Seitenwechsel

Warum Ex-AfD-Mitglied Oskar Helmerich die Thüringer SPD entzweit

Kai Doering16. April 2016
Das gab es noch nie. In Thüringen ist das ehemalige AfD-Mitglied Oskar Helmerich in die Landtagsfraktion der SPD gewechselt. Das sorgt bei den Sozialdemokraten für Unruhe.

Der Fall sorgt bundesweit für Schlagzeilen. Am Mittwoch hat die SPD-Landtagsfraktion in Thüringen beschlossen, Oskar Helmerich in ihre Reihen aufzunehmen. Der 55-jährige Jurist ist nicht irgendjemand: Helmerich gründete den thüringischen Landesverband der rechtspopulistischen „Alternative für Deutschland“ (AfD) mit, saß im engen Landesvorstand und die Büroräume seiner Anwaltskanzlei in Erfurt wurden zeitweise als Landesgeschäftsstelle genutzt. Bei der Landtagswahl im September 2014 stand er auf der AfD-Landesliste auf Platz zwei – direkt hinter Rechtsausleger Björn Höcke.

SPD-Fraktion stimmte mit acht zu zwei für Helmerich-Aufnahme

Mit dem kam es etwas später zum Zerwürfnis. Im Streit über die Ausrichtung der AfD trat Helmerich im Mai 2015 erst aus der Landtagsfraktion und zwei Monat später auch aus der Partei aus. Seither gehörte er dem thüringischen Landtag als fraktionsloser Abgeordneter an – bis zum vergangenen Mittwoch. Da beschloss die SPD-Fraktion mit acht zu zwei Stimmen, Helmerich aufzunehmen. Die SPD-Fraktion im Erfurter Stadtrat, dem Helmerich ebenfalls angehört, hatte diesen Schritt bereits am 4. April vollzogen.

 „Meine Fraktion hat es sich mit der Aufnahme von Oskar Helmerich nicht leicht gemacht“, erklärte Matthias Hey, Fraktionsvorsitzender der SPD im Thüringer Landtag. Helmerich habe vor der Fraktion „plausibel begründet, warum er damals in die AfD ein- und wieder ausgetreten“ sei. Außerdem habe er glaubhaft versichert, dass er „hinter den Zielen des Koalitionsvertrages“ stehe. Die rot-rot-grüne Koalition verfügt nach der Aufnahme Helmerichs über eine Zwei-Stimmen-Mehrheit im Parlament.

Rückzug aus dem Landesvorstand aus Protest

Für Diana Lehmann indes ist die Sache nicht so klar. „Die Gründe für den Wechsel in dieser Kürze der Zeit sind für mich nicht plausibel“, sagte die Abgeordnete gegenüber vorwärts.de. Gemeinsam mit ihrer Fraktionskollegin Birgit Pelke stimmte sie gegen die Aufnahme Helmerichs. „Wie sich Herr Helmerich, der vor kurzem noch Mitglied einer eurokritischen und zumindest rechtspopulistischen Partei war, jetzt hinter den Werten der Sozialdemokratie versammeln will, bleibt für uns offen“, erklärten beide auf ihren Facebook-Seiten.

Aus Protest gegen die Aufnahme Helmerichs trat Lehmann am Donnerstagabend als Beisitzerin aus Vorstand der Thüringer SPD zurück. „Ich hätte mir gewünscht, dass der Landesvorsitzende den Prozess um Herrn Helmerich organisiert“, sagte Lehmann. SPD-Chef Andreas Bausewein hatte Kritik an der Aufnahme Helmerichs zurückgewiesen, sich gleichzeitig aber aus dem Prozess herausgehalten.

Nach der Aufnahme Oskar Helmerichs in den Erfurter Stadtrat Anfang des Monats hatte er in der „Thüringer Allgemeinen“ erklärt: „Ich kann mir durchaus vorstellen, dass Oskar Helmerich in die Landtagsfraktion und auch in die Partei aufgenommen wird.“ Aus Sicht von Diana Lehmann „war eine innerparteiliche Debatte danach gar nicht mehr möglich“.

