Best-Practice-Workshop

Erfolgreiche Bundestagswahlkämpfe: SPD will von den Besten lernen

Jonas Jordan27. Februar 2019
Der hessische Bundestagsabgeordnete Michael Roth während eines Best-Practice-Workshops im Willy-Brandt-Haus
Der hessische Bundestagsabgeordnete Michael Roth während eines Best-Practice-Workshops im Willy-Brandt-Haus.
Welche Strategien für einen erfolgreichen Wahlkampf gibt es? Was sind positive Beispiele, an denen sich neue Kandidierende für den Bundestag orientieren können? Damit beschäftigten sich Bundestagsabgeordnete und Mitarbeiter in einem „Best-practice-Workshop“ im Willy-Brandt-Haus.

„Hier sitzen sehr erfolgreiche Menschen. Unser Ziel heute ist: Wir wollen voneinander lernen“, sagte SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil zu Beginn eines „Best-Practice-Workshops“ im Willy-Brandt-Haus. Etwa 25 SPD-Bundestagsabgeordnete und ihre WahlkampfleiterInnen diskutierten über erfolgreiche Strategien, die künftigen Kandidierenden als Leitfaden dienen sollen. Lars Klingbeil, der den Termin als „einen der wichtigsten im Erneuerungsprozess“ bezeichnete, sagte: „Es geht darum, gemeinsam besser zu werden. Eine neue Zeit braucht auch eine neue Art, Politik zu machen.“

Auf die Inhalte kommt es an

Während die Bundestagsabgeordneten neben Konstanz und Authentizität auch Heimat und Bürgernähe als Faktoren für einen erfolgreichen Wahlkampf nannten, gab Heiko Giebler vom Wissenschaftszentrum Berlin (WZB) eine Einschätzung aus wissenschaftlichter Perspektive. Er referierte die Ergebnisse der German Longitudinal Election Study (GLES), einer Langzeitwahlbeobachtungsstudie. Als erfolgreichen Wahlkampf bezeichnete Giebler ein Erststimmenergebnis der jeweiligen Kandidatinnen und Kandidaten, das über dem Landesdurchschnitt der Erststimmen liege.

Erfolgreiche Kandidierende haben demnach ein um fast 50 Prozent höheres Budget zur Verfügung sowie ein deutlich größeres Wahlkampfteam, was sich insbesondere durch mehr freiwillige Helfer bemerkbar macht. Keinen bemerkbaren Unterschied machte die Auswahl der verwendeten Wahlkampfinstrumente. Entscheidender sei, dass die eingesetzten Mittel auch zum Kandidaten passten. Besonders erfolgreich waren zudem SPD-Kandidaten, die sich selbst hinsichtlich ihrer politischen Einstellung als moderat links eingestuft haben. Giebler kam zu dem Schluss: „Viel hilft viel, aber die inhaltliche Ausrichtung muss stimmen.“

Schulterschluss mit Gewerkschaften

Kritik kam aus den Reihen der Teilnehmenden an der Methodik der Studie und der zugrunde liegenden Definition eines erfolgreichen Wahlkampfs. So merkte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Sören Bartol an, dass der Unterschied zwischen Erst- und Zweitstimme innerhalb des Wahlkreises für ihn entscheidender sei. Die Bundestagsabgeordneten Johann Saathoff und Falko Mohrs argumentierten, die SPD müsse stärker den Schulterschluss mit befreundeten Organisationen wie Gewerkschaften suchen, um erfolgreich sein zu können.

In einer folgenden Arbeitsgruppenphase erarbeiteten Abgeordnete und Mitarbeitende zentrale Erkenntnisse für einen erfolgreichen Wahlkampf. Demnach lagen die zeitlichen Ressourcen im Schnitt bei etwa 70 Stunden pro Woche. Zudem müsse eine Imagebildung, einhergend mit einer Stärken- und Schwächen-Analyse, zu Beginn jeder Kampagne stehen. Wichtig sei auch ein enger Bürgerkontakt. Kandidierende sollten „überall hingehen, wo es weh tut“. Auch für Migrantengruppen solle die SPD attraktiv sein.

Lokale Ausrichtung für starken Wahlkampf

Europa-Staatsminister Michael Roth warb vor allem darum, den Kandidierenden vor Ort mehr Freiräume für individuelle Kampagnen zu geben. „Am Ende sind es eben doch die Typen, die die Partei mit nach oben ziehen“, sagte der Nordhesse. Entsprechend stellte Generalsekretär Lars Klingbeil in Aussicht, künftig ein Coaching für neue Kandidierende anzubieten, um deren Stärken und dazu passende Instrumente herauszuarbeiten.

