Altersvorsorge

FAQ Aktienrente: Was steckt hinter den Plänen von Christian Lindner?

Vera Rosigkeit14. Februar 2023
Das Thema Rente ist derzeit auch in Frankreich aktuell. Dort demonstrieren Zehntausende gegen die Pläne, das Renteneintrittsalter von 62 Jahren auf 64 Jahren anzuheben.
Das Thema Rente ist derzeit auch in Frankreich aktuell. Dort demonstrieren mehr als 100.000 Menschen gegen die Pläne, das Renteneintrittsalter von 62 Jahren auf 64 Jahren anzuheben.
In der Altersvorsorge kündigen sich Neuerungen an: Begriffe wie Aktienrente, Aktienrücklage und Generationenkapital machen die Runde. Was dahintersteckt und was sich ändern soll, erklären wir hier.

Was steht im Koalitionsvertrag?
Im Koalitionsvertrag ist zugesagt, dass es weder Rentenkürzungen noch ein Anheben des Renteneintrittsalters geben soll. Um diese Zusagen generationengerecht abzusichern, „werden wir zur langfristigen Stabilisierung von Rentenniveau und Rentenbeitragssatz in eine teilweise Kapitaldeckung der gesetzlichen Rentenversicherung einsteigen“, heißt es dort. Zehn Milliarden Euro sollen den Kapitalstock bilden, der aus Steuermitteln finanziert wird. Die teilweise Kapitaldeckung soll als Fonds von einer unabhängigen öffentlich-rechtlichen Stelle ver­waltet werden.

Zehn Milliarden Euro aus Krediten des Bundes

Was plant Bundesfinanzminister Christian Lindner?
Christian Lindner nennt sein Vorhaben „Generationenkapital“. Ziel soll sein, die Finanzierung der Rente zu modernisieren und Beitrags- sowie Steuerzahler*innen zu entlasten. Dafür soll der Bund aus öffentlichen Mitteln einen Kapitalstock aufbauen. Aus den zu erwartenden Erträgen sollen ab Mitte der 2030er Jahre die Rentenbeiträge stabilisiert und so die jüngere Generation entlastet werden. Laut Bundesfinanzministerium soll das Generationenkapital „Renditepotenziale der internationalen Kapitalmärkte“ nutzen, „damit die Rentenbeiträge in Zukunft weniger stark steigen – einige europäische Länder praktizieren eine Kapitaldeckung der Rente bereits seit Jahrzehnten erfolgreich.“

Wie hoch ist die Summe und woher kommt das Geld?
Nach aktuellen Plänen des BMF sollen dem Kapitalstock bereits in diesem Jahr zehn Milliarden Euro zugeführt werden, finanziert aus Krediten des Bundes. Über die weitere Finanzierung gibt es bislang seitens des Bundesfinanzministeriums keine klaren Aussagen. „Das Generationenkapital kann durch Zuschüsse, Sacheinlagen oder Darlehen weiter aufgestockt werden“, heißt es dazu im Bericht des BMF.

Beitragszahlende sollen entlastet werden

Wer soll das Vermögen verwalten?
In einem ersten Schritt soll es vom KENFO verwaltet werden, einer öffentlich-rechtlichen Stiftung, die durch Gesetz gegründet wurde, um die Finanzierung der Zwischen- und Endlagerung radioaktiver Abfälle sicherzustellen. In einem zweiten Schritt soll die öffentlich-rechtliche Stiftung Generationenkapital gegründet werden.

Was soll das Generationenkapital bewirken?
Da in den kommenden Jahren die sogenannten geburtenstarken Jahrgänge das Renteneintrittsalter erreichen, wird davon ausgegangen, dass sich die Einnahmesituation der umlagefinanzierten Rentenversicherung verschlechtern wird. Mögliche Erträge aus dem sogenannten Generationenkapital sollen ab Mitte der 2030er Jahre zwar nicht die Renten erhöhen, aber dafür sorgen, dass die künftigen Beiträge für die Versicherte nicht zu hoch ausfallen. Sie sind als Zuschüsse zur Finanzierung der Rentenversicherung zu verstehen.

Aktienrente, Aktienrücklage, Generationenkapital: Gute oder schlechte Idee?

Gute Renditen sind möglich:
Die Argumente von Befürworter*innen gründen vor allem darauf, dass sich am Kapitalmarkt über einen längeren Zeitraum gute Renditen erzielen lassen.

Kein Abzug bei der Rente:
Da die Mittel zum Aufbau des Kapitalstocks nicht aus den Beiträgen der Versicherten finanziert werden, sondern aus Mitteln des Bundeshaushaltes, ergibt sich für die Versicherten kein Risiko, das tragen Bund und Steuerzahler*innen gemeinsam. Rentner*innen haben keine Nachteile, allerdings auch keine Vorteile, ihre Rente wird bezahlt, unabhängig davon, wie viel oder wenig Gewinn der Fonds erwirtschaftet.

