Ein Jahr SPD-Vorsitzende

Esken und Walter-Borjans: „Wir gehen gestärkt in das Wahljahr 2021.“

Karin Nink01. Dezember 2020
SPD-Vorsitzende Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans (auf dem Bundesparteitag 2019): „Wir haben einiges erreicht.“
SPD-Vorsitzende Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans (auf dem Bundesparteitag 2019): „Wir haben einiges erreicht.“
Vor einem Jahr entschieden Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans das Mitgliedervotum um den SPD-Vorsitz für sich. Im Interview ziehen sie eine positive Zwischenbilanz – und blicken optimistisch auf das kommende Jahr.

Vor einem Jahr wurden Sie zu Parteivorsitzenden gewählt, mit einer Wahl, die nicht zwingend vorhersehbar war. Was ist die Bilanz?

Saskia Esken: Wir haben ein außergewöhnliches erstes Jahr als Parteivorsitzende erlebt. 2020 war durch die Corona-­Krise sicherlich kein Jahr wie jedes andere. Wir haben einiges erreicht. Viele Beobachter haben in der Wahl um den Parteivorsitz mit 23 Regionalkonferenzen und einer Stichwahl eine Selbst­beschäftigung sehen wollen. Das Gegenteil war der Fall. Bei den Konferenzen haben uns viele ­Besucherinnen und Besucher gefragt: Das ganze Bewerberfeld ist so toll und die SPD so breit aufgestellt, warum macht ihr das nicht alle gemeinsam? Die Zusammenarbeit innerhalb der Partei, aber auch mit der Bundestagsfraktion und den SPD-Kabinettsmitgliedern läuft überaus ­konstruktiv und vertrauensvoll. Wir gehen gestärkt, gut vorbereitet und voller Optimismus in das Wahljahr 2021.

Was ließ sich in dieser Zeit umsetzen? Was blieb ein wenig auf der Strecke?

Norbert Walter-Borjans: Wir haben in dieser außergewöhnlichen Zeit der ­Corona-Pandemie vor allem gezeigt, dass die SPD in Krisenzeiten eine verlässliche Regierungspartei ist, die das große Ganze und die Lebenswirklichkeiten der Einzelnen im Blick behält. Das lässt sich ganz besonders an der sozialdemokratischen Handschrift des Corona-Konjunktur-Pakets ablesen. Sozialdemokratische Gesellschaftsentwürfe und Konzepte haben ein Zustimmungspotenzial um die 30 Prozent und darüber hinaus. Das sagen nicht nur wir, das bestätigen Umfragen sehr stabil. Wir sind überzeugt: Aus diesem Potenzial werden durch immer wiederkehrend überzeugende Politik auch wieder Wählerstimmen. Aber das ist kein Sprint, das ist zumindest Mittelstrecke.

Empfinden Sie es als Defizit, mehr ­digitalen als persönlichen Kontakt zu den Mitgliedern zu haben?

Saskia Esken: Kontakt halten wir derzeit ganz überwiegend online. Wir haben regelmäßige Konferenzen mit den Gliederungen und unseren Mitgliedern und erhalten viel spannendes, engagiertes und überwiegend positives Feedback. Der digitale Austausch ist für uns absolut bereichernd. Wir haben so auch die Chance, diejenigen zu erreichen, für die eine Teilnahme an den Veranstaltungen unter normalen Umständen gar nicht möglich gewesen wäre. Und doch kommen die digitalen Formate an die Qualität einer persönlichen Begegnung nicht heran. Insofern wünschen wir uns alle bald wieder auch mehr persönlichen Kontakt und direkte Gespräche mit den Mitgliedern.

Das große Ziel für 2021 ist eine erfolgreiche Bundestagswahl. Was sind die Voraussetzungen dafür? Welche zusätzlichen Pläne und Vorhaben gibt es?

Norbert Walter-Borjans: Die erste wichtige ­Voraussetzung ist bereits erfüllt. Wir haben mit Olaf Scholz einen erfahrenen, kompetenten und angesehenen Kanzlerkandidaten mit sozialdemokratischer Vision, der die SPD in den Wahlkampf führen wird. Die nächste Aufgabe ist die Erstellung unseres Wahlprogramms. Dazu läuft gerade unser Programmprozess, an dem sich jedes Mitglied beteiligen kann.

Was gehört unbedingt in das ­Regierungsprogramm?

Norbert Walter-Borjans: Corona hat uns gezeigt, dass die GroKo funktioniert, wenn es um Krisenbewältigung geht. Die SPD denkt aber weiter und will das Leben der Menschen nachhaltig verbessern. Hier werden die Unterschiede und Grenzen zu CDU und CSU immer deutlicher. Einen Abbau des Sozialstaats etwa, als Folge der wirtschaftlichen Kosten der Corona-­Pandemie, wird es mit der SPD nicht ­geben. Einen Verzicht auf Investitionen in die Zukunft ebenso wenig.

