Vorschlag aus der Grundwertekommission der SPD

Über Europas Flüchtlingspolitik sollen Bürger und Kommunen entscheiden

Gesine SchwanGustav Horn22. Juni 2018
Debatte um Flüchtlingspolitik
Debatte um Flüchtlingspolitik: Gesine Schwan und Gustav Horn schlagen vor, die Frage der Aufnahme in die Hand der Bürger vor Ort zu legen.
Aus der Grundwertekommission der SPD gibt es einen neuen Vorschlag zur Migration in Europa: Da sich die EU-Regierungen auf absehbare Zeit nicht einigen könnten, sollten die Bürger und Kommunen selbst entscheiden, wieviel Offenheit für Flüchtlinge sie vor Ort wünschen.

Der französische Präsident Macron hat in seinen Reden zu Europa, die er an der Sorbonne in Paris und an der Humboldt Universität in Berlin gehalten hat, grundlegende Reformen in der EU, ja sogar deren Neugründung gefordert. Mit diesem hohen Anspruch hat er Maßstäbe für die Debatte um die Zukunft der EU gesetzt.

SPD muss Europa sozial gestalten

Der wesentliche Adressat seiner Rede war die Bundesregierung, von der er sich eine sichtbare Unterstützung seiner Reformbemühung erhofft, die die EU stabiler und dynamischer zugleich machen sollen. Der jüngste deutsch-französische Gipfel hat nun zu einigen Vereinbarungen geführt, die den politischen Willen der beiden Regierungen für den künftigen Weg der EU andeuten. Gleichwohl bleibt die SPD gefordert, ihre eigenen Vorstellungen aufzuzeigen. Daher hat die Grundwertekommission schon vor einigen Monaten in einem grundlegenden Papier skizziert, wie eine sozialdemokratische Antwort auf die französischen Vorschläge aussehen könnte. Die Regierungsvereinbarungen müssen sich aus einer sozialdemokratischen Sicht daran messen lassen.

Die Grundwertekommission hält es für die historische Aufgabe der SPD in dieser Zeit, die Globalisierung sozial zu gestalten. Eine sozialdemokratische Politik, die sich dem Grundwert der Solidarität verpflichtet sieht, strebt nach einer transnationalen Politik, die den Wohlstand und die Sicherheit aller erhöht. Damit setzt die SPD auf eine sozial gestaltete Offenheit, wo andere nach Abgrenzung und Rückzug aufs Nationale rufen. Im Konkreten heißt dies, die Beziehungen in der EU und im gemeinsamen Währungsraum müssen vertieft werden. Aber dies muss in einer Weise geschehen, die letztlich allen zugutekommt und nicht nur einer supranationalen Elite. Im Gegenteil, Europa muss zu einer Angelegenheit breiter Schichten der Zivilbevölkerung werden, die sich ihre Rechte und ihre politischen wie wirtschaftlichen Vorstellungen in Europa erstreitet.

Flüchtlingspolitik von zentraler Bedeutung

Die Vertiefung der europäischen Beziehungen entsteht am ehesten, indem gemeinsame Vorhaben durchgeführt werden. Von zentraler Bedeutung ist gegenwärtig – und dies zeigt in geradezu dramatischer Weise der Streit mit der CSU innerhalb der Bundesregierung –,  eine europäische Lösung für den Umgang mit Flüchtlingen und Migration zu finden. Eine Einigung zwischen den Regierungen der EU hierfür zu finden, die mehr als ein Formelkompromiss ist, erscheint auf absehbare Zeit aussichtslos. Von daher ist es sinnvoll, die Regierungen von dieser Aufgabe zu entbinden und sie in die Hand der Bürger zu legen.

Dies kann in zwei Schritten erreicht werden. Als erstes beschließen die Regierungen einen gut ausgestatteten kommunalen Integrations- und Entwicklungsfonds einzurichten. Und als zweites verpflichten sie sich, die Flüchtlinge willkommen zu heißen, die von den Kommunen aufgenommen werden, die im Gegenzug Ansprüche auf Mittel aus dem Fonds erheben können.

