Demonstration

Ein Europa für alle: 150.000 Menschen gehen gegen Nationalismus auf die Straße

Jonas Jordan19. Mai 2019
In Hamburg demonstrieren etwa 15.000 Menschen für Europa und gegen Nationalismus.
In Hamburg demonstrieren etwa 15.000 Menschen für Europa und gegen Nationalismus.
Eine Woche vor der Europawahl sind in sieben deutschen Städten etwa 150.000 Menschen unter dem Motto „Ein Europa für alle“ gegen Nationalismus auf die Straße gegangen. Einen Tag nach dem Ende der rechtsextremen Regierungsbeteiligung in Österreich war die Stimmung unter den Demonstranten sichtbar gut.

In Berlin ist der Demonstrationszug mit etwa 25.000 Teilnehmern gerade auf dem Weg vom Potsdamer Platz in Richtung Brandenburger Tor. Eine Passantin, Ende 20, wird auf den Protest aufmerksam. Sie sagt zu ihrem Freund: „Nationalismus ist doch nichts Schlimmes, oder? Es ist doch gut, wenn man sich auf seine Identität und seine Wurzeln besinnt.“ Es ist nur eine Szene am Rande, aber passend dazu rufen hunderte Demonstranten: „Nationalismus raus aus den Köpfen!“

Es ist ein bunter Protestmarsch, der am Sonntagnachmittag vom Alexanderplatz zur Siegessäule quer durch die Hauptstadt führt. An der Spitze laufen unter anderem die SPD-Europawahlkandidatin Gaby Bischoff und die Berliner Staatssekretärin Sawsan Chebli. „Wann, wenn nicht jetzt, sollen wir für ein friedliches und freies Europa aufstehen, um klarzumachen, dass Nazis hier keinen Platz haben? Wir müssen Europa schützen und verteidigen gegen die, die alles kaputt machen wollen, wofür dieser Kontinent steht“, sagt Chebli im Gespräch mit dem „vorwärts“.

Nahles, Barley und Bullmann in Köln

Insgesamt sind an diesem Sonntagnachmittag etwa 150.000 Menschen in sieben deutschen Städten auf der Straße. Ähnlich viele Teilnehmer wie in Berlin sind auch bei der Demonstration in Köln unterwegs. Dort ist die SPD mit der Partei- und Fraktionsvorsitzenden Andrea Nahles und dem Spitzenduo für die Europawahl Katarina Barley und Udo Bullmann prominent vertreten. Die Partei hat den Aufruf zur Demonstration unterstützt. Organisiert hatte die Proteste ein breites Bündnis zivilgesellschaftlicher Organisationen wie die Naturfreunde, Pro Asyl oder attac.

„Wir stehen für ein soziales, offenes und vielfältiges Europa, das für alle Menschen da ist“, schreibt Katarina Barley auf Twitter. Dazu hat sie ein Bild veröffentlicht, auf dem sie lässig in Jeans über eine Rheinbrücke läuft, neben ihr Andrea Nahles im Europa-Hoodie. Die Parteivorsitzende der SPD schreibt in einem Beitrag: „Ein Europa für alle ist kein Europa der Nationalstaaten, in dem jeder gegen jeden kämpft. Das hatten wir schon, das Ergebnis ist bekannt. Ein Europa für alle ist ein soziales Europa, das zusammenhält. Gerade gegen Rechts. Dafür demonstrieren wir heute, dafür stehen wir bei der Wahl.“

Klingbeil: „Wir sind laut und wir sind mehr“

Generalsekretär Lars Klingbeil ist derweil bei strahlendem Sonnenschein mit 15.000 proeuropäisch eingestellten Menschen auf dem Hamburger Rathausplatz. Er kommentiert seine Teilnahme an der Demonstration folgendermaßen: „Wir sind viele, wir sind laut und wir sind mehr. Tausende Menschen demonstrieren heute für ein Europa für alle. Die Hetzer wollen unser Europa kaputtmachen, die Konservativen schauen zu. Wir stehen dagegen auf!“