Saskia Esken: Wir haben in den letzten Monaten in vielen Bereichen Defizite erkannt, die durch Corona noch sichtbarer wurden: bei der Digitalisierung, in der Gesundheitsinfrastruktur, der Bezahlung systemrelevanter Berufe, aber auch bei Antidiskriminierung und der Gleichstellung der Geschlechter ebenso wie bei der demokratischen Gestaltung von Innovation, um nur einige Beispiele zu nennen. Und über allem steht eine zukunftsgerechte Klimapolitik. Dazu braucht es progressive Mehrheiten und eine starke SPD.

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Kommentare

Dramatisch schlechte Lage nicht schön reden

Ausgehend von den Umfragen in Bund und Ländern geht die Partei nicht gestärkt ins "Superwahljahr", sondern tritt lediglich auf der Stelle. Die Gefahr von bitteren Niederlagen droht, und ich kann kein kraftvolles Gegensteuern erkennen.

Die Wahlen werden vor dem Hintergrund von Wirtschaft und Gesellschaft in der schlimmsten Krise seit den 1920ern stattfinden. Ich habe nicht den Eindruck, dass die Politik darauf nervlich und mental vorbereitet ist. Die Stimmung im Land ist wesentlich schlechter, als die Politik sehen will.

Der Wiederaufbau der Partei müsste eigentlich über Länder und Kommunen erfolgen, nicht den Bund. Aber die Kommunalwahlen in NRW waren eine Niederlage, trotz der Versuche, die Ergebnisse umzudeuten. Solange die Partei in Baden-Württemberg, Bayern und Mitteldeutschland im 10%-Keller steckt, ist kein wirklich gutes Ergebnis auf Bundesebene zu schaffen. Die Verantwortung dafür liegt aber tatsächlich bei den jeweiligen Landesverbänden, nicht der Bundesspitze.

Dramatisch schlechte Lage nicht schön reden

Problem ist immer, dass der SPD eher negative Entscheidungen angelastet werden als anderen Parteien; u.a. weil deren Mitglieder und Wähler kritischer sind als beispielsweise die der konservativen Parteien. Adenauer sagte z.B.: "Für die Bauern brauchen wir nichts zu tun, die wählen uns sowieso."

So werden viele Entscheidungen der Groko, die die SPD mitgetragen hat, angelastet, nicht allein die Kriegspolitik von AKK, sondern auch die mangelnde Durchsetzung eigener Ziele wie in der Steuerpolitik etc.

Einfach mal n Snickers......

Gestärkt ? Ich frage mich allen Ernstes wie man auf so eine merkwürdige idee kommen kann.

Hat die SPD etwa doch einen kanzlerkandidaten gekürt der kein Merz mit roter Krawatte ist ? Fällt sie ausnahmsweise mal positiv dadurch auf, das sie sich fragwürdigen Wünschen der CDU hart entgegenstellt ? Hat sie etwa nachvollziehbare und durchdachte Konzepte für die Zeit "nach Corona" und den Rückbau der neoliberalen Abrissbirnenpolitik ?

Woran genau macht man nun diese ominöse "Stärkung" fest ? Alle mal nen Snickers gefuttert ?
Wählerzuspruch kanns nicht sein, so spricht die fragwürdige Weisheit der Umfragen.

Dieser Beitrag enthält bis zu 68% Natursarkasmus aus Sarksmuskonzentrat sowie 14% Kopfschüttelschleudertrauma und 5% Fassungslosigkeit.

ich verstehe diese Kritik nicht, denn

es ist doch sehr gut möglich, dass die Schwäche der Partei jenseits der veröffentlichten Umfrageergebnisse noch gravierender war, als von uns angenommen. Vielleicht gibt es ja Faktoren, die nur der Parteiführung bekannt sind, und bei denen eine Besserung zu verzeichnen ist,, die dann natürlich auch nur dort messbar ist.

Also glauben wir mal, was uns da aufgetischt wird- und dazu gesellt sich dann die Hoffnung, die ja bekanntlich zuletzt stirbt.

Aber welche der vielen Schwächen denn nun ?

Das kann natürlich möglich sein aber eine vorgebliche Stärkung kann nur glaubhaft vermittelt werden wenn man benennt, welche Schwäche überwunden wurde.

Pfeifen im Wald

Also die gute Aufstellung der SPD für das nächsate Wahljahr sehe ich nicht, aber vielleicht liegen dem Parteivorstand ja andere Wahlprognosen vor als mir zugänglich sind. Die SPD hat seit 1998 mehr als die Hälfte ihrer Wähler verloren weil sie ihr Wahlprogramm ins Gegenteil verkehrt hat und Kriegs- und Agendapolitik gemacht hat, was diese Wähler zutiefst enttäuscht. Die regierungsbeteilugungsLINKEN konnten diese Potential nicht auffangen und haben somit zusammen mit der SPD die Verantwortung für das Aufkommen der afd. Eine Abkehr von der seither betriebenen antisozialdemokratischen Politik sehe ich leider nicht, auch wenn Saskia und Norbert als Linke gelten, so können sie sich anscheinend nicht gegen den Apparat im WB-Haus durchsetzen - bedauerlich. Wenn die SPD wieder auf die Beine kommen will, dann muss siean die frühere Programmatik anknüpfen und glaubwürdiges Personal für eine neue Friedens- und Sozialpolitik bieten.