Bürger eher für offenes Europa als Regierungen

Mit dieser Doppelentscheidung werden einerseits die Regierungen von der Pflicht entbunden eine wahrscheinlich ohnehin unmögliche gemeinsame Entscheidung über das Ausmaß an gewünschter Offenheit gegenüber Migration zu treffen. Andererseits bestimmen nun die Kommunen und ihre Bürger wieviel Offenheit sie wirklich wünschen, wenn ihnen gleichzeitig die Mittel gegeben werden, die daraus resultierenden Integrationsaufgaben zu bewältigen und darüber hinaus in gleicher Höhe, um ihre Kommune zu entwickeln. Erfahrungsgemäß dürfte das Europa der Bürger ein offeneres Europa sein als das der Regierungen. Die Ergebnisse des deutsch französischen Gipfels schließen eine solche Lösung im Übrigen nicht aus.

Neben diesem zentralen Projekt sind aber viele weitere die Integration vertiefende Vorhaben zu empfehlen. Sie sollten nicht zuletzt auch die Währungsunion stärken. Dies kann durch die Schaffung eines Europäischen Währungsfonds, einer gemeinsamen Rückversicherung der Arbeitslosenversicherungen, die Vollendung der Bankenunion, einen europäischen Finanzminister mit Investitionsbudget, den sozialökologischen Umbau der europäischen Wirtschaft und vieles andere mehr geschehen.

Widerstand leisten gegen Rückbau der EU

Manche Vorhaben wie die Schaffung eines Europäischen Währungsfonds und die Vollendung der Bankenunion sind seit dem deutsch-französischen Gipfel bereits in die Positionen beider Regierungen eingeflossen. Dies ist schon ein spürbarer Fortschritt, der von der SPD auch offensiv vertreten werden sollte. Damit grenzt man sich insbesondere von jenen ab, die wie die CSU auf den Kurs eines nationalen Rückbaus der EU eingeschwenkt sind. An dessen Ende steht ein weniger offenes, weniger einflussreiches und insgesamt weniger lebenswertes Europa. Dem müssen sich Sozialdemokraten widersetzen.
 

 

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Kommentare

EU-Förderung f. kommun.Projekte verhindert Neid u. Populismus .

Es ist ein sehr interessanter und unterstützenswerter Vorschlag aus der SPD-Grundwertekommission, der auf Freiwilligkeit der europäischen Kommunen und Engagement der Bürger setzt und diese Förderung von Kommunen und Gemeinden von ihrer Bereitschaft zu Integrationsarbeit abhängig macht !
Ein solches Konzept verhindert populistische nationale Wahlkämpfe basierend auf "Fake-News" und auf Kosten derer die aus Not ihre Heimat verlassen mussten und Hab und Gut zurückließen !
Wenn dieser EU-Fonds gut ausgestattet wird und für Städte und Gemeindem lukrativ, müssten sie mit dem Klammersack gepudert sein, wenn sie sich nicht mit einem guten Konzept unter Beteiligung ihrer Ressourcen von Vereinen, Initiativen, Bildungseinrichtungen etc. mit innivativen und/oder bewährten Projekten um solche Mittel bewerben ! Es werden in den allermeisten Fällen Konzepte sein, die nicht nur den Neubürgern bzwr Asylanten zugute kommen, sondern, das ist dabei besonders wichtig, auch erkennbar den "Ureinwohnern" selbst. Hierbei sollte es vielfältige Möglichkeiten geben wie diese sich an solchen Projekten beteiligen können. Pers.Kontakt u. gemeins. Ziele sind das beste Mittel gegen Vorurteile u. Fremdenhass !

wenn Bürger über Europas

Flüchtlingspolitik entscheiden sollen, haben sie dazu bei den Europawahlen recht bald Gelegenheit.

Ich fürchte sehr, dass die Bürger diese Entscheidung dann auch in den Mittelpunkt ihrer Entscheidung stellen werden- und damit im Ergebnis der SPD ihre Stimme nicht geben werden. Da wäre es bestimmt geschickter, wie Schulz im BT Wahlkampf ein anderes Thema in den Focus zu stellen- ob das aber wenigstens diesmal fruchten wird- wohl eher nicht.

Letztendlich- ich weiß auch nicht, wie der SPD zu helfen ist

Lobbykontrolle gegen Fluchtursachen !!!

