Europäische Union

Europäisches Asylsystem: Was die Einigung der EU-Staaten bedeutet

Kai Doering04. Oktober 2023
Vor dem Durchbruch? Die EU-Mitgliedsstaaten haben sich auf die Kernelemente einer europäischen Asylreform geeinigt.
Vor dem Durchbruch? Die EU-Mitgliedsstaaten haben sich auf die Kernelemente einer europäischen Asylreform geeinigt.
Der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union haben sich auf die sogenannte Krisenverordnung geeinigt. Die Reform des europäischen Asylsystems kommt damit voran. Das Europaparlament kündigt jedoch harte Verhandlungen an. Und die Zeit drängt.

Nach wochenlangem Ringen haben sich die EU-Mitgliedsstaaten auf ihre Position zur sogenannten Krisenverordnung geeinigt. Das teilte die spanische Ratspräsidentschaft am Mittwoch auf X, vormals Twitter, mit. Die Krisenverordnung ist ein elemantarer Bestandteil der geplanten europäischen Asylreform.

Warum soll das europäische Asylsystem verändert werden?

Die geplante Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) soll Geflüchtete gleichmäßiger innerhalb der EU verteilen und so für Entlastung in den am stärksten betroffenen Ländern – insbesondere in Südeuropa – sorgen. Außerdem soll die irreguläre Migration begrenzt werden.

Was sehen die Pläne vor?

Asylverfahren innerhalb der EU sollen deutlich verschärft werden. Geflüchtete aus Herkunftsländern, die als sicher als sicher eingestuft sind, sollen in zentrale Aufnahmeeinrichtungen an der Außengrenze der EU gebracht werden. Das trifft etwa auf Migrant*innen aus der Türkei, Indien, Tunesien, Serbien oder Albanien zu. In den Aufnahmeeinrichtungen soll innerhalb von zwölf Wochen geprüft werden, ob sie einen Anspruch auf Asyl haben. Ist das nicht der Fall, sollen sie unmittelbar abgeschoben werden. Für Menschen aus Ländern mit einer hohen Anerkennungsquote wie Afghanistan oder Syrien soll das Verfahren nicht gelten. Sie können weiterhin zunächst einreisen und innerhalb der EU auf ihren Asylbescheid warten.

Änderungen gibt es aber auch für die EU-Länder selbst. Wer, wie etwa Ungarn, keine Geflüchteten aufnimmt, soll künftig zu finanziellen Ausgleichszahlungen gezwungen werden. Zudem sehen die Reformpläne vor, dass abgelehnte Asylbewerber*innen künftig auch in Nicht-EU-Länder abgeschoben werden können, sofern sie eine Verbindung zu diesem Land haben. Was diese genau erfüllen muss, liegt im Ermessen des jeweiligen EU-Staates.

Warum ist die Krisenverordnung so umstritten?

Die Krisenverordnung, die die EU-Kommission ins Spiel gebracht hat, sieht u.a. vor, dass bei einem besonders starken Anstieg der Migration der Zeitraum verlängert werden kann, in dem Menschen in Aufnahmeeinrichtungen festgehalten werden können. Außerdem sind Mitgliedsstaaten nach der Krisenverordnung nicht mehr verpflichtet, Asylbewerber*innen zurückzunehmen, für die sie eigentlich zuständig sind, die aber in einen anderen EU-Staat weitergereist sind. In der Bundesregierung hatten deshalb insbesondere die Grünen die Krisenverordnung abgelehnt, weil sie eine generelle Absenkung des Schutzniveaus für Geflüchtete fürchten. Das Europaparlament hatte sich geweigert, seine Position festzulegen, bevor sich die EU-Mitgliedsstaaten geeinigt haben.

Tritt die Asylreform nach der Zustimmung der Mitgliedsstaaten nun direkt in Kraft?

Nein. Die Zustimmung der Mitgliedsstaaten war nur ein weiterer Schritt zur Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems. Die Krisenverordnung geht nun ins sogenannte Trilog-Verfahren mit Europäischer Kommission und Europaparlament. Erst wenn diese beiden EU-Institutionen zustimmen, kann die Reform in Kraft treten. Die SPD-Europaabgeordnete Birgit Sippel hat bereits angekündigt, darauf hinwirken zu wollen, „dass das individuelle Recht auf Asyl tatsächlich für alle Ankommenden gesichert bleibt, dass wir insbesondere die Rechte von Kindern in den Blick nehmen. Das heißt, dass Kinder und Jugendliche, auch Kinder in Familien, nach Möglichkeit nicht in die Asyl-Grenzverfahren kommen.“ Sippel erwartet nun „harte Verhandlungen“ zwischen Kommission, Mitgliedsstaaten und Europaparlament.