Jusos: Mit Aufnahme Helmerichs „rote Linie“ überschritten

Kritik übten vor allem die Jusos. „Jemanden in eine Fraktion der SPD aufzunehmen, der bis 2015 noch für eine national-chauvinistische Partei wie die AfD in einem Landes- und einem Kommunalparlament saß, überschreitet für uns eine rote Linie“, erklärte die Landesvorsitzende Saskia Scheler. Die gesamte Landespartei müsse darüber diskutieren, wie sie mit ehemaligen Mitgliedern und Funktionären der AfD umgehen wolle.

Das sieht auch Landtagsfraktionschef Matthias Hey so. „Oskar Helmerich hat sich der Fraktion gegenüber von den Positionen der AfD distanziert“, sagte er vorwärts.de. Nach der Landtagswahl und dem Sturz Bernd Luckes von der Bundesspitze der Partei habe Helmerich zudem „schnell gemerkt, dass da etwas in die falsche Richtung läuft“. Und mehr noch: „Oskar Helmerich weiß mit den Zielen der SPD etwas anzufangen.“

Letztlich sei die Aufnahme auch eine moralische Frage, meint Hey. „Kann man einem Menschen, der mit der AfD gebrochen hat, den Eintritt in eine demokratische Partei verwehren?“

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Kommentare

AfD war und ist vor allem Wirtschaftsliberalismus pur.

Damit ist Herr Helmerich in der SPD gut aufgehoben.

Denn für die SPD war es ja auch kein Problem, jemanden wie W. Clement in der Partei zu haben. Auch bei Herrn Sarrazin ist das kein Problem. Warum also nicht auch einen Herrn Helmerich? Schließlich gibt es in der SPD mit dem Seeheimer Kreis eine stark konservative und wirtschaftsliberale Gruppe.

Nicht zu vergessen, dass die SPD die Partei der Agenda 2010 ist. Guckt man sich dann noch die von Frau Nahles beabsichtigten Verschärfungen des Workfare Programms Hartz-IV an, ist Herr Helmerich gut in der SPD aufgehoben. Damit haben nur Gefühlssozialisten ein Problem.

Die SDP-Vergangenheit ist lehrreich

Die SPD ist eine demokratische Partei. Menschen, die sich zu den Zielen der Sozialdemokraten bekennnen, sich politisch in der Partei engagieren möchten, sind aufzunehmen. Jedes einzelne Mitglied kann Impulse setzen, sodass die Partei vielleicht wieder als Volkspartei eine andere Verwurzelung in der Bevölkerung schafft. Die innerparteiliche Diskussion wird auf jeden Fall gestärkt und befördert vielleicht auch wieder das aktive Mitgestalten.
Es war schon ein Fehler mit der Wende keine ehemaligen SED-Mitglieder in der SDP und später SPD in den neuen Bundesländern aufnehmen zu wollen. Dies hatte für viele ehemalige SED-Mitglieder Signalwirkung und sie sind nicht zu den Sozialdemokraten als neue politische Heimat gekommen. In der heutigen Mitgliederschwäche sind die schlechten Wahlergebnisse begründet. In den Traditionsländern Thüringen und Sachsen ist dies fast schon verwunderlich, dass die SPD als dritt- bzw. viertstärkste Kraft in den Landesregierungen um Profil ringt. Ehemaligen AFD-Mitgliedern gleiche Signale zu senden, wäre fast schon die Bankrotterklärung der Partei. Lernprozesse gibt es nicht nur im beruflichen Alltag, sondern auch in der Politik.

Wäre schön wenn,

das mit den "Lernprozessen" um sich greifen würde. Die "Schwäche" der SPD in Ihrem ehemaligen Kern/Gründungsland Sachsen bzw.Mitteldeutschland ist hausgemacht. Bei ca. 3 Milionen Einwohnern sind gerade einmal ca. 5000 Personen Mitglied im Landesverband. Bestrebungen daran etwas zu ändern, kann ich nicht erkennen. Hier läuft die "Volkspartei" Gefahr zwischen CDU auf der einen, und Linken auf der anderen Seite regelrecht zerrieben zu werden. Da hilft auch nicht Juniorpartner in einer Schwarz-Roten Koalition zu sein.