Existenzgefährdende Solarkürzungen

Energiewende rückwärts?

Dietrich Jörn Weder24. Februar 2012

Mit einer drastischen, vorzeitigen Kürzung der Sonnenstromvergütung versetzt die Bundesregierung der ohnehin wankenden deutschen Solarindustrie einen weiteren, möglicherweise existenzgefährdenden Stoß. Insgesamt stehen in der Industrie, großzügig gerechnet, 130.000 Arbeitsplätze auf dem Spiel. 

Auf die Ankündigung schärferer Einschnitte hin begannen die Börsenkurse der ohnehin nahe ihren Niederstwerten gehandelten Solarfirmen ein weiteres Mal zu purzeln. Ihr teuer erkauftes Know-How droht nun umso mehr zu einer leichten Beute von Aufkäufern zu werden. 

Hatte eine offenbar zu üppige Förderung in den letzten beiden Jahren zu einem unerwartet gigantischen Zubau von Solarstromanlagen geführt, so könnte die nun angekündigte Kürzung der Solarstromvergütung die Installation von Photovoltaik-Flächen jäh einbrechen lassen. Denn große, in ihrer Ausdehnung auf nunmehr zehn Megawatt Leistung begrenzte Solarparks  sollen ab Anfang März mit rund 25 Prozent  weniger auskommen, das wären 13,5 Cent je Kilowattstunde, - eine geringere Vergütung, als sie sogar anfänglich für die Windkraft auf dem Meer gezahlt wird. 

Für Solaranlagen auf dem Dach müssen sich Hausbesitzer mit 20 Prozent weniger, das heißt 19,5 Cent je Kilowattstunde, zufriedengeben, - ein Satz, der damit schon deutlich unter dem durchschnittlichen Kilowattpreis für Haushaltskunden in Höhe von 25 Cent liegt. Außerdem sollen nur noch bestenfalls neun von zehn produzierten Kilowattstunden nach dem EEG-Gesetz vergütet werden. Wenn es nach den Ministern Rösler und Röttgen geht, folgen ab Mai Monat für Monat weitere Minderungen der  Vergütung von jeweils 0,15 Cent pro Kilowattstunde, um den Korridor des Zubaus so eng wie möglich zu halten.

Panische politische Eile

Würde weiterhin so viel PV-Fläche  wie 2010 und 2011 zugebaut, so würden die dafür auf alle - außer auf die ganz großen – Stromverbraucher umgelegten Kosten tatsächlich schnell aus dem Ruder laufen. Aber dem hatte ein zum Jahresanfang novelliertes Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) mit einem „atmendem Deckel“ für den Zubau und fortschreitenden Absenkungen der Garantievergütung bereits vorgebaut. Die nun angekündigten zusätzlichen Einschnitte aber riechen nach politischer Panik, die in der Sache unbegründet ist. Sie setzen eine eben noch hoch geschätzte Zukunftsbranche einem „Überlebenstest  mit offenem Ausgang“ aus, wie die Deutsche Umwelthilfe (DUH) es formuliert.

Die von fast allen Stromverbrauchern zu tragende EEG-Umlage beträgt im laufenden Jahr rund 3,60 Cent je Kilowattstunde und geht zu mehr als der Hälfte auf die Förderung des Solarstroms zurück. Letzterer steuert 2012 aber wahrscheinlich nur etwa ein Fünftel der Elektrizität aus erneuerbaren Quellen bei. Das ist ein Missverhältnis, das Zug um Zug zugunsten kostengünstiger Alternativ-Energie wie der Windkraft korrigiert werden muss, aber das nicht im Hauruckverfahren.

„Die Expedition jetzt nicht abbrechen“!

Die Fehler einer allzu üppigen, jeweils für 20 Jahre garantierten Solarstrom-Förderung wurden in der Vergangenheit gemacht und bilden nun eine Hypothek, die erst über längere Zeit abgetragen werden kann. Aber soll der Solarpionier Deutschland ausgerechnet jetzt seine Expedition abbrechen, wo die Photovoltaik in vier bis fünf Jahren zum Selbstläufer werden könnte, fragt zu Recht der Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, Rainer Baake. Zum Glück hat sich der freidemokratische Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler mit seinem Vorschlag einer Begrenzung des PV-Zubaus auf nur noch tausend Megawatt pro Jahr nicht durchsetzen können. Nach Ansicht des Chefs von Bosch, Fehrenbach, hätte das der deutschen Solarwirtschaft den Rest gegeben. Die im eigenen Land stark geförderte chinesische Solar-Konkurrenz hätte nach einer solchen Selbstaufgabe der Deutschen begeistert „Hurra“ rufen können.

Auch der Wind weht nicht immer

Die erneuerbaren Energien müssen stimmig in den Chor der Energiewirtschaft eingefügt werden, der für eine ganze Weile noch von konventionellen Energien dominiert wird. Die Solarförderung ist dabei nur ein einzelner Mosaikstein. Mit einer zu üppigen Anfangsförderung  für die Windkraft auf See macht die Politik möglicherweise gerade den Fehler, den sie bei der Photovoltaik schon gemacht hat. Kosten von etwa 15 Milliarden Euro veranschlagt der Netzbetreiber Tennet allein für die Netzanschlüsse zu den geplanten Windparks in Nord- und Ostsee und  für eine von Nord nach Süd führende große Überlandtrasse in Deutschland. Auch das alles muss letzten Endes vom Verbraucher bezahlt werden, auch zu Zeiten, in denen der Wind nicht weht. Und das ist allein schon mehr, als die gesamte Subvention erneuerbarer Elektrizität bisher kostet.

In den zurückliegenden kalten Wochen gab es glücklicherweise Tage, an denen die vor allem in Süddeutschland konzentrierte Photovoltaik zur Mittagszeit dank wolkenlosen Himmels die Leistung von acht Kernkraftwerken ins Netz speisen konnte und damit befürchtete Versorgungsengpässe abwenden half. Aber darauf ist nicht in jedem Fall Verlass, so bei Schneefall zum Beispiel.

Neue Stromspeicher braucht das Land

Was in einer künftig kernkraftfreien Energieversorgung neben Leistungen noch am meisten fehlt, sind Stromspeicher und eine vom schwankenden Angebot gelenkte Nachfrage. Solarstrom vom Dach könnte künftig beispielsweise in Batterien im Keller gespeichert werden, um bei Bedarf nachts selbst genutzt oder ins Netz gespeist zu werden. Noch ist das Zukunftsmusik, die auf diesem Feld mitunter zu früh angestimmt wird.

Immerhin: trotz der dauerhaften Abschaltung von neun  Kernkraftwerken sind die Lichter in Deutschland in diesem kalten Winter nicht ausgegangen. Der wahre Härtetest steht aber erst noch bevor, wenn ab 2015 auch die restlichen Atommeiler abgeschaltet werden und damit ein weiteres  Sechstel der Stromerzeugung vom Netz geht. Umso  weniger darf man jetzt den Erneuerbaren, die den Ersatz bilden sollen, mit überzogenen Kürzungen wirtschaftlich das Rückgrat brechen.