Sozen-Wirtschaft

Die Energiekrise meistern: Wie wir gemeinsam durch den Winter kommen

Gustav Horn16. August 2022
Die steigenden Preise für Gas werden die Haushalte in den kommenden Monaten stark belasten.
Die steigenden Preise für Gas werden die Haushalte in den kommenden Monaten stark belasten.
Zwischen Inflation, Krieg und Energiekrise muss sich sozialdemokratische Wirtschaftspolitik erneut bewähren. Also: Mit Vollgas durch den Winter, meint Gustav Horn. Und erklärt Schritt für Schritt, wie die Energiekrise gemeinsam bewältigt werden kann.

Langsam wird es ernst. Nachdem nun die Höhe der umstrittenen Gasumlage bekannt gemacht wurde, mit der die Lasten der Preisexplosion auf dem Gasmarkt nunmehr auf alle Kund*innen verteilt wird, kann sich jeder Haushalt ausrechnen, welche Kostenlawine ab Oktober auf ihn zurollt. Eines ist klar, der Krieg in der Ukraine, der Energie zur Waffe hat werden lassen, macht uns kurzfristig alle ärmer, weil wir erheblich höhere Kosten für unsere Lebenshaltung tragen müssen. Nur wenige werden diesen ökonomischen Rückschlag ohne Mühe verkraften. Die meisten werden leiden und für manche wird die finanzielle Last viel zu schwer sein. 

(Durchgerechnet: Wie viel die Gasumlage pro Haushalt kostet)

In dieser Krise muss sich sozialdemokratische Wirtschaftspolitik erneut bewähren. Denn niemand sollte mit diesen finanziellen Herausforderungen allein gelassen werden, wir müssen als Gesellschaft gemeinsam durch diese Krise gehen. Dabei gilt es einen Dreiklang aus finanzieller Sicherheit, Sparanreizen und Solidarität zu treffen. Es liegen schon länger Vorschläge nicht zuletzt von Mitgliedern des Wirtschaftspolitischen Beirats der SPD vor, die einen solidarischen Weg durch diese Krise weisen. Mit deren Hilfe können wir die Herausforderung dieses Winters bestehen und danach schnellstmöglich überwinden. Hierzu sind mehrere Schritte notwendig. 

Unterstützung muss schnell kommen

Nachdem nun die höheren Kosten zumindest für die nächsten drei Monate offenkundig sind, muss nun so schnell als möglich die Unterstützung folgen. Am besten wäre, jedem Haushalt ein Mindestkontingent an Gas zu einem tragfähigen Preis zuzusichern wie dies von Isabella Weber und Sebastian Dullien vorgeschlagen wird.  Als Basis könnte man den Durchschnittsverbrauch und den Durchschnittspreis der Jahre 2019/2020 nehmen.

Um aber deutlich spürbar zu machen, dass Gas gespart werden muss, sollte ein Abschlag auf den Verbrauch von 20 Prozent vorgenommen werden. Wer mehr spart, sollte sogar eine Prämie bekommen wie es Nina Scheer und Jens Suedekum angeregt haben. Damit wäre allen Haushalten die Sicherheit gegeben, zumindest eine finanziell leistbare Basisversorgung zu bekommen. Wer mehr als die Basisversorgung verbraucht, zahlt hierfür den Marktpreis nebst Umlage.

(Energiesparbonus: Wie die Prämie von Nina Scheer und Jens Suedekum funktionieren würde)

Nicht auszuschließen ist, dass trotz dieser Absicherung Haushalte mit niedrigem Einkommen immer noch Unterstützung benötigen. Dies könnte über eine entsprechende Reform des Wohngeldes, die bereits von der Bundesregierung angekündigt ist, geschehen.

Zur Entlastung muss der Bund einspringen

Und wer soll das bezahlen? Die Differenz, die sich aus dieser verbilligten Versorgung mit Gas zum Marktpreis ergibt, sollte der Bund übernehmen. Die Kosten dürften sich je nach Marktpreis im niedrigen zweistelligen Milliardenbereich bewegen und je mehr Gas gespart wird, desto geringer sind sie.

Gerecht wäre es, wenn die Kosten am Ende von jenen übernommen würden, die von dieser Krise profitieren. Das sind vor allem Unternehmen im Energiesektor, die die gegenwärtige Knappheit  zur Erhöhung ihrer Gewinnmargen nutzen. Diese sollte man mit einer Übergewinnsteuer belegen wie auch von Lars Klingbeil vorgeschlagen wurde. Hiervon sollten sie sich nur befreien können, wenn sie in erneuerbare  Energien investieren, um damit den Abschied von einer unsicheren und klimaschädlichen Energieversorgung beschleunigen. Damit würden jene, die von der Krise profitieren denen helfen, die unter ihr leiden.