In Berlin erreicht der Demonstrationszug gegen 15 Uhr die Siegessäule. Mitorganisator Christoph Bautz ruft begeistert: „Solch ein Bild steht gerade 50 Mal in Europa. Das ist die europäische Zivilgesellschaft, wie sie lebt. Dem Nationalismus gehört die Vergangenheit, Europa die Zukunft.“ Günther Burkhardt, Geschäftsführer von Pro Asyl, mahnt dagegen: „Hunderttausende Menschen wiegen sich in Sicherheit, aber das Fundament Europas wackelt. Die Gefahr kommt auch aus der Mitte der Gesellschaft.“ Sein Appell kommt zur rechten Zeit. Denn am 26. Mai ist bekanntlich Europawahl.

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Kommentare

"Die Gefahr kommt auch aus der Mitte der Gesellschaft.“

Seltsam

Bisher war doch die bis jetzt verbreitete Meinung in der SPD :

"Wahlen werden in der Mitte gewonnen"

und plötzlich ist diese (bisher als homogen angesehene) Mitte gefährlich ?

wer soll denn nun zukünftig die SPD wählen ?

die "Linken" nicht - weil sie popolistisch sind
die "Mitte" nicht - die ist jetzt gefährlich
die "Rechten" sowieso nicht - weil die Nazis sind

Viele Optionen verbleiben da nicht - oder ?

Mitte der Gesellschaft

Kleiner Tipp: Einfach mal im Artikel nachschauen, wer der Urheber der von Ihnen zitierten Aussage ist.

"Kleiner Tipp" - Urheber der von Ihnen zitierten Aussage

Entschuldigung lieber Jonas Jordan

aber

Betrifft die Mahnung von Burkhardt :

„Hunderttausende Menschen wiegen sich in Sicherheit, aber das Fundament Europas wackelt. Die Gefahr kommt auch aus der Mitte der Gesellschaft.“

also nicht die SPD, die sich bisher genau von dieser "Mitte" wählen lassen wollte ?
Und, distanziert sich die SPD von dieser Mahnung - oder warum sonst wäre der Urheber der Erkenntnis wichtig ?
Meinen Sie nicht, dass sich die SPD nun endlich mal Gedanken um ihr Ziel-Klientel machen sollte ?

Günther Burkhardt ist

Günther Burkhardt ist Geschäftsführer von Pro Asyl, einer der Organisationen, welche die deutschlandweiten Demonstrationen gestern organisiert beziehungsweise die dazu aufgerufen haben. Ich denke, das beantwortet Ihre Frage. Wie die SPD zu Burkhards Äußerung steht, kann ich Ihnen nicht sagen.

"Die Gefahr kommt auch aus der Mitte der Gesellschaft.“

AUCH hier sollte gelten: erst lesen, dann nachdenken und dann schreiben. Sie haben einfach das Wort "auch" überlesen. Die Gefahr kommt AUCH aus der Mitte der Gesellschaft. Leider ist das so wahr wie Ihr Versuch immer aus allem irgendwas gegen die SPD heraus zu destillieren, die Sie ganz sicher nicht wählen.

...gegen die SPD heraus zu destillieren...

Herr Frey, ist überhaupt irgend jemand außer Ihnen moralisch, politisch, gesellschaftspolitisch dazu geeignet SPD
wählen zu dürfen?! Wobei ich unter SPD ausschließlich Sozialdemokratie verstehen möchte, die sich als
Demokratischer Sozialismus versteht. Zur Terminologie kann da helfen:
"Kleine Geschichte der SPD - Darstellung und Dokumentation 1848 - 1980", von Susanne Miller/Heinrich Potthoff,
Verlag Neue Gesellschaft GmbH, 4. Auflage 1981.

aus Parteisicht

droht derzeit aus allen Richtungen Gefahr, das ist ja unser Dilemma