Börse bietet keine Sicherheit

Zehn Milliarden reichen nicht:
Aktuell müsste dieser Fonds einen Gewinn von jährlich 17 Milliarden Euro ausschütten, um den Anstieg des Beitragssatzes um nur einen Prozentpunkt zu verhindern. Dafür müsste der Fonds bei einer guten Rendite von jährlich acht Prozent ein Volumen von rund 212,5 Milliarden Euro haben, so die Berechnung der Redaktion von Finanztip.

Börse bietet keine Sicherheit:
Vor allem Sozialverbände und Gewerkschaften halten dagegen, dass Aktienmärkte keine Gewinn-Garantien bieten. So hat der norwegische Staatsfonds erst kürzlich einen Rekordverlust in Höhe von 152 Milliarden Euro für 2022 eingefahren. Die Präsidentin des Sozialverband Deutschland e.V. (VdK), Verena Bentele, kritisiert zudem den oft als Vorbild zitierten schwedischen Pensionsfonds, weil dieser u.a. in deutsche Pflegeeinrichtungen investiere. Im Interview mit der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ erklärte sie, dass Gewinne nur dann zu erzielen seien, wenn die Heime entweder ihre Preise erhöhen oder am Personal sparen. „Der Zwang zur Rentabilität wird auf dem breiten Rücken der Bevölkerung ausgetragen“, betont sie und bringt damit einen weiteren Aspekt gegen die Investition öffentlicher Gelder am Aktienmarkt ein. Die Wirtschaftsjournalistin Anja Krüger schreibt in „die tageszeitung“, dass das Scheitern der Riester-Rente gezeigt habe, dass eine Teilprivatisierung der Altersvorsorge eine schlechte Idee sei.

Was sagt die SPD zum geplanten Generationenkapital?

„Das Generationenkapital ist nicht unser Herzensthema“, sagt die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Dagmar Schmidt in einem Beitrag für den vorwärts und erklärt gleichzeitig: „Die Rente bleibt stabil und wird nicht verzockt.“ Denn anders als in der ursprünglichen Idee der FDP werde ausschließlich Geld aus dem Bundeshaushalt angelegt und kein Geld der Beitragszahlerinnen und Beitragszahler für den Kapitalfonds eingesetzt. Schmidt betont, dass hierbei keine Anlage „in einzelne Firmen, die einem hohen individuellen Risiko unterliegen, stattfinden werden, sondern es sich um eine langfristige, breit-gefächerte und sichere Anlage“ handeln werde. Neben den Rentenbeiträgen und dem Zuschuss des Bundes aus Steuermitteln soll das Generationenkapital ein weiterer Stabilitätsfaktor der gesetzlichen Rente werden. Zehn Milliarden Euro reichten dafür aber nicht aus, so Schmidt. Der Finanzminister müsse nachlegen. Anspruch der SPD bleibe, langfristig dafür zu sorgen, „dass die Rentenbeiträge stabil bleiben und im Idealfall sogar gesenkt werden können“.

Welche Alternative zur Aktienrente gibt es?
Auch hier haben Gewerkschaften und Sozialverbände klare Vorstellungen: Der DGB fordert einen höheren Bundeszuschuss, der aus Steuern finanziert wird. Damit sollen beitragsfremde Leistungen wie beispielsweise die sogenannte „Mütterrente“ finanziert werden. Außerdem wird argumentiert, dass die Folgen einer immer älter werdenden Bevölkerung und der wirtschaftlichen Entwicklung nicht den Rentenversicherten allein aufgebürdet werden dürften. Langfristig fordern Gewerkschaften zudem eine Erwerbstätigenversicherung, in die zunächst Selbstständige einbezogen werden sollen. Renten-Experten sprechen sich ebenfalls dafür aus, „weil die Erwerbstätigenversicherung Ungerechtigkeiten in der Altersvorsorge beseitigen und für mehr Stabilität sorgen“ kann , sagt Florian Blank im vorwärts-Interview. Als weitere Maßnahmen, um die Einnahmeseite der Rentenversicherung zu erhöhen, will der DGB die Tarifbindung stärken und mehr Frauen in Vollzeit bringen.