Die Debatte wird weitergehen

Wir stehen vor einem Winter der Bewährung. Die Erpressungen und Fehlinformationen aus dem Hause Putin, die die gesellschaftliche Zustimmung zur Unterstützung der Ukraine unterminieren sollen, werden uns in dieser Zeit begleiten. Aber allen sollte klar sein, dass  ein Nachgeben die Abhängigkeit von Russland in Zukunft erhöhen und damit höhere Preise für Gas zementieren würde. Eine schnelle, glaubwürdige Abkehr vom russischen Gas und generell von fossilen Energieträgern wird hingegen dafür sorgen, dass der derzeit spekulativ überhöhte Preis für Gas bald wieder fällt.

Bis dahin muss aber um den gesellschaftlichen Zusammenhalt gerungen werden. Das geht nur, wenn das knappe Gas sparsam und gerecht verteilt wird. Gelingt uns dies, wird die Spekulationsblase um das Gas platzen, die Preise werden fallen und wir werden wieder mehr Wohlstand haben. Weil wir solidarisch waren.       

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Kommentare

Gasumlage

Das ist doch nur der Betrag, der gebraucht wird um die Konzerne zu retten, die an der Börse spekulieren. Zusätzlich kommt dann eben der gerade durch diesen Börsenhandel gestiegene Gaspreis.
Helmut Schmidt sagte einmal zu einem US-Präsidenten: Unsere Energiepolitik bestimmen wir selbst (Erdgas-Röhren Geschäft). Nun war Helmut Schmidt wahrlich kein Politiker mit sozialdemokratischen Prinzipien, aber wenigsten eine solch eigenständige Politik wünsche ich mir zurück.
In meiner Presseschau lese ich in der NZZ, ZEIT, SZ etc. andauernd: Selensky fordert .... Wer bestimmt denn die Richtlinien der Politik ? Selensky ?

Wer bestimmt denn die Richtlinien der Politik ? Selensky ?

Ganz genau, von ihm und dem Ex-Botschafter Melnyk hat man bisher nur Vorwürfe und Forderungen gehört.

Wir haben ja schließlich auch in Deutschland zurzeit Probleme genug mit der Gasknappheit, den Gaspreisen, der Gasumlage, aber auch mit allgemeinen Preissteigerungen, mit Klimaproblemen, Trockenheit, Niedrigwasser, Ernteausfällen etc. etc.

Da sollte die Regierung nicht nur an die Forderungen von Selensky denken, damit dieser die Krim zurückerobern kann (und dadurch die Rüstungskonzerne noch größere Gewinne machen), sondern auch an die eigene Bevölkerung denken, also "den Nutzen des Volkes mehren und Schaden von ihm wenden".

Ergänzung

Ich hab mich ein bischen schlau gemacht und Folgendes herausgefunden: Ein Haushalt der 20.000 kWh Gas verbraucht zahlte dafür im langjährigen Durchschnitt 1.300€; zu aktuellen Preisen sind das nun 3.400€, und dann können jetzt noch knapp 500€ Gasumlage dazu. Das macht dann den 3 fachen Preis. Statt auf die Gasumlage zu starren (abzulenken) sollte man lieber den Elefanten in diesem Porzelanladen betrachten.

Umsteigen auf Stromheizung

Bei diesen hohen Gaspreisen werden viele wohl auf Stromheizungen als Ergänzungsheizung bzw. temporären Ersatzheizungen umsteigen. Wird spannend für das deutsche Stromnetz, wenn am 1.1.2023 ca 30 Milliarden kWh Atomstrom wegfallen. Sind ja nur ca 2500 Windräder im Energieäquivalent (offshore Vergleich). Schalten wir eigentlich die AKWs einfach ab, ohne klimaneutralen Ersatzstrom anzubieten? Beim Weltklimarat schüttelt man den Kopf, und das IEA hat ebenfalls eine klare Empfehlung abgegeben.

Mangel-, Verzichts- und Rationierungsregime anstelle Vernunft?

Die EU 'liberalisierte' = privatisierte 1998 den Binnenmarkt für Gas. 2005 Gründung Bundesnetzagentur, 2006 Endkundenverträge für kartellrechtswidrig erklärt und 2007 der Gashandel im Spot- und Terminmarkt EEX (Leipzig) eröffnet. 2010 waren, anstelle wie vorher an den Erdölpreis, die Gaspreise zu 15% an den Börsenpreis gekoppelt, 2015 waren es dann 87%.

1999 förderte Deutschland ca. 20 Mrd. m³ Gas, heute sind es aus ideologischen Gründen ca. 5 Mrd. m³. Ab 2000 stellte man zudem KKWs und Kohlekraftwerke ab. Langfristige Verträge wurden gekündigt, so dass man Gas auf den Spot- und Terminmärkten kaufen muss. Gegenwärtig kauft Deutschland die Märkte leer und treibt die Preise in die Höhe, weil es aus ideologischen Gründen gleichzeitig Nordstream 2 nicht öffnen will.