Ein europäischer Verteilungsmechanismus bei Flucht und Migration der überwiegend auf Zwang und Repression setzt, ist genauso zum Scheitern verurteilt wie der, für einige, geträumte Traum, einer hermetisch abgeschlossenen EU-Aussengrenze ! Nicht s als populistische Sprüche !
Es gilt endlich Fluchtursachen zu bekämpfen und dafür müssen die EU und ihre Mitgliedsländer sich ehrlich machen und ihre Handels-, Umwelt- , Verteidigungs- , Aussen- und Entwicklungspolitik endlich auf ihre Auswirkungen in Bezug auf Fluchtursachen zu überprüfen und entsprechend zu ändern !. Hierzu bedarf es ohne Rücksicht auf die legale und illegale Parteienfinanzierung einer strengen Rahmensetzung was Industrie.- und Handelslobbyzugänge zur gesetzgebenden Politik betrifft, sowie endlich einer wirksamen Lobby-Transparenz !!! Weiter bedarf es sinnvoller Unterstützungsmaßnahmen und Anreizsetzungen damit sich Teilmärkte mit fairen Handels- und Produktionsbedingungen entwickeln. Hierbei müssen lokale faire Märkte vor Freihandel mit bisweilen unfairen Auswirkungen und Praktiken stehen. Nachhaltigkeit und fairer Handel sind nur durch entsprechende Rahmensetzung machbar und nicht durch deren Beseitigung !

https://petiport.secure.europarl.europa.eu/petitions/de/home

Schade, dass Gesine Schwan nicht im Sinne der SPD Werte im Rahmen der progressiven Allianz eine Petition initiativ anführt. Das würde den Europäern die Gelegenheit geben, über das EU Parlament hinaus den jeweiligen Nationalparlamenten den "Auftrag" zu erteilen, endlich einen wertebasierten Konsens zu erreichen. Klar würde die Gegenseite dass gleiche versuchen.

Sportives Ringen um Werte gehört so zu den urdemokratischen Gepflogenheiten einer Gesellschaft.

Ein beiläufiger Artikel erreicht hier Garnichts.

Aber vielleicht sollte die Grundwertekommission ebenso durchgeschüttelt werden. Es wäre nicht schlecht, wenn sie bei ihren regelmäßigen Treffen jeweils einen nicht stimmberechtigten Beirat von Neumitgliedern erhält, der jedes Jahr neu besetzt wird. So könnten diese später als Multiplikatoren in die übrigen Parteigliederungen zurückkehren und ihre Prägung weitergeben, ungeachtet ob sie eine Parteikarriere anstreben oder nicht.

Erst eine wertebasierte Grundierung einer Partei führt zu einer weiteren Grundierung eines Staat bis hinzu einer kontinentalen Gemeinschaft.

Aber wie weit traut sich die SPD tatsächlich, sowohl für ihre Werte wie für Flüchtlinge Partei zu nehmen?

Konzepte bleiben in parteiinternen Filtern u. Pin-Wänden hängen

Viele Genoss/inn/en und Bürger außerhalb unserer Partei fragen sich: Wo bleiben die so dringend notwendigen Ideen, Konzepte iund die Zukunftsausrichtung eigentlich hängen ?. An den PIN-Wänden der Beteiligungsveanstaltungen, in der sprachlosen Kluft der Parteiflügel und im Filter der überwiegend konservativ und merkelnah ausgerichteten SPD-Spitze !?
Gerade jetzt,,angesichts des spalterischen Dramas der abgewirtschafteten Koaltionspartner und einer iirreparabel beschädigten Kanzlerin müsste doch die Europakompetenz der SPD incl. einer innovativen Problemlösungskonzeptes bei Flüchtlingsveteilung, Sicherheit und Integration, aufleuchten ! Dies könnte sowohl Merkel als auch Seehofer massiv unter Zugzwang setzen. Stattdessen wirkt die SPD wie das traurige Anhängsel dieser abgehalfterten Fraktionsgemeinschaft ! swheinbar klammert sie sich an die immer schwächer wirkende Kanzlerin und ihr verzweifeltes aussichtsloses erpresstes Notprogramm ! Was beim Wahlvolk ankommt: SPD schwach und ideenlos, Regierungsarbeit findet nicht statt, wichtige selbstgesteckte Ziele krachend verfehlt, Skandale wie Abgasbetrugsskandale unbewältigt, gewaltige Imageschäden für Industriestandort D! Folge: 17,5,% !