Wie wird die gesetzliche Rente eigentlich finanziert?
Die gesetzliche Rentenversicherung ist das größte soziale Sicherungssystem und wird durch ein Umlageverfahren finanziert. Die Beiträge der Arbeitnehmer*innen von heute werden als Renten an die derzeitigen Rentner*innen ausgezahlt. Dabei werden die Beiträge zudem paritätisch finanziert: jeweils zur Hälfte von Beitragszahlenden und Arbeitgeber*innen, auch letztere würden demnach von der Stabilsiierung der Rentenbeiträge profitieren. Außerdem fließen Bundeszuschüsse in die gesetzliche Rentenversicherung. Aktuell liegen die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung bei 18,6 Prozent. Für das Jahr 2026 wird ein Beitragssatz von 19,3 Prozent prognostiziert. Gleichzeitig wurde mit dem Gesetz über „Leistungsverbesserungen und Stabilisierung in der gesetzlichen Rentenversicherung“ von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil 2021 mit der doppelten Haltelinie auch das Rentenniveau (Sicherungsniveau vor Steuern) bei 48 Prozent garantiert.

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Kommentare

wer finanziert denn heute die versicherungsfremden

Leistungen? es wird verschwiegen, dass die Rentenversicherung schon heute horrende Summen aus dem Steuer- und kreditaufkommen des Bundes schluckt. Immer noch mehr Bundeszuschuss macht die RV zum Büttel der Politik, Renten nach Kassenlage. lasst die, die es wollen, länger arbeiten, und hört auf die Verrentung gegen den Willen der Betroffenen zu verlangen. Arbeitsverhältnisse dürfen nicht automatisch enden, nur weil der Kalender dies vorgibt, wer nach seinem 67 Geburtstag weiterarbeiten will, muss dies dürfen dürfen

versicherungsfremde Leistungen

Die Rentenkasse hat zwei Weltkriege und Inflationen überstanden, jetzt ist sie wegen versicherungsfremder Leistungen gefährdet. Jeder Vereinskassierer, der die Beiträge der Mitglieder für fremde Leistungen verwendet, kommt wegen Veruntreuung in den Knast.

Aber Leute wie Schäuble u.a., die die Beiträge der Versicherten für Mütterrenten von Konzernvorstandsgattinnen oder anderen fremden Zwecke, die ich hier lieber nicht erwähnen möchte, verschwendet haben, werden noch dafür geehrt.

nein, das ist sie nicht, die versicherungsfremden Leistungen

sind über den Bundeszuschuss mehr als finanziert- das kann man in den Geschäftsberichten der RV Träger nachlesen. Die versicherungsfremden Leistungen sind vielmehr der Hebel, der angesetzt wird, wenn mal wieder mit zusätzlichem Steuergeld der Beitragssatz gestützt wird, weil die Rente eben heute schon eine Staatsrente ist, mit ein wenig Beitragslast für die Versicherten

Börse bietet keine Sicherheit !

Gute, richtige Darstellung!

"Börse bietet keine Sicherheit."

Das weis jede / jeder!

Die FDP macht das, was sie immer tat und tut:
Der Schwanz wedelt mit dem Hund - oder er versucht es jedenfalls!

Was sagt die SPD zum geplanten Generationenkapital ? I

Eine Erwartung, die Aktienrente würde zur langfristigen Stabilisierung von Rentenniveau und Rentenbeitragssatz führen oder jedenfalls beitragen, ist rentenpolitische Schaumschlägerei. Seit über 30 Jahren wird vor einer demografischen Katastrophe und dem Zusammenbruch des Rentensystems gewarnt. Seit über 30 Jahren wird von kapitalismushörigen bzw. neoliberalen (Neoliberalismus = marktextremistischer Kapitalismus) Ökonomen und Politikern gefordert, das Umlageverfahren durch das Kapitaldeckungsverfahren zu ersetzen. Der Versuch, mit der Riester-Rente in die Teilprivatisierung einzusteigen, hat 20 Jahre gedauert. Einer ganzen Generation wurde leichtfertig erzählt, sie könne mit der Riester-Rente eine sichere Altersvorsorge erreichen. Nach dem Scheitern der Riester-Rente kommt nun das nächste Gaukler-Narrativ. Sollte die Aktienrente tatsächlich die Mehrkosten für die geburtenstarken Jahrgänge tragen - wie es der Koalitionsvertrag Glauben machen will-, müssten die Beiträge zum Aufbau des Kapitalstocks 80 Milliarden Euro statt 10 Milliarden Euro betragen. Die ökonomischen Folgen wären verheerend. Die Blasenbildung an den Finanzmärkten würde enorm befeuert und die Nachfrageausfälle

