An diesem Donnerstag präsentiert die EU-Kommission einen Gesetzentwurf für eine Finanztransaktionssteuer. Die Bundesregierung sollte ihm so schnell wie möglich zustimmen, fordert der Vorsitzende der SPD-Gruppe im Europaparlament, Udo Bullmann, im Interview mit vorwärts.de.
vorwärts.de: Am Donnerstag will die EU-Kommission den Gesetzentwurf zur Besteuerung von Wertpapiergeschäften vorstellen. Was genau ist geplant?
Udo Bullmann: Die EU-Kommission folgt mit der vorgeschlagenen Steuer gegen Finanzspekulation unserem jahrelangen Drängen, die Verursacher der weltweiten Finanzkrise an den angefallenen Kosten zu beteiligen. Es soll eine Mindeststeuer auf Aktien, verbriefte Wertpapiere und Termingeschäfte (Derivate) erhoben werden, die jährlich zwischen 30 und 35 Milliarden Euro in die Kassen der beteiligten EU-Mitgliedstaaten spülen wird. Je schneller Wertpapiere in spekulativer Absicht hin- und hergeschoben werden, wie im Falle des automatisierten Hochfrequenzhandels, umso größer fällt die Wirkung der Anti-Zocker-Steuer aus. Alltägliche Geschäfte von Verbrauchern wie Versicherungsverträge, Kredite oder Hypotheken sollen ausdrücklich nicht besteuert werden.
Die Steuer soll zunächst in 11 europäischen Ländern erhoben werden. Länder wie Großbritannien haben bereits verkündet, die Steuer nicht einführen zu wollen. Macht die Einführung in einigen wenigen Ländern Sinn?
Eines der häufigsten Argumente gegen die Steuer war, dass Finanztransaktionen durch sie lediglich verlagert werden. Als Sozialdemokraten im Europäischen Parlament haben wir eine ganze Palette von Vorschlägen unterbreitet, wie man diese Schlupflöcher schließen kann. Der Gesetzentwurf nimmt das auf, indem er zwei Prinzipien miteinander kombiniert. Zum einen wird die Steuer erhoben, sobald der Käufer oder Verkäufer direkt oder indirekt aus einem der beteiligten Mitgliedstaaten stammt. Die Steuer wird also auch dann vom deutschen Fiskus eingezogen, wenn eine britische Bank Wertpapiere im Auftrag eines deutschen Unternehmens in London handelt (Wohnsitzprinzip). Gleichzeitig werden alle Finanztitel zur Besteuerung herangezogen, die in einem der Teilnehmerländer ausgegebenen werden. Die in Singapur oder New York gehandelte BMW-Aktie wird dadurch ebenfalls erfasst (Emissionsprinzip).
Die Steuer soll 2014 in Kraft treten. Ist dieser Zeitplan realistisch und wird die derzeitige Bundesregierung zustimmen?
Jetzt kommt alles darauf an, dass der engagierte Vorschlag nicht durch die Finanzlobby und hasenfüßige Regierungen verwässert wird. Ich fordere die Bundesregierung auf, diesem Vorschlag so schnell wie möglich zuzustimmen. Die Zeit für Ausreden ist vorbei. Zusammen mit unseren Kolleginnen und Kollegen in der SPD-Bundestagsfraktion werden wir mit größter Wachsamkeit darauf achten, dass die Bundesregierung nicht wortbrüchig wird. Dann wird das Projekt zum 1. Januar 2014 endlich starten können.