Gastbeitrag von Maria Noichl

Zum Equal Care Day: „Frauen, lasst euch nicht bestehlen!“

Maria Noichl01. März 2022
„Frauen, lasst euch nicht bestehlen!“, fordert die SPD-Europaabgeordnete und ASF-Vorsitzende Maria Noichl zum Equal Care Day.
„Frauen, lasst euch nicht bestehlen!“, fordert die SPD-Europaabgeordnete und ASF-Vorsitzende Maria Noichl zum Equal Care Day.
Der Equal Care Day macht auf die mangelnde Wertschätzung und unfaire Verteilung von Fürsorgearbeit aufmerksam. Die Europaabgeordnete und Co-Vorsitzende der ASF Maria Noichl erklärt, welche Unterschiede sich dabei innerhalb Europas auftun.

Rund um den Equal Care Day wird verstärkt über die gerechte Aufteilung von Kehr- und Care-Arbeit zwischen Frauen und Männer gesprochen. Steckt in Wirklichkeit dahinter nicht eine berechtigte Debatte über das Thema Zeit?

Um gleichstellungspolitische Tendenzen in Europa nicht subjektiv mit dem „Bauch“ zu bewerten oder spüren zu müssen, hat die Europäische Union eine eigene „Gender-Datenagentur“ (EIGE) gegründet, die in Vilnius (Litauen) beheimatet ist. Hinter EIGE (Europäisches Institut für Gleichstellungsfragen) verbirgt sich ein emsiges Team, das nicht müde wird, Fakten, Daten und Hintergründe über zahlreiche Fragen der Geschlechter-Gleichstellung zu sammeln und zu veröffentlichen. Unter der Rubrik „Gleichstellungsindex“ sind u.a. Bewertungen zum Thema Zeitaufteilung zwischen Frauen und Männern in der EU zu finden.

Schweden und die Niederlande als Vorbild

Das Messen von Zeitanteilen offenbart die gravierenden geschlechtsspezifischen Ungleichheiten bei der Verteilung von Zeit bei Frauen und Männern, die jeweils für Pflege- und Hausarbeit aufgewendet wird. Dazu zählen auch alle Betreuungsaktivitäten. Hier werden geschlechtsspezifische Unterschiede bei der Beteiligung von Frauen und Männern an der Betreuung und Erziehung ihrer Kinder oder Enkelkinder, älterer und behinderter Menschen sowie an der Beteiligung am Kochen und an der Hausarbeit gemessen.

Im Bereich „Zeit“ liegt der Gerechtigkeitsindex für die EU laut EIGE bei 65,7 Punkten von möglichen 100, mit einem leichten Rückgang um einen 1 Punkt seit 2005, was auf die zunehmende Ungleichheit zwischen den Geschlechtern bei der für soziale Aktivitäten aufgewendeten Zeit zurückzuführen ist. Deutschland liegt bei 65,0 Punkten und damit leicht hinter dem europäischen Durchschnitt, Schweden bei 90,1 und damit fast am Ziel. Schweden, die Niederlande und Dänemark erreichen die höchsten Werte, während die Slowakei, Griechenland und Bulgarien den größten Spielraum nach oben haben.

Frauen beteiligen sich weniger an Freizeitaktivitäten

Darüber hinaus ist es interessant, die geschlechtsspezifischen Unterschiede in Bezug auf das Engagement von Frauen und Männern bei sportlichen, kulturellen oder anderen Freizeitaktivitäten außerhalb des eigenen Heims sowie bei freiwilligen und gemeinnützigen Aktivitäten zu messen und offenzulegen.

In den meisten Ländern ist die Beteiligung an freiwilligen oder karitativen Aktivitäten außerhalb des eigenen Heims sowohl bei Frauen als auch bei Männern zurückgegangen. In allen EU-Ländern, mit Ausnahme von Dänemark und Österreich, beteiligen sich weniger Frauen als Männer an sportlichen, kulturellen und anderen Freizeitaktivitäten außerhalb des Hauses.

Welches Fazit ziehe ich als Europaabgeordnete und ASF-Bundesvorsitzende aus diesen Fakten?

Mein Fazit speziell für Männer:

Der Equal Care Day heißt für mich frei übersetzt: der „Zeit-Stehl-Tag“. Täglich stehlen Männer ihren Frauen Zeit, indem sie sich nicht, oder zu wenig, an Hausarbeit, Kinderbetreuung und Seniorenbetreuung beteiligen und damit die Augen verschließen, dass dadurch Frauen der Doppelbelastung ausgeliefert sind und oft gänzlich auf Freizeit verzichten müssen. Sie tun dies naiv, fahrlässig oder mit Absicht. So oder so – es ist Diebstahl.

Mein Fazit speziell für Frauen:

Macht es wie die Schwedinnen: Lasst Euch nicht bestehlen!

Mein Fazit speziell für uns als SPD:

Diese Baustelle ist unsere.

weiterführender Artikel

Kommentare

Frankreich vergessen

Das Ganztagsschulkonzept in Frankreich bzw. die staatlich unterstützten Freizeitbetreuungen werden hier irgendwie komplett ausgeklammert.

Das ist jetzt nicht wirklich neu, gibts da schon seit Jahrzehnten. Auch die Tagesbetreuer/Innen sind dort der Normalfall. Und auch eine Familienministerin die klar sagt (frei übersetzt) "ich liebe meine Kinder aber ich kann sie nicht den ganzen Tag ertragen" steht in Frankreich nicht alleine da.

Statt mit plakativen Behauptungen wie "Zeit stehlen" irgendwelche komischen Bilder erzeugen zu wollen wäre es wohl besser, Beziehungen darauf aufzubauen das sich die Partner nach ihren Möglichkeiten und Talenten ergänzen und unterstützen.

Vielleicht wäre es auch sinnvoll, vor dem Verfassen derartiger Artikel in die Realität einzutauchen und mit tatsächlich betroffenen Menschen zu reden, wie die mit immer größeren politisch gewollten Belastungen umgehen.

Da könnten andere Erkenntnisse erwachsen als die immer gleichen aus "repräsentativen Stichproben" basierten Statistiken erzeugen.
Und vielleicht würde man sich mal darüber Gedanken machen ob das Schließen von Bibliotheken, Jugendtreffs und anderen "reinen Kostenstellen" wirklich Sinn macht.