Wie werden die Reformpläne bewertet?

Bundeskanzler Olaf Scholz bezeichnete die Einigung auf die Krisenverordnung „gute Nachricht“. Die Asylrefom werde irreguläre Migration in Europa wirksam begrenzen und Staaten wie Deutschland dauerhaft entlasten. „Ein historischer Wendepunkt“, so Scholz auf X, vormals Twitter. Bereits vor dem Treffen der EU-Innenminister*innen in Brüssel in der vergangenen Woche hatte Bundesinnenministerin Nancy Faeser von einem „hervorragend ausgehandelten Kompromiss“ gesprochen. Auch Faeser erhofft sich von der Asylreform einen deutlichen Rückgang der Geflüchteten-Zahlen in Deutschland. Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International befürchten dagegen, dass mit der Reform „die Rechte von Menschen auf der Flucht ausgehebelt“ werden.

Wie geht es nun weiter?

Mit der „Verordnung für Krisensituationen und Situationen höherer Gewalt im Bereich Migration und Asyl“ wie die Krisenverordnung eigentlich heißt, ist der letzten von zehn Rechtstexten, die im Zuge der Asylreform geändert werden müssen, auf dem Weg ins Trilog-Verfahren zwischen Europäischem Parlament, dem Rat der Mitgliedstaaten und der EU-Kommission. Acht Texte sind werden hier bereits verhandelt. Die EU-Institutionen haben sich jedoch darauf verständigt, dass die Reform nur im Paket erfolgen kann. Das heißt: Scheitert eine der Verordnungen, scheitert die gesamte Asylreform. Wegen der im Juni 2024 anstehenden Europawahl drängt zudem die Zeit. Es bleiben also nur noch wenige Monate, um die Reform zu einem Abschluss zu bringen.

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Kommentare

Schande Asylrechtsreform

Plakativ sind auf dem Titelfoto, genauso wie es (alle) Medien machen, Afrikaner abgebildet. Aber das Gross der Asylanten stellen die (priviligierten) Ukrainer::ähm..innen, dicht gefolgt von Menschen aus Afghanistan, Irak und Syrien (länder die vom Wertewesten mit Krieg überzogen wurden).
Merkt ihr nicht, daß ihr mit dem Titelbild rassistische Narrative bedient ?

Narrativ

Dass es sich bei den Geflüchteten aus der Ukraine um "Asylanten" handelt, ist faktisch falsch. Niemand von ihnen beantragt hier Asyl und muss es auch nicht.

Das Foto illustriert, was in Punkt eins des Textes genannt wird: die angespannte Lage in Südeuropa. Teil der Asylreform ist ja eine gerechtere Verteilung von Geflüchteten innerhalb der EU, um die Länder Südeuropas nicht mit der Situation allein zu lassen.

"Rassistische Narrative"

Ich denke, Armin Christs Einwand ist bedenkenswert.

Narrativ II

Wieauchimmer man die Flüchtlinge aus der Ukraine nennen mag, Fakt ist, daß sie gegenüber anderen Flüchtigen aus mit Kriegzerrütteten Ländern, priviligiert sind. Ich möchte mich nicht um Worte streiten, denn in der Öffentlichen Wahrnehmung wird auch kein Unterschied zwischen den einzellnen Flüchtlingsgruppen gemacht. Mir ging es aber auch und besonders um das rassistische Narrativ das die Abbildung schwarzer Menschen bedeutet.

das ist nicht ganz so, wie es hier steht, denn aus der Ukraine

kommen ja nicht nur Ukrainer, sondern auch staatenlose oder Angehörige anderer Staaten, die sich bei Kriegsbeginn in der Ukraine aufgehalten haben, als Student, Ingenieur, Wissenschaftler oder was auch immer.

Europäische Asylreform soll nichts ändern,

denn nach wie vor sollen massenhaft Völkerwanderer - bspw. aus islamisch-orientalischen Staaten - in den Sozialstaaten Europas aufgenommen und gleichmässiger = 'gerechter' verteilt werden, wobei man Staaten wie Ungarn zu finanziellen Strafzahlungen z w i n g e n will. Da wäre es wohl besser, mal löste die EU sofort auf.

