
Es gibt immer wieder Versuche, die Lohnlücke zwischen Männern und Frauen kleinzureden und kleinzurechnen. Daran ist leider auch das Statistische Bundesamt beteiligt. Bei der jährlichen Bekanntgabe der Lohnlücke unterscheidet es zwischen der „bereinigten“ und der „unbereinigten“ Lohnlücke. Die unbereinigte Lohnlücke enthält alle Löhne, die in die Ermittlung einfließen. Die sogenannte bereinigte Lohnlücke misst hingegen die Verdienstlücke von Frauen und Männern mit vergleichbaren Qualifikationen, Tätigkeiten und Erwerbsbiografien.
Worum es bei der Lohnlücke geht
Die Unterscheidung zwischen bereinigter und unbereinigter Lohnlücke ist jedoch irreführend! Diese Bezeichnungen verharmlosen das Ausmaß der tatsächlichen Lohnlücke, indem sie suggerieren, dass von der „unbereinigten“ Lohnlücke noch etwas abgezogen wird und sie deswegen weniger schlimm wäre. Tatsächlich müssen wir aber von der gesamten (=unbereinigten) und der „nicht-erklärbaren“ (=bereinigten) Lohnlücke sprechen. Etwas als nicht existent zu definieren, nur weil es erklärbar ist, führt in die Irre!
Ja: Frauen arbeiten häufiger im Niedriglohnsektor und sind häufiger in kleinen Betrieben ohne Tarifbindung beschäftigt. Sie sind oft in Teilzeit erwerbstätig und arbeiten seltener in Führungspositionen. Sogenannte Frauenberufe werden in der Regel schlechter bezahlt und Frauen leisten den größten Teil der unbezahlten Familienarbeit. Aber haben die Frauen sich das ausgesucht? Und kann man einfach eine tatsächlich vorhandene Lohnlücke kleinrechnen? Ich meine Nein! Denn sonst werden die strukturellen Benachteiligungen nie beseitigt. Und was erklärbar ist, ist noch lange nicht gerechtfertigt.
Was gegen ungleiche Bezahlung hilft
Wir müssen die ganze Lohnlücke beseitigen und nicht nur die unerklärbaren sieben Prozent. Eine stärkere Tarifbindung, die Beseitigung der Diskriminierung von Teilzeitbeschäftigten, das Rückkehrrecht zur alten Arbeitszeit nach Teilzeitbeschäftigung, mehr Frauen in MINT-Berufe, bessere Aufstiegschancen für Frauen, familienfreundliche Arbeitszeiten und einen Rechtsanspruch auf Ganztagesbetreuung für Kinder bis mindestens zum zehnten Lebensjahr sowie gleicher Lohn nicht nur für gleiche, sondern auch für gleichwertige Arbeit sind hier die Stichworte.
Einiges ist bereits auf dem Weg, anderes muss noch kommen. Aber auch Tarifverträge sind nicht immer frei von Diskriminierung. Alle Gewerkschaften sollten dem Beispiel der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) folgen und ihre Tarifverträge überprüfen.
Ein erster Schritt zur Entgeltgleichheit
Wir brauchen aber auch mehr Transparenz, verbindliche Verfahren zur Überprüfung der betrieblichen Gehaltsstrukturen und vor allem kollektive Verfahren zur Herstellung der Entgeltgleichheit. Mit dem Gesetzt zur Förderung der Transparenz von Entgeltstrukturen ist ein erster wichtiger Schritt gemacht. Dem müssen in der nächsten Wahlperiode weitere folgen.
Immer wenn es um Verbesserungen für Frauen und mehr Gleichstellung geht, sind Union und Wirtschaft sich einig: blockieren solange es geht und wenn kein Argument mehr hilft, die Bürokratiekeule aus der Tasche holen. Frauen kommt das teuer zu stehen: Über einen gesamten Erwerbsverlauf addieren sich zehntausende Euro und münden in einer Rentenlücke von über 50 Prozent. Das können sich Frauen nicht länger leisten. Und ihre Männer auch nicht.
Gleicher Lohn für gleiche und gleichwertige Arbeit – das ist deshalb das Gebot der Zeit!