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Kommentare

Von den Besten lernen

Wichtig erscheint mir, dass man als Volkspartei auf die Mitte der Gesellschaft blicken muss. Mit dem überwiegende Herausstellen von Minderheitenthemen, signalisieren wir gelegentlich der „arbeitenden Mitte“ der Gesellschaft, dass wir die dort versammelten Menschen nicht mehr als Adressaten unserer Politik sehen. Wenn wir Familie überwiegend im Kontext „Ehe für alle“ thematisieren, dann ist der in herkömmlicher Familie lebende Bürger verunsichert. Gibt es für die herkömmliche Familie keine Fragen der Gerechtigkeit mehr?
Wenn wir Mobilität überwiegend unter den Stichworten Fahrrad und ÖPNV thematisieren, dann fragt sich der autofahrende Bürger, ob er nur noch als Relikt einer vergangenen Epoche gesehen wird?
Wenn wir Wohnen auf den unverzichtbaren sozialen Wohnungsbau beschränken, dann erkennt sich der Facharbeiter oder Angestellte im Reihenhaus nicht mehr als Zielgruppe der Sozialdemokratie.

Erfolgreiche Bundestagswahlkämpfe

Albrecht Müller, früher Mitarbeiter im Kanzleramt und Bundestagsabgeordneter hatte 1972 den erfolgreichsten Wahlkampf der SPD in der Nachkriegszeit als Wahlkampfmanager für Willy Brandt geführt.

Nach dem Wechsel einiger Abgeordneter von der SPD und der FDP zur Union hatte die Koalition bekanntlich ihre Mehrheit verloren und Willy Brandt musste die Vertrauensfrage stellen, um Neuwahlen zu ermöglichen. Zu diesem Zeitpunkt hätte niemand an einen Wahlsieg der SPD geglaubt. Dennoch hat die SPD damals mit einer glaubwürdigen Politik, insbesondere auch den Ostverträgen eine Basis für diesen Wahlsieg geschaffen.

Dies wäre auch heute möglich, wenn sich die SPD endlich gegenüber der Union in der Regierung und im Bundestag emnazipieren würde anstatt der rüstungswütigen, flüchtlingsfeindlichen und neoliberalen Politik einiger Regierungsmitglieder der Union zu folgen

Grobe Fehler

Marketing ist im Parteienwettstreit sicher wichtig, Vertrauen aber die weitaus wichtigere und nachhaltigere Ressource !!!
Und genau dieses Vertrauen wurde in den letzten Jahrzehnten massiv verspielt.
Zu glauben ein derartiges Defizit sei mit Marketing- und dafür ausgerichteten Beratungsmassnahmen auszugleichen, kann zum gegenteiligen Effekt führen wenn die Inhalte nicht zum Programm passen. Auch die aktuellen Bezeichnungen für eher halbherzige Verbesserungen (Gute-Kita-Gesetz etc.) wirken daher zu dick aufgetragen und aufgesetzt. Viel Parteigeld für schlechte Beratung !? Wenn die Partei über Jahrzehnte grobe Fehler macht, näher bei den Großkonzernen ist, als bei den Bürgern, wichtige politische Problemfelder wie Mangel an ökologischer Nachhaltigkeit und Mangel an sozialer Gerechtigkeit schlichtweg ausgeklammert werden und alleine den zum. tlw. aus der SPD hervorgegangenen Parteien Grüne und LInke überlassen werden, nutzt die beste Beratung nichts ! Erst recht nicht, wenn se dann noch so schlecht ist wie wie wir es seit Jahren erleben !!!

Taten statt Sprüche

Schon in der Bibel steht: An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen.
Mit Marketing, "besserer Kommunikation", Wahlkampfberatern.....macht man keine bessere Politik. Wenn die SPD es zustand bringen würde, die ideellen und materiellen Lebensumstände der Menschen zu verbessern, den Frieden zu sichern, die Umwelt zu schützen......... dann könnte es mit dieser Partei vorwärts gehen. Aber schon vor mehr als 100 Jahren weigerte sich der PV um den nunmehrigen Säulenheiligen Ebert das Parteiprogramm umzusetzen.