Europa

Europawahlen 2019: So wählten Spanien und Griechenland

Gero MaaßUlrich Storck31. Mai 2019
Die sozialdemokratische PSOE geht aus den Wahlen zum EU-Parlament als klarer Sieger hervor
In Spanien hält der Erfolg der Sozialdemokraten auch bei den Europawahlen an – in Griechenland wurden noch am gleichen Abend Neuwahlen angekündigt. Eine Wahlanalyse aus Madrid und Athen.

Madrid – Der Linksschwenk hält an

von Gero Maass

Die sozialdemokratische PSOE geht nach den nationalen Parlamentswahlen am 26. April (28 Prozent) mit fast 33 Prozent auch aus der Europawahl klar als Sieger hervor. Sie stellen jetzt mit 20 Abgeordneten das Gros der 54-köpfigen spanischen Delegation. Gleichzeitig fanden Regional- und Kommunalwahlen statt. Auch dort konnten sich die Sozialdemokraten vielfach durchsetzen. Ein Wertmutstropfen: In der Stadt wie der Region Madrid droht eine Koalition unter Beteiligung der Rechtspopulisten.

Verluste bei den Konservativen

Der Einbruch der konservativen Partido Popular (PP) setzt sich fort. Statt der stattlichen 26,1 Prozent (2014) kommen sie nur noch auf 20 Prozent. Der Druck auf den Parteivorsitzenden Pablo Casado und seinen Rechtsschwenk wird steigen, auch wenn es die rechtsliberale Partei Ciudadanos mit ihren leichten Gewinnen nicht geschafft hat, der PP den Rang abzulaufen. Die Hochzeiten der linkspopulistischen Podemos scheinen trotz ihrer leichten Gewinne vorbei.

Erneut ziehen zudem verschiedene Regionalparteien ins Europaparlament ein – und damit allen voran Puigdemont, der ehemalige katalanische Regionalpräsident im selbsterklärten politischen Asyl in Brüssel, der immer noch per spanischem Haftbefehl gesucht wird. Noch ist unklar, wie er sein Mandat antreten will. Dazu müsste er in Madrid erscheinen. Die rechtspopulistische VOX (sechs Prozent) ist nach dem Kongress nun auch im EP und hat sich innerhalb einer Halbjahresfrist ebenfalls in allen Regionalparlamenten des Landes etabliert.

Sozialdemokraten wollen mehr Verantwortung

In der neuen Legislaturperiode werden die spanischen Sozialdemokraten nun zur stärksten Gruppe der S&D-Parteienfamilie. Passend zum dezidiert proeuropäischen Kurs der neuen Regierung von Pedro Sánchez möchte die PSOE gerne mehr Verantwortung in der EU übernehmen. Nach einem Jahrzehnt der Zurückhaltung möchte Sánchez auch personell an die 2000er Jahre anknüpfen, die etwa mit Namen wie Javier Solana verbunden sind, dem EU-Außenbeauftragten von 1999 bis 2009.

Die Liste der PSOE führte mit Josep Borrell ein erfahrener Europaparlamentarier an: Von 2004 bis 2007 war der derzeitige spanische Außenminister Parlamentspräsident. Schwer vorstellbar, dass er mit seinen 72 Jahren seinen zweiten europäischen Frühling als einfacher Abgeordneter verbringen möchte. Um das Gewicht der Sozialdemokratischen Partei Europas bei den anstehenden Personalentscheidungen einzubringen, wurde Sánchez mit der Verhandlungsführung beauftragt.

 

Athen – Endlich Neuwahlen

von Ulrich Storck

Spät am Wahlabend schaffte es Griechenland doch noch in die Schlagzeilen: mit der Ankündigung von Neuwahlen bereits im Juni. Auslöser der vorgezogenen Wahlen ist der deutliche Sieg der konservativen Opposition, der Nea Demokratia unter Kyriakos Mitsotakis. Syriza unter Premier Alexis Tsipras erreichte knapp 24 Prozent (sechs MEPs), Nea Demokratia übertraf die Regierungspartei mit gut 33 Prozent deutlich (sieben MEPs).

Erste Wahl seit 2015

Erstmals seit dem turbulenten Regierungsantritt Syrizas 2015 konnten die griechischen Wählerinnen und Wähler ihre Meinung über die Politik Tsipras’ äußern. Von einer Europawahl konnte entsprechend keine Rede sein. Europäische Themen kamen im Wahlkampf nicht vor, und auch am Wahlabend hielt es keine Fernsehanstalt für interessant genug, die Ergebnisse anderer Länder oder gar eine Debatte über die Zukunft Europas zu senden. Der Wahlkampf war geprägt von haltlosen persönlichen Diffamierungen und Schlägen unter die Gürtellinie, ein wahrhafter Verfall politischen Anstands und des Respekts vor dem politischen Gegner. Ein ehrlicher Wettbewerb um dringend notwendige Ideen für die Zukunft des ausgebluteten Landes fand kaum statt. Wenig verwunderlich, dass 84 Prozent der Griechen mit dem Zustand ihrer Demokratie nicht mehr zufrieden sind.

