Corona-Krise

Familien, Azubis, Arbeitslose: Wer wie vom Konjunkturpaket profitiert

Kai Doering04. Juni 2020
16 (bzw. fünf) Prozent auf alles: Die Senkung der Mehrwertsteuer soll den Konsum ankurbeln und den Geldbeutel der Verbraucher*innen entlasten.
16 (bzw. fünf) Prozent auf alles: Die Senkung der Mehrwertsteuer soll den Konsum ankurbeln und den Geldbeutel der Verbraucher*innen entlasten.
Mit 130 Milliarden Euro will die Bundesregierung die deutsche Wirtschaft nach der Corona-Krise wieder ankurbeln. Davon profitieren bei weitem nicht nur die Unternehmen.

Was bedeutet die Senkung der Mehrwertsteuer für sechs Monate?

Zum 1. Juli soll die Mehrwertsteuer in Deutschland für sechs Monate – also bis zum 31. Dezember – gesenkt werden. Der normale Satz beträgt in diesem Zeitraum nicht 19, sondern 16, der reduzierte Satz 5 statt 7 Prozent. Damit werden alle Produkte, die in Deutschland gekauft werden, aber auch Dienstleistungen wie etwa Friseurbesuche oder Handwerksleistungen günstiger, weil der Staat auf einen Teil seiner Einnahmen verzichtet. Entscheidend dafür ist allerdings, dass der Handel diesen Teil auch an die Kund*innen weitergibt und nicht als größere Gewinnmarge für sich behält. Vor allem Menschen mit geringeren Einkommen, die einen Großteil ihres Verdienstes für den Konsum ausgeben müssen, sollen davon profitieren. Die Bundesregierung verspricht sich von der Maßnahme zudem, dass die Deutschen mehr konsumieren und so die inländische Wirtschaft ankurbeln.

Welche Unterstützung erhalte ich, wenn ich mir ein neues Auto kaufe?

Lange war über eine Neuauflage der „Abwrackprämie“ diskutiert worden. Am Ende erteilte die Bundesregierung den Wünschen der Autoindustrie eine klare Absage. Für den Kauf bestimmter Autos gibt es aber dennoch eine Förderung: Mit einer „Umweltprämie“ soll der „Austausch der Kfz-Fahrzeugflotte durch klima- und umweltfreundlichere Elektrofahrzeuge“ beschleunigt werden. Konkret bedeutet das, dass die bereits bestehenden Kaufprämien des Bundes verdoppelt werden: Wer ein E-Fahrzeug mit einem Preis von bis zu 40.000 Euro kauft, erhält künftig statt 3.000 Euro 6.000 Euro Unterstützung. Die Maßnahme ist bis Ende 2021 befristet.

Wer erhält den „Kinderbonus“ in Höhe von 300 Euro?

Um Familien zu entlasten, sollen sie einmalig 300 Euro pro Kind erhalten. Diesen „Kinderbonus“ gibt es „für jedes kindergeldberechtigte Kind“ also u.U. auch, wenn dieses bereits nicht mehr zuhause wohnt oder älter als 18 Jahre ist. Steuerlich wird der Kinderbonus wie auch der Kinderfreibetrag mit dem Kindergeld verrechnet. Gleichzeitig wird er nicht auf die Grundsicherung angerechnet. Einkommensschwache Familien profitieren also mehr von dem Geld als einkommensstärkere.

Welche weiteren finanziellen Erleichterungen gibt es?

Im kommenden Jahr droht die EEG-Umlage, die Erneuerbare Energien wettbewerbsfähig halten soll, aufgrund des corona-bedingten Rückgangs der Wirtschaftsleistung und des damit verbundenen Rückgangs des Börsenstrompreises stark anzusteigen. Damit Unternehmen und private Verbraucher*innen nicht mehr Geld für Strom ausgeben müssen, will die Bundesregierung die EEG-Umlage mit Zuschüssen 2021 bei 6,5 Cent pro Kilowattstunde und im Jahr 2022 bei 6 Cent pro Kilowattstunde stabilisieren.

Stabil gehalten sollen auch die Sozialversicherungsbeiträge: Eine „Sozialgarantie 2021“ soll die Lohnnebenkosten, die das Gehalt schmälern würden, bei maximal 40 Prozent festgeschrieben werden.

Was gilt für ALG-II-Empfänger*innen?

