vorwärts-Debatte

Wie der Feminismus vom Grundeinkommen profitiert

Ronald Blaschke24. Mai 2016
Feminismus und Grundeinkommen
Aus feministischer Perspektive gibt es gute Gründe für ein Grundeinkommen.
Zunehmend wird das bedingungslose Grundeinkommen auch von Feministinnen und Feministen diskutiert. Sie sehen darin eine Möglichkeit, finanziell unabhängiger zu werden und Anerkennung für ihre Arbeit zu bekommen. Ein Überblick

Das Grundeinkommen mit seinen bekannten vier Kriterien ist seit Beginn der verstärkten Diskussion und politischen Auseinandersetzung in Europa und Deutschland auch bei Feminist_innen Gegenstand von Debatten. Im deutschsprachigen Raum können dabei vier verschiedene feministische Perspektiven auf das Grundeinkommen ausgemacht werden.

Ein Grundeinkommen befördert die finanzielle Unabhängigkeit von Frauen

Aus gleichstellungspolitischer Perspektive werden u. a. folgende Fragen erörtert: Wie verändern sich mit dem Grundeinkommen für Frauen die Zugänge zu Erwerbs-/Lohnarbeit (inkl. Karrierechancen) und zu gleichen Lohneinkommen, zu Bildung und Qualifizierung? Werden geschlechterungerechte Arbeitsteilungen in der Erwerbs-/Lohnarbeit und bzgl. der unbezahlten Sorgearbeit sowie Frauen benachteiligende Familienmodelle und Geschlechterrollen überwunden? Verhindert das Grundeinkommen den Ausbau sozialer Infrastruktur?

Die Antworten fallen relativ klar aus: Ein Grundeinkommen befördert die finanzielle Unabhängigkeit von Frauen und stärkt deren Verhandlungsmacht im beruflichen wie im privaten Bereich. Es muss aber mit weiteren politischen Maßnahmen verbunden werden, um feministischen Ansprüchen zu genügen.

Die Autonomie der Menschen im Blick

Benannt werden ein Mindestlohn, kollektive Arbeitszeitverkürzung und individuelle Zeitsouveränität, der Abbau von Segregationen auf dem Arbeitsmarkt (z.B. gleiche Zugänge zu Bildung, Qualifikation, Position im Beruf, deutliche Erhöhung der Erwerbseinkommen in weiblich dominierten Arbeitsmarktsektoren, gleicher Lohn für gleiche Arbeit), der Ausbau sowie ein universeller Zugang zu öffentlicher Infrastruktur, sozialen Dienstleistungen und zu öffentlichen Gütern, Anerkennung von Pflege- und Erziehungszeiten bei der Rente, deutliche Anreize für eine geschlechtergerechte Verteilung der Sorgearbeit im familiären bzw. sozialen Nahbereich sowie die Abschaffung der steuerlichen Privilegierung der Alleinverdienerehe.

Aus postpatriarchaler Perspektive wird das Grundeinkommen begrüßt, wenn es mit der Anerkennung der für das menschliche Leben grundlegenden Sorgearbeit und damit auch der Anerkennung der grundlegenden Abhängigkeit eines jeden Menschen von anderen Menschen einhergeht. Damit wenden sich die Grundeinkommensbefürworter in diesem Fall gegen einen verkürzten Freiheitsbegriff im Sinne einer völligen Unabhängigkeit von anderen, der in manchen Grundeinkommensdebatten zu vernehmen ist.

Die Ökonomie soll sich anders als zurzeit an der Befriedigung der Bedürfnisse der Menschen und an deren Fähigkeiten orientieren. Aus diesem Blickwinkel ist das Grundeinkommen wichtiger Bestandteil einer Gesellschaft, die die Bedürfnisse und die Autonomie aller Menschen, die letztlich immer voneinander abhängig sind, anerkennt. Außerdem befördere es den Blick auf das, was wirklich getan werde muss, weil es durch finanzielle Existenznot erzwungene Arbeit abschafft.