Beiden großen Parteien – Syriza und Nea Demokratia – war daran gelegen, das politische Spektrum zu polarisieren. Sie ließen kaum Raum für weitere Kräfte: Weit abgeschlagen die Sozialdemokraten von KINAL als Nachfolger der PASOK, denen weiterhin keine Erneuerung gelingt. Sie stützen sich auf den schrumpfenden und alternden, aber noch immer landesweit organisierten Stamm ihrer Getreuen. Diese verschafften der Partei einen leichten Zuwachs auf 7,5 Prozent (zwei MEPs).

Neuwahl im Juni angekündigt

Am rechten Rand gab es Veränderungen, wenngleich keinen Zuwachs: die Faschisten der Goldenen Morgenröte büßten fast die Hälfte ihrer Stimmen ein (4,8 Prozent, zwei MEPs). Diese gingen an eine neue ultra-nationalistische, russophile Partei namens ‘Griechische Lösung’ (4,1 Prozent, ein MEP) gegründet wegen der nationalen Empörung über den Namens-Deal mit Nord-Mazedonien.

Es sieht derzeit danach aus, als hätten die Konservativen – die auch in den Kommunalwahlen beeindruckend abschnitten – das nötige Momentum, um die nationale Wahl zu gewinnen und die nächste Regierung zu stellen. Allerdings hat Syriza am Sonntag in wesentlich geringerem Maße ihr Wählerpotential ausgeschöpft als die Konservativen, mit 64 Prozent gegenüber 81 Prozent. Trotzdem müsste es in den nächsten Wochen zu einer dramatischen Wende kommen, um Mitsotakis aus dieser Position verlieren zu sehen.

Beide Beiträge erschienen im ipg-journal, einer Debattenplattform für Fragen internationaler und europäischer Politik.

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Kommentare

Athen - Erste Wahl seit 2015

Es war zwar die 1. Wahl seit dem Amtsantritt der Syriza, aber es gab bekanntlich ein Referendum über das Spardiktat der EU, insbesondere von Schäuble, bei dem die Haltung von Tsipras zwar bestätigt wurde, der sich aber dann dieser Quasi-Erpressung beugen musste.

Es ist schon eigenartig, dass die Griechen die Regierung für die Sparmaßnahmen abgestraft haben, so wie es der SPD bei uns ergeht, aber dass die ND wieder gewonnen hat, ist unverständlich. War es doch gerade die ND unter Samaras, die dem Austeritätsdiktat Schäubles, anders als später durch Tsipras und Varoufakis, ohne Widerrede gefolgt ist und auch dem Land einigen schaden eingebrockt hatte. Vergessen die so schnell?

Im Gegensatz dazu haben es die Sozialisten auf der iberischen Halbinsel verstanden, erfolgreich dem Austeritätsdiktat Paroli zu bieten, haben ihre Länder dadurch voran gebracht, was ihnen dann auch von den Wählern gedankt wurde.

Reaktion griechische Bevölkerung auf das EU-Diktat: der tapfere

apropos GR: ganz meiner Meinung! Schließlich war das "Spardiktat" (= Ausblutdiktat und protektionistisch von D) ein Ergebnis der Hegemonie Deutschland! Tispras hat lediglich nach 6 (!) Monaten zähen kräfteraubendens Verhandeln mit der "Troika" unterschrieben, um die Bedingungen des Memorandums nicht weiter zu verschlimmern!
1. Wie kann es sein, dass Verträge und Dokumente (die das Memorandum beinhalten), sich mit zunehmender Zeit
bzgl. der Bedingungen verschlimmern?! Über diese Willkür allein scheint sich niemand mehr Gedanken zu machen!
2. Tsipras hat sich nach Unterschreiben des Memorandums sofort einer Wieder- bzw. möglichen Abwahl gestellt, um seine oberste Prio, den Erhalt der Demokratie, zu wahren.
Die "Absegnung" des Memorandums war leider notwendig, weil der Staat GR sonst pleite gemacht hätte ... Evtl. eine kleine Invasion seitens D, RUS ... (?) - natürlich nicht offiziell - hätte geschehen können, bzw. man muss bei der Dominanz der reichen Staaten ja mittlerweile mit allem rechnen. Ganz abgesehen von möglichen militärischen Folgen wäre GR weitgehend von der EU und dem globalen Handel abgeschnitten worden (s. z.B. die Entwicklung in Kuba).
Tsipras hat also
etliche

.... M. Weber bei einer EU

.... M. Weber bei einer EU-Sitzung vor ca. 2 Jahren (als damals noch relativ der Öffentlichkeit nicht so bekannt) vorschlug, "wenn die gr. Bevölkerung Syriza abwählte, könnte man dort über einen Schuldenerlass reden...".
Ja, sind "wir" (D-Regierung) eigentlich noch ein RECHTSSTAAT ?! Solche Vorschläge im öffentlichen Rahmen zu machen und einen Eingriff in die griechischen Staatssouveränität als ernstzunehmende Option in den Raum zu stellen ?
Naja, und dieeeeeee EVP hat in Europa gewonnen. Hilfe!

Ich hoffe trotzdem, dass GR Vernunft annimmt und am 7.7. wie zuvor nach dem "Oxi" im Juli 2015 ein 3. Mal für Tsipras stimmt. Damals hat GR ja instinktiv das Richtige getan - Ablehnung von Unterwerfung, trotzdem Konsequenzen gezogen....