Für die Empfänger*innen von Arbeitslosengeld II wird der vereinfachte Zugang in die Grundsicherung über die bisherige Geltungsdauer hinaus bis zum 30. September 2020 verlängert. Dieser war im Zuge der ersten Corona-Maßnahmen im März eingeführt worden. Eine Vermögensprüfung entfällt damit. In den ersten sechs Monaten des Leistungsbezugs werden die Ausgaben für Unterkunft und Heizung zudem in tatsächlicher Höhe anerkannt.

Welche Unterstützung gibt es für Auszubildende?

Wegen Corona droht eine „verlorene Auszubildenden-Generation“. Um ihren Lernerfolg nicht zu gefährden, spricht die Bundesregierung derzeitigen und angehenden Azubis eine Ausbildungsplatzgarantie aus. Unternehmen, die ihr Ausbildungsplatzangebot in diesem Jahr im Vergleich zu den drei Vorjahren nicht verringern, erhalten für jeden neu geschlossenen Ausbildungsvertrag eine einmalige Prämie in Höhe von 2.000 Euro, die nach Ende der Probezeit ausgezahlt wird. Unternehmen, die das Ausbildungsplatzangebot sogar erhöhen, erhalten für die zusätzlichen Ausbildungsverträge 3.000 Euro. Unternehmen, die ihre Ausbildungsaktivität trotz Corona- Belastungen fortsetzen und Ausbilder und Azubis nicht in Kurzarbeit schicken, können auch eine Förderung erhalten.

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Kommentare

Auf den ersten Blick

Sieht das Paket gar nicht mal so schlecht aus, aber warten wir auf's Kleingedruckte.
Der Kinderzuschlag ist für Familien mit gerinegm Einkommen zu wenig. Klima- und Umweltpolitisch werden leider kaum zukunftsweisende Aspekte gesetzt. In der Landwirtschaft fehlt der Übergang zu einer flächenbezogenen Viehhaltung, was z.B. Überdüngung und Grundwasserbelastung vermeiden könnte. Die Reaktivierung kommunaler Schlachthöfe, statt der skandalumwitterten Konzernschlachtereien, fehlt sowohl unter Regionalisierungs- als auch unter Umweltaspekten.
An der Überdimensionierung auch von Elektroautos wird nichts geändert, wobei ich diese Technologie sowieso nicht für zukunftsweisend halte. Noch haben wir auch zuviel fosile Elektrizität. Wasserstofftechnologie, synthetische Treibstoffe ? Da mag ja im Labor einiges gehen, aber die technologische Umsetzung, also auch da bin ich skeptisch. Noch steht die Großindustrie im Fordergrund und Dezentralisierung/Regionalisierung bleibt ein Waisenkind. Und Generell: Wo öffentliche Mittel hinfließen braucht es auch eine adäquate öffentliche Beteiligung. Verstaatlichung unter kapitalistischen Produktionsbedingungen hilft allerdings auch nicht.

Mogelpackung wie gewohnt

Abseits vom "Kinderbonus", dem einzigen Geld das tatsächlich mal beim Bürger ankommt sehe ich nicht viel Positives an diesem Staatskreditgeschenk für die Schuldenindustrie.
EEG-Unsinn auf 2 Jahre "stabilisiert" statt grundlegende Fehlstellungen zu überarbeiten. Das bedeutet also für alle bereits geschädigten Bürger, das sie dann zusätzlich zur "CO2-Bepreisung" und damit garantiertem Anstieg der Lebenshaltungskosten 2021 ein Jahr später dann nochmal per Stromkosten zur Kasse gezwungen werden.
Wie lächerlich eine Senkung der Mehrwertsteuern für Menschen ist, die als Brutto nur noch 60/67% ihres ohnehin knapp bemessenen Einkommens zur Verfügung haben sollte man nicht erst diskutieren müssen.
Weiterhin fehlt der Mut, die parasitären "Finanzprodukte" zu begrenzen, abzuschaffen (CTO,CFO, Leerverkäufe) oder wirksam zu besteuern.
Und was die "E-Mobilität" angeht, da würde das sinnlos subventionierte Batteriewerk mit einer Konzentration auf neue Batterietechnik wie die SolidStateGlass-Zelle (vom Erfinder der Li-Ion-Technik, "Goodenough" googlen) ein starkes Signal dafür sein das mal wieder Innovation im Vordergrund steht und nicht sinnlose Konkurrenz zu China mit veraltetem Schrott.

