Kommentar

Den Finanzmarkt streng regulieren – jetzt, mit Obamas Hilfe!

Dietrich Jörn Weder21. Januar 2009

Der Zorn der Geschädigten - und das sind wir alle - müsste im gleichen Atemzug bankturmhoch steigen. Doch wer ist nicht verwundert, mit wie viel milder Nachsicht wir gleichwohl den
gemeingefährlichen Finanzdilettanten begegnen? Selbst Bernard Madoff, der Verwalter des größten Schwarzen Lochs der Finanzwelt, in dem 50 Milliarden Dollar spurlos verschwanden, befindet sich
noch auf freiem Fuß.

Spielhöllen schließen

Wann, wenn nicht jetzt wollen wir die ärgsten Spielhöllen der Finanzwelt schließen und den Einsatz der Spieler ihrem Kapital entsprechend begrenzen? "Es ist Zeit für die Regulierung", ruft die
New York Times dem neuen US-Präsidenten anlässlich seiner Amtseinführung zu. Und diese Regulierung verdiene ihren Namen nicht, wenn nicht die Wallstreet darüber in Schmerzensschreie ausbreche.

Die zaghaften Eingriffe, die eine damals noch von Größe und Glanz der Geldhäuser geblendete Öffentlichkeit am Anfang der Finanzkrise diskutierte, sind längst überholt. Geldhäuser wie die
Deutsche Bank oder Credit Suisse gehen mittlerweile selbst viel weiter, indem sie ihren Finanzmarktakteuren für Spekulationen auf Rechnung der Bank die Hände binden. Dieser so genannte
Eigenhandel, der vordem ein Goldesel der Institute war, ist zuletzt zum großen Leck in ihrer Gewinnrechnung geworden.

Dass Banken Risiken nicht in so genannte Zweckgesellschaften auslagern und somit verschleiern dürfen, hätte schon vor dem Ausbruch der Krise eine blanke Selbstverständlichkeit sein müssen.
Unserer Bankenaufsicht sind diese gefährlichen Manöver aber nicht aufgefallen oder keinen Eingriff wert gewesen. Das kostet unseren Staat Milliarden und Milliarden, aber dieselbe unfähige oder
ohnmächtige Aufsicht ist immer noch am Werk.

Kreditmogelpackungen verbieten

Zu den neuen "sozialdemokratischen Antworten auf die Finanzkrise" gehört - mittlerweile selbstverständlich - auch die Forderung, dass Banken von ihnen vergebene Kredite nicht wahllos
zusammenpacken und samt dem darin verstecktem Unrat weiterreichen dürfen. Als gelte es sich, vor einer ansteckenden Krankheit zu hüten, nimmt heute keine Bank der anderen mehr diese fatalen
Überraschungseier ab. Es finden sich Schuldner wie die mittellosen amerikanischen Hauskäufer darin, die niemals eine andere Sicherheit zu bieten hatten als die Hoffnung auf ewig steigende
Immobilienpreise.

Die Industrie vor fleddernden Fonds schützen


Die Banken waren aber nur die Pioniere und Transporteure einer ungesunden Spekulation auf schnellen, mühelosen Reichtum, die fast die gesamte Gesellschaft wie ein Rausch erfasst hatte.
Island, das profittrunkene Island, war überall. Bei fast allen albernen Firmenübernahmen und Fusionen haben die Banken ihren Schnitt gemacht, aber wem haben sie sonst einen Nutzen oder gar Glück
gebracht?

Würde Continental heute noch einmal VDO übernehmen und sich die Schäffler-Gruppe die durch die Vereinigung beider drückend gewordene Last auf die schmalen Schultern laden? Musste der tragisch
auf den Schienen geendete schwäbische Milliardär Adolf Merckle zu seiner Heidelberg Cement auch noch den britischen Baustoffkonzern Hanson zukaufen und sich so den Banken ans Messer liefern? -
Dem Wettbewerb oder der Förderung der Innovation dienen die allermeisten dieser Zusammenschlüsse nicht, schon gar nicht der Erhaltung der Arbeitsplätze.

Die deutsche Politik darf es nicht zulassen, dass unsere industrielle Basis zum billigen Raub von Hedge-Fonds, Private-Equity-Gesellschaften und anderen Glücksrittern wird. Kaufen diese
sich in Wirtschaftsunternehmen ein, sollen sie das mit ihrem eigenen Geld tun und nicht den finanziellen Aufwand der Übernahme den Übernommenen wie einen Mühlstein um den Hals hängen. Hoffentlich
brauchen wir nicht noch mehr Schaden, um daraus klug zu werden.

Steuerzahler als unfreiwillige Geldverleiher


Man muss nicht Hartz-IV-Empfänger sein, um über dem Staatsaufwand für die Rettung der Banken in hellen Zorn auszubrechen. Die Aktien der Commerzbank, für deren Kauf der Bund vor zwei Wochen
einen Preis von sechs Euro pro Stück zahlte, sind seitdem zeitweilig auf weniger als drei Euro abgerutscht.

Allein in diese Bank hat der Bund mit rund 18 Milliarden Euro etwa soviel eingeschossen, wie er staatliche Investitionen zum allgemeinen Nutzen im zweiten Konjunkturpaket eingeplant hat. Zwölf
Milliarden Euro hat er zudem gerade noch mal bei der Hypo Real Estate eingeworfen.

Mit seinenBürgschaften für neue Bankenanleihen ist der Staat wider Willen bereits zur heimlichen Bank der Banken geworden. Sicherheit ist ihm die bessere Zukunft, für die er sich selbst in die
Waagschale wirft.

Sankt Obama, geh Du voran!

Die Bankenkrise ist zu einer Weltwirtschaftskrise und beispiellosen Belastung der öffentlichen Haushalte geworden. Die Beschäftigten, die demnächst in die Kurzarbeit oder sogar dauerhaft nach
Hause geschickt werden, dürfen die letzte Schuld dafür in der derangierten Finanzbranche suchen, desgleichen die mit undurchsichtigen Finanzprodukten hereingelegten Anleger.

Dieser Ärger, diese Enttäuschung, diese Wut müssten reichen, um den Weg zu bahnen zu einer neuen Finanzmarkt- und Wirtschaftsordnung, die uns nicht ein zweites Mal in einen Untergangsstrudel
hineinreißt. Die am meisten in Mitleidenschaft gezogenen Vereinigten Staaten sollten dabei aus eigenem Interesse die Schrittmacher sein. Sankt Obama, geh Du voran!

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