“ wird sichtbar: Das grün beleuchtete Barlaymont-Gebäude, Sitz der Europäischen Kommission, erinnert auch visuell an die europäischen Klimaschutzziele.
Klimaschutz auf Einzelne abwälzen – so stellen sich die Sozialdemokrat*innen in Europa die Umsetzung des „Green Deal“ nicht vor. Sie fordern zu den „Fit for 55“-Gesetzen vor allem klare Pflichten für Unternehmen.

Insgesamt zwölf Maßnahmen umfasst das „Fit for 55“-Paket, das unter Federführung von EU-Kommissions-Vizepräsident Frans Timmermans entstanden ist. Am Mittwoch stellte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen es zusammen mit Timmermanns und den zuständigen Kommissar*innen der Öffentlichkeit vor. Mithilfe der Gesetzesvorschläge sollen die vereinbarten CO2-Reduktionsziele der EU erreicht werden – im Fokus steht dabei zunächst das Zwischenziel von 55 Prozent weniger CO2-Emissionen im Jahr 2030, 2050 soll die EU dann klimaneutral wirtschaften. Ein heeres Ziel.

Sozialdemokrat*innen warnen vor einseitigen Belastungen

Anhand von „Fit for 55“ wird auch sichtbar, wie weit der Weg hin zu einer klimaneutralen EU noch ist – die Gesetzesvorhaben sind für sich schon umfangreich, die Umsetzung wird vermutlich noch umfangreicher werden. Doch genau darauf kommt es nun an – und es ist viel möglich, betont Delara Burkhardt: „Wir können das Wort ‚mindestens‘ im EU-Reduktionsziel der EU für Treibhausgas mit Leben füllen und das 2030-Klimaziel sogar übertreffen.“

Gleichzeitig warnt die SPD-Europaabgeordnete vor einseitigen Belastungen für Verbraucher*innen: „Nicht sozial wäre eine Klimapolitik, die nur vom Markt geregelt wird, der niemandem Rechenschaft schuldig ist und bei der sich manche Klimaschutz leisten können während andere Verzicht üben müssen.“ Das würde aus ihrer Sicht die Spaltung der Gesellschaft und Ungleichheiten noch verschärfen. Um das abzufedern, fordert sie klare Verantwortlichkeiten, höhere Sektorziele und schärfere Standards beim Klimaschutz für die Wirtschaft sowie öffentliche Investitionen. „Mit diesem Klimapaket haben wir die Möglichkeit, europäische Gesetzgebung an die Anforderungen des Paris-Abkommens anzupassen“, ist die Umweltpolitikerin optimistisch.

Die Mitgliedsstaaten müssen zustimmen

Eine große Herausforderung bleibt die Umsetzung des „Green Deal“ trotzdem, wie ihr Parlamentskollege Tiemo Wölken ergänzt. Er blickt dabei auf den nötigen sozialen Ausgleich in den Regionen, die besonders betroffen sein werden von den Veränderungen. „Wir fordern umfassende Maßnahmen, mit denen wir Arbeitsplätze und Wertschöpfung in Regionen im Übergang sichern können“, so der Sozialdemokrat. Außerdem fordert Wölken verpflichtende Vorgaben für EU-Mitgliedsstaaten, um klimaneutral zu werden.

Alle geplanten Maßnahmen stehen ohnehin unter einem Vorbehalt: Die Mitgliedsstaaten müssen den Vorschlägen der Kommission zustimmen – ebenso wie das EU-Parlament. Von beiden Seiten sind also in den kommenden Wochen und Monaten noch weitere Forderungen, Warnungen oder Kritik zu erwarten, bis es letztlich an die praktische Umsetzung geht. Das lässt auch Delara Burkhardt schon durchblicken: „Dieses Klimapaket bietet eine gute Verhandlungsgrundlage.“ Sozialdemokrat Timmermans blickt diesen Verhandlungen optimistisch entgegen – einige Mitgliedsstaaten dürften einzelne Maßnahmen misfallen, das Ziel sei aber nicht verhandelbar, da es als Gesetz bereits bestehe – und so könne auch das gesamte Paket schwerlich abgelehnt werden.

Die wichtigsten Punkte zum „Fit for 55“-Paket im Überblick.

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Kommentare

Das ist doch alles sehr wolkig

Das Eine ist zu fordern, es dürfe nicht unsozial sein. Das Andere wäre, hier mal klar zu fordern, wie es stattdessen sein müsste. Das fehlt völlig. So ist das nicht überzeugend, nicht mal parteiintern im Vorwärts. Zumal die Verwendung des Wortes "Fairness" im Kontext zu sozialer Gerechtigkeit und Solidarität ein Eigentor ist. Ein Gebot der Fairness kann man straflos missachten, ist dann zwar unfair, aber so what. Fairness deckt nicht die Befriedigung existenzieller Bedürfnisse ab. Klimapolitik und ihre sozialen Auswirkungen haben mit Fairness schlicht gar nichts zu tun. Eine Klimapolitik, die ihre Lasten auf die sozial Schwachen ablädt ist schlicht zum Scheitern verurteilt.

Hier werden die Grundlagen sozialdemokratischen Handwerks missachtet und zwar inzwischen schon seit langem und von nahezu allen Exponenten der Partei. Ob das wohl eine Ursache für die anhaltende Erfolglosigkeit ist?

das ist schon

begrifflich ein Griff in die Mottenkiste. Wer wollte schon etwas sagen, gegen Fairness, oder gegen soziale Gerechtigkeit und ähnliche unpräzise Begrifflichkeiten, hinter denen man gerne Platz nimmt, gelangt man so doch nicht in die missliche Lage, konkretes vortragen zu müssen.

So verrinnt die Lebenszeit in Belanglosigkeiten, für den Leser. Politiker, die mit solchen Hülsen erfolgreich durchs Leben kommen, müssen das natürlich ganz anders sehen. Wer hätte dafür kein Verständnis