Programm nicht geeignet, Wirtschaftskrise zu bekämpfen

Die Senkung der Mehrwehrtsteuer wird m.E. wenig bringen. Die Prospekte sich doch seit Wochen voll mit Rabatten und Sonderangeboten, die Leute kaufen trotzdem nichts. Das Problem der meisten Haushalte sind nicht die Ausgaben, sondern die Einnahmen. Selbst wenn die Senkung vom Handel weiter gegeben wird, würde die Kaufkraft lediglich stabilisiert, aber nicht erhöht.

Erst wenn die Kurzarbeit spürbar und nachhaltig zurück geht, und der dramatische Anstieg der Arbeitslosigkeit gestoppt ist, wird Sicherheit und Vertrauen in die wirtschaftliche Entwicklung zurück kommen. So werden die Leute ihr Geld weiter eng zusammen halten, statt es auszugeben. Was ja auch ganz logisch ist.

Die pauschale Senkung einer Steuer widerspricht auch dem angedachten ökologischem Ansatz des Programms. Insgesamt ist es unwahrscheinlich, dass das Programm ein Erfolg wird. Realistischer ist, dass die volle Auswirkung der Wirtschaftskrise im Superwahljahr 2021 spürbar wird. Wohin die Leute tendieren, wenn 4 bis 5 Millionen ohne Job sind, und große Unsicherheit herrscht, wissen wir alle: nach Rechts.

Verstoß gegen Netiquette

Der Kommentar wurde gelöscht, da er gegen Punkt 5 unserer Netiquette verstieß.

https://www.vorwaerts.de/seite/netiquette

Reingefallen

Ja auch ich habe mich ablenken lassen von der Thematisierung des Kinderzuschlags, Autodiskussion etc.
Was die "Coronakrise" aber deutlich gemacht hat ist die Zerbrechlichkeit unseres Gesundheitssystems, das mit Fallpauschalen, Privatisierung und Personalabbau uns in die Situation des "Shutdowns" führte. Die Stärkung des Gesundheitssystems, auch wenn wir jetzt noch mit einem blauen Auge davongekommen sind, muss eine vordringliche Aufgabe sozialdemokratische Politik sein. Aber es wird wohl nicht lange dauern bis die "Bertelsmänner und Leopoldiner", samt Raffelhüschen und Rürupp wieder nach neoliberale Effizienz schreien. Der ganze Pflegebereich wird da nicht ausgenommen werden. Laut CDSU sollen die Kommunen, und die sind oft Träger der Einrichtungen im Gesundheitsbereich, finanziell nicht oder kaum entlastet werden. Koalitionspartner hin oder her, dagegen muss eine Sozialdemokratie eine gesellschaftliche Mehrheit mobilisieren. Das "Argument": es ist kein Geld dafür da, kann da nicht zählen. Das Lastenausgleichsgesetz von 195? kann da ein Vorbild zu Finanzierung sein.

Der Profit der Arbeitslosen

Der Drang des Vorwärts nach "washabenwirwiedertollesgemacht" Erfolgsmeldungen schießt bisweilen weiter über Ziel hinaus und landet, sagen wir´s mit einem modernen Begriff, bei Fake News.
Die arbeitslosen und aufstockenden ALG II-Empfänger haben einen Regelsatz von 150 Euro für Lebensmittel. Weil ich nicht ganz sicher bin, ob es jeder im WBH weiß: nicht pro Einkauf, sondern pro Monat. Lebensmittel sind aber in der Krise um rund 20% teurer geworden. Tendenz anhaltend. Für die Anpassung des Regelsatzes war im 130-Milliarden-Wumms offenbar kein Platz. Bevor wir den Betroffenen nun unsere Wohltaten verkünden, empfiehlt sich eine einfache Rechnung. Gibt der Handel die 2% voll weiter, bleiben immer noch rund 18% Preiserhöhung. Also 18% weniger essen, Modebegriff: Gürtel enger schnallen.
Dafür werden Rüstungsprojekte mit hohem deutschen Wertschöpfungsanteil bedacht, mit mindestens 10,5 Milliarden, lese ich, wenn auch nicht im Vorwärts. Die UNO rechnet damit, dass 1,2 Millionen Kinder durch die Corona-Krise zusätzlich sterben könnten, wegen fehlender Nahrung, Medikamente und Impfungen. Gerd Müller hat leider vergebens darauf hingewiesen. Ihm schließe ich mich an: Das ist beschämend!