Mit verschiedenen 'Migrationspakten' kommt man in einigen europäischen Staaten wohl nur den Forderungen bornierter Kleinbürger [Grüne, Linke, SPD, FDP, CDU, CSU ...], radikalliberaler Globalisierer und Vertretern einiger schwarzafrikanischer, arabischer und westasiatischer Staaten nach, doch jährlich ein bestimmtes Kontingent von Bürgern dieser Staaten in 'Europa' aufzunehmen.

Da können sich von den einheimischen Bürgern diejenigen glücklich schätzen, die jung und gut ausgebildet oder wohlhabend oder älter sind, weil sie ihre Heimatländer schnell verlassen können oder nicht mehr allzu lange leben werden, wie bspw. ich mit meinen 65 Jahren, oder bei weiteren massiven Einschränkungen der Sicherheit und Rationierungen (Wohnung, Strom ...) notfalls ein sozialverträgliches Frühableben planen.

'Wir' werden das nicht schaffen, denn wir haben bereits fertig.

Gut zusammengefasst, wichtige Fragen werden nicht geklaert

Wird ueberhaupt geprueft, ob jemand wirklich politisch verfolgt wird? Angehoeriger einer Oppositionspartei? Gewerkschafter? Odervreicht es bereits aus einem der Elendslaender in Afrika oder Asien zu kommen? Ich denke, so kann man das Asylsystem komplett abschaffen, denn Europa wird sonst in wenigen Jahren ganz rechts regiert werden. Flaschensdammlerrentner - waehlen sicherlich oft AFD - 1000 EUR Rente, 800 - 1000 EUR Miete und Essen vom gesparten - zeitgleich laufen jede Menge im Grunde arbeitsfaehige Leute zur Arbeitszeit in der Innenstadt rum und tun nix. Einwanderung ja, aber nicht unkontrolliert und unqualifiziert - das kollektive Mitleid ist irgendwann aufgebraucht und dann?
Auch, dass automatisch die "Einbuegerungs-Uhr" laeuft, sobald man im Land ist, ist falsch. Es sollte einen definitiv temporaeren Aufenthatsstatus geben u. keine Einbuergerung nach 5 Jahren. Buergerkriege weit weg, warum nach Deutschland? Teile der SPD sehen kein Problem, z.B. Fr, Barley o. Fr. Esken - die naechsten Wahlen insbes. die des EU-Parlaments koennte ueberraschend rechtslastig ausgehen. Die baldigen Landtagswahlen sind schon verloren. Schauen wir doch nach Daenemark, Sozialdemokratie.

Asyl ist nicht Einwanderung

Sie verwechseln das Recht auf Asyl mit der (gezielten) Einwanderung. Bei Asylsuchenden tickt auch keine "Einbürgerungsuhr" wie von Ihnen behauptet.

"Einbuegerungsuhr" - doch doch ...

Wie kommt es dann, dass viele Syrer (Kriegsfluechtlinge! - kein Asyl, das ist eine weitere Kategorie, denke ich) in Berlin die Einbuergerung beantragen? Quelle: War mal im Deutschlandfunk, zum Thema Berlin und seine unterbesetzten Behoerden - Sendungstermin mir nicht erinnerlich, wohl in diesem Fruehjahr. Belehren lasse ich mich gerne vom Gestzestext dazu, Frage: Reicht der Aufenthalt aus welchen Grunden aus, um seine 8 Jahre (sind es jetzt 5?) voll zu bekommen? Und verwechseln tue ich hier gar nichts, lieber Herr Doering - im Gegenteil - das sieht Ihrerseits nach rhetorischem "Abbuegeln" aus - nicht selten in der SPD, wenn es um ideologisch aufgeheizte Fragen geht - das geht bei Wahlen langfristig nach hinten los, wenn der gar nicht so dumme Buerger sich dann mit verstandesbedingtem Grauen von der Partei abwendet.