Das Ende der Ausbeutung

Aus sozialökologischer Perspektive werden Sorgearbeit und Naturarbeit als Basisproduktivitäten bezeichnet, die sich in der (vor)sorgenden Arbeit entfalten sollen, statt wie jetzt, abgewertet und ausgebeutet zu werden. Die gesellschaftliche Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern müsse demokratisch-diskursiv ausgehandelt werden. Das Grundeinkommen, als Bestandteil einer allen Menschen frei zugänglichen, öffentlichen sozialen Infrastruktur, wird dafür als beförderlich angesehen.

Aus demokratietheoretischer Perspektive ist das Grundeinkommen einerseits wesentlicher Baustein für eine demokratische Gesellschaft, in der auch Frauen ihre Sicht auf notwendige Rahmenbedingungen für eine gute Sorgearbeit zur Geltung bringen können, weil sie für das demokratische Engagement materiell und zeitlich abgesichert sind. Darüber hinaus wird in Verbindung mit dem Grundeinkommen eine Demokratie als „fürsorgliche Praxis“ eingefordert, die die gegenseitige Abhängigkeit berücksichtigt und gleichzeitig die Autonomie der Menschen befördert.

Literatur

Blaschke, Ronald (2014): „Grundeinkommen und Care-Arbeit“, in: Widersprüche. Zeitschrift für sozialistische Politik im Bildungs-, Gesundheits- und Sozialbereich, Jg. 34, Heft 134, S. 113-127.

Blaschke, Ronald/Praetorius, Ina/Schrupp, Antje (Hg.), Grundeinkommen. Feministische und postpatriarchale Perspektiven, Sulzbach/Taunus: Ulrike Helmer Verlag, mit Beiträgen von Feminist_innen aus Deutschland, der Schweiz und Österreich, erscheint im Herbst 2016.

Frauen für das bedingungslose Grundeinkommen (2016), Mit Care-Kraft zur Energie-Wende, in: antidot incl., Heft 24.

Grundeinkommen – Utopie oder Zukunftskonzept?

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Kommentare

Gehts auch verständlich?

Ich würde mich persönlich als einigermaßen gebildet bezeichnen. Besonders was politische Begrifflichkeiten anbelangt. Dennoch hatte ich Probleme diesen Artikel, der Gefühlt aus einer Aneinandereihung von Fachbegriffen besteht, zu verstehen.
Wie soll sowas dann die Arbeiterin oder Angestellte, die ja mit unter Adressatin dieses Artikels sein dürfte verstehen? Sie bewegt sich ja wohl eher selten in Kreisen in denen so gesprochen wird.

Barrierefreie Sprache wäre doch auch mal was für uns Sozen ;)

Gutes Leben für alle

Folgender Text dürfte den Beitrag von Ronald Blaschke noch vertiefen:
http://gutesleben.org/

Super

Für jede Frau wäre das die perfekte Lösung. Ein Grundeinkommen würde dafür garantieren, das Frauen um ihrer selbst willen geliebt werden und nicht als billige Köchin , geliebte und Putzfrau agieren. Kein Mann könnte mehr Druck ausüben weil jede Frau jeder Zeit gehen könnte ohne Angst zu haben dann ins nichts abzusinken. Alleinerziehende Frauen könnten dann auch Arbeiten gehen und ihr Kinder in Kindertagesstätten oder bei Tagesmüttern unterbringen. Was wäre das für eine Positive Sache für Frauen und Kinder Tagesmütter könnten ihre Dienste wider vermehrt anbieten, weil sie ihren Job gerne machen! . Mutter sein und Arbeiten können und trotzdem ein geregeltes Auskommen haben ohne auf Männer angewiesen zu sein! Verstehe nicht warum die Frauenwelt all diese Vorteile eines Grundeinkommen nicht sieht sondern der Angst der Männer folgt das so etwas niemals Funktionieren könnte... Natürlich wird es immer eine Hand voll Frauen geben, die nur abkassieren und keine Gegenleistung bringen. Aber ist es heute nicht eben so? Nur das es heute einige Frauen sind, die eh schon mehr als genug besitzen...Aber der Großteil der Frauen wird die Change ergreifen und sich eine Selbsterfüllung suchen !