Was sagt die SPD zum geplanten Generationenkapital ? II

würden Rezessionen höchst wahrscheinlich verstärken. Die FDP dirigiert weitgehend die Rentenpolitik. Die Sozialdemokratie setzt der wirtschaftsliberalen Lindner-FDP in dieser Thematik nur sehr defizitär Grenzen. Warum? Die gegenwärtige Sozialpolitik (FDP-unterwandert) blendet die erheblichen Herausforderungen der gesetzlichen Rentenversicherung in den kommenden 20 Jahren weitgehend aus. Mit dem Werfen von Nebenkerzen werden Scheinlösungen dargereicht. Das Scheitern dieser Scheinlösungen wird zu nichts führen, außer zu einer (weiteren) Verschärfung von neoliberalen Lösungen, die weiter nur Scheinlösungen sein können. D.h. - weg von der solidarischen umlagefinanzierten Rente, hin zu mehr verpflichtenden Abgaben an die spekulationsgetriebenen Finanzmärkte. Mit der Riester-Rente wurden die Profitinteressen der Versicherungskonzerne bedient. Mit der sog. Aktienrente die Finanzkonzerne wie Black Rock, Allianz und Co. Betroffen sind sehr große Teile der Bevölkerung. Wissen diese überhaupt, w a s ihnen mit dieser sog. Aktienrente geschehen würde?!

ach je, so geht das aber nicht- denn

Rentenpolitik wurde bislang noch nie diktiert. Vielmehr herrscht seit Beginn der Zeitenrechnung Konsens im Bundestag, gerade die Rentenpolitik auf eine breite parlamentarische Grundlage zu stellen. Dass Sie mit der FDP persönliche Fehden auszutragen haben, haben wir ja nun alle zur Kenntnis genommen, aber zu einer sachlich gebotenen Kritik gehört- wenn sie denn mehr als nur Stammtischgegröle sein soll- auch, den bogen nicht so zu überspannen, das man am Ende völlig unglaubwürdig ist und niemand mehr zuhört. Es gibt einen Koalitionsvertrag, den Lindner unterschrieben hat, aber auch Esken und Klingbeil, und der gilt, nicht nur, wenn dies zu unseren Gunsten ausfällt. Sonst lassen wir doch die Koalition platzen, und versuchen es mal mit einer Minderheitenregierung wie seinerzeit Helmut Schmidt.

Zu Max Freitag - ach je, ...

Herr Freitag, unterstellen Sie mir gerne " Stammtischgegröle ". Sie teilen gerne verbal "rustikal" aus. Es sei Ihnen gegönnt.
In der S a c h e haben Sie n i c h t s ausgeführt, was meine Argumentation widerlegen könnte.

doch, das habe ich, aber Sie müssen auch das lesen, was

Ihnen nicht behagt. Schauen Sie auf die großen Rentendebatten und die Reformen im Rentenversicherungssystem. Sie werden feststellen müssen, dass stets eine breite parlamentarische Basis gesucht wurde. das Thema ist viel zu bedeutend, um hier mit parteipolitischen KleinKlein zu agieren, es betrifft über die Parteigrenzen hinweg fast die gesamte bevölkerung, so dass man gut daran tat und tut, dies so zu praktizieren. Auch jetzt ist es so, dass die Absicht im Koalitionsvertrag verankert ist. Abgesehen von den Ritualen und von ihnen losgelöst finden sich auch in den Oppositionsparteien ausreichend Abgeordnete, um auch hier diese breite Basis herzustellen. Und sie kommen uns hier mit FDP Dominanz oder ähnlichem Unsinn. Arbeiten Sie sich gerne ab, an der FDP, Gelegenheit dazu finden sie, denn es gibt ausreichend Themen, die das zulassen und erfordern. Die Rentenpolitik gehört nicht dazu

Zu Max Freitag: doch, das habe ich ...

Sehr geehrter Herr Freitag,
halten Sie das, was Sie hier ausführen wirklich für S a c h argumente?

Was Sie hier ausführen sind bestenfalls politische Argumente - aber eher parteipolitische Argumente
(natürlich nicht nur von der SPD!).
Eine Aktienrente (Börse!) ist Z O C K E N . Da können Sie noch bis zum Jüngsten Gericht fabulieren.
Die Riester-Rente war ein "Schuss in den Ofen".
Diese Aktienrente hat beste Aussichten ein "Schuss in den Hochofen" zu werden.

Zu Ihrer Lektüre darf ich Ihnen z.B. das Buch von Ottmar Schreiner ' Die Gerechtigkeitslücke ', Propyläen, 2008, insbesondere die Kapitel: Demographie und Generationengerechtigkeit (S. 160 ff.) , Die Renten-Lücke (S. 166 ff.) und
Der Richtungswechsel in der Rentenpolitik (S. 168 ff.), empfehlen. Hier erhalten Sie profunde Sacherklärung über die
"großen Rentendebatten" und die "Reformen im Rentenversicherungssystem".