Staatsbürgerschaft

Ich bügele Sie nicht ab, sondern weise auf einen Fehler hin. Möglicherweise habe ich Ihre Argumentation aber auch falsch verstanden. In dem Fall bitte ich um Entschuldigung. Tatsache ist, dass es keinen Automatismus bei der Einbürgerung gibt, also auch keine "Einbürgerungsuhr" tickt. Wer deutscher Staatsbürger werden möchte, muss all diese Voraussetzungen erfüllen:

unbefristetes Aufenthaltsrecht zum Zeitpunkt der Einbürgerung, eine Blaue Karte EU oder eine befristete Aufenthaltserlaubnis, die ihrem Zweck nach zu einem dauerhaften Aufenthalt führen kann
bestandener Einbürgerungstest
seit acht Jahren gewöhnlicher und rechtmäßiger Aufenthalt in Deutschland (diese Frist kann nach erfolgreichem Besuch eines Integrationskurses auf sieben Jahre verkürzt werden, bei besonderen Integrationsleistungen sogar auf sechs Jahre)
eigenständige Sicherung des Lebensunterhalts (auch für unterhaltsberechtigte Familienangehörige) ohne Sozialhilfe und Arbeitslosengeld II
ausreichende Deutschkenntnisse
keine Verurteilung wegen einer Straftat
Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung

Missverstaendnis

Mit der "Einbuergerungsuhr" meinte ich nicht einen Automatismus zur Einbuergerung, sondern ueberhaupt die Moeglichkeit zur Einbuergerung zu gewaehren. Ich denke das ist ein wesentlicher "Pullfaktor" - die Loesung: ein definitiver temporaer gewaehrten Aufenthalt. Die Buergerkriegsprobleme anderer Weltgegenden moechte ich nicht noch weiter innmeiner Heimat importiert wissen - achten bitte alle mal auf AFD Wahlergebnisse, die hoffentlich dann doch nicht so eintraten, wie in den Umfragen gesehen. In meinem Umfeld - ich bin die Elterngeneration - sagen sehr viele der jetzt 30-40 jaehrigen , dass sie AFD waehlen werden, denn man gehe arbeiten und gleichaltrige "Asylanten" (als unscharfer Pauschalbegriff verwendet) eben nicht. Man sei es Leid, dass die islamische Kultur zunehmend die Mehrheit werden koennte in unserem Lande und dann der originaer Einheimische die Kontrolle ueber die Heimat verliert. So ungefaehr laesst sich das emotionale Bild in etwa darstellen. Weiter so? Sehe ich nicht. Aenderung der Politik? Wenn's die SPD nicht macht, dann macht es die AFD ueber kurz oder lang - die CDU sitzt ja erfahrungsgemaess alles aus.

Vielen Dank...

...für die Klarstellung. Jetzt verstehe ich Ihren Punkt.

wo sind die Frauen und Kinder? Auf dem Foto sind keine, so dass

ich vermute, es handelt sich um eine gestellte Aufnahme? Ist das so? Und wenn, warum macht ihr da?

Die Menschen haben es doch schon schwer genug, da muss man nicht noch nachkarten. Ich halte es für unbedingt erforderlich, dass wir allen Anfeindungen zum trotz daran festhalten, die Menschen aufzunehmen, die zu uns wollen und es über die Außengrenze der EU geschafft haben. Das war bislang richtig, und daran hat sich auch nichts geändert. Dass wir Platz genug haben, ihn nur anständig verwalten müssen, steht außer Frage

vielen Dank für das überarbeitete Titelfoto, so wie es nun

ist, ist es sachlich, und damit der Sache dienlich. Wir brauchen die zu uns kommenden jungen Männer ausnahmslos, egal, welche Hautfarbe sie haben, wie sie beten und woher sie kommen

Zu Armin Christ's Argumentation

Die Argumentation von Armin Christ will die diversen Problematiken der neuen Europäischen Asylreform (Reform???) aufzeigen. Zu diesem Komplex darf verweisen werden auf:

https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/9362

"Schlauer Trick ???"

Nun hat der vorwärts das Titelfoto ausgetauscht: Statt einer Gruppe afrikanischer Männer sehen wir ein EU-Emblem. Damit läuft ja meien Kritik an der Verwendung rassistischer Narrative durch den vorwärts ins Leere. Ihr solltet Euch ob so einer Mogelei mal aufs Nachdenken verlegen. Also ich persönlich finde mich dadurch als jemanden dargestellt die unberechtigte Kritik übt und das entspricht eben nicht der Wahrheit.

Kein Trick

Das Foto haben wir ausgetauscht, weil wir auch den Text nach dem Beschluss des Europäischen Rates in dieser Woche aktualisiert haben. Mit der geäußerten Kritik, die wir zur Kenntnis genommen haben, hatte das nichts zu tun.

Statement von Papst Franziskus

Die Aussagen von Papst Franziskus müssen Jeder und Jedem zu denken geben !!!