Es gibt keine Energiekrise, sondern ein Staatsversagen und eine Staatsverweigerung. Wer dann gleichzeitig über die 'Energiewende' fabuliert, macht deutlich, dass es ihm um etwas ganz anderes geht.

Man hätte vor 45 Jahren mit dem Aufbau einer industriellen Wasserstoffwirtschaft beginnen müssen. Der Physikochemiker John Bockris und der Physiker Eduard Justi veröffentlichten 1975 ein vollständiges Konzept dazu.

gelöscht

Dieser Kommentar wurde gelöscht, weil er gegen Punkt 4 und 6 unserer Netiquette verstößt.

Ich verstehe diese Art von "Solidarität" nicht!

Da kommt der kompetente Autor, Prof. Horn zu dem Fazit: "Gelingt uns dies, wird die Spekulationsblase um das Gas platzen, die Preise werden fallen und wir werden wieder mehr Wohlstand haben. Weil wir solidarisch waren."

Unklar ist, ob ihm die Agenda der Grünen wirklich klar ist. Ein Journalist des Stern hat es deutlich im "stern TV" gesagt, was jeder kritische Zeitgenosse auch vermutet, dass die Preise für fossile Energien steigen müssen. Das ist der Ansatz über den auch der Chef der Bundesnetzagentur bei Lanz öffentlich nachdenkt und fordert.

Der Ukraine-Krieg ist der perfekte Vorwand, die fossile Energiewende zu beschleunigen und damit die Ziele zur Erreichung des CO2-Ausstoßen zu erreichen. Aber! Wir brauchen keine Solidarität, die zur weiteren Verarmung der deutschen Gesellschaft aktiv beiträgt.

Nikolaus Blome hat es doch formuliert, wir sollten die Logik umkehren und Northstream 2 lizensieren und öffnen. Dann würden die Preise runtergehen und damit die Spekulation um das Gas beendet werden. So wird ein Schuh daraus.

Und die Bundesregierung hätte ihre nationale Handlungsfreiheit wieder zurück gewonnen, so wie Dohnanyi es im nationalen Interesse fordert.

Gasspekulation

Das sehe ich genau so. Wem ist eigentlich damit gedient, dass Nordstream 2 mit viel Geld errichtet wurde und nun still liegt?

Es dient doch dem allgemeinen Interesse, dass die Gasversorgung gesichert wird und die Preise - auch für Leute mit wenig Geld - bezahlbar werden.

Die mit der Stilllegung bezweckte Sanktion gegen Putin hält diesen ohnehin nicht von seinen Vorhaben ab.

Solidarität ?

Die Regierung starrt, auch mit Hilfe der Konzerpresse, auf die so definierte Mitte - der Lindner eher auf die Reichen und Priviligierten. Rentner, Auszubildende und generell die Mehrheit der Lohn- und Gehaltsabhängigen Menschen bleibt da außen vor, und genau diese brauchen SOLIDARITÄT. Die Mehrheit der Menschen hier in dieser Republik entspricht nicht dem Bild, daß die Bausparvertragswerbung zeichnet.

„Winter der Bewährung“_1

„Die Erpressungen und Fehlinformationen aus dem Hause Putin“ haben zum „spekulativ überhöhten Preis für Gas“ geführt, der bereits jetzt zu katastrophalen Verwerfungen in unserer Gesellschaft geführt hat – und der Winter kommt je erst noch -, aber „gesellschaftlicher Zusammenhalt“ und „eine schnelle, glaubwürdige Abkehr vom russischen Gas und generell von fossilen Energieträgern“ wird die „Spekulationsblase um das Gas (bald) platzen“ lassen. Eine (kurz und mittelfristig) steile ökonomische These.

Wenn etwa 80% des bisher von Russland gelieferten Gases fehlt und Russland sein Gas wegen fehlender Transportmöglichkeiten dem Weltmarkt nicht zur Verfügung stellen kann oder will, dann muss das am Energie-Markt zu deutlich steigenden Preisen führen, die erst dann wieder fallen können, wenn entweder das Angebot aufgestockt oder der Bedarf gesenkt wird (oder beides).(Das Angebot könnte schnell steigen.) Dass unser hemmungsloses Aufkaufen von Flüssiggas (und der dafür notwendigen sehr teuren Infrastruktur) zu Spekulationen geführt hat, ist in der freien Marktwirtschaft systemimmanent.

„Winter der Bewährung“_2

Die Drosselung der Gaslieferungen auf 20% des Üblichen ist „Erpressung und Fehlinformation“ durch Putin, der „Gas als Waffe benutzt“. (Wer hat das noch gesagt?). Diese Meinung kann man haben, wenn man ausblendet, dass unsere vorausgegangenen Sanktionen „Züge eines indirekt geführten Weltkriegs“ (W. Zellner) angenommen haben.

Unsere Sanktionen waren die Antwort auf Putins Krieg gegen die Ukraine - dazu kann es keine zwei Meinungen geben. Der Putin-Krieg aber ist ein Scharmützel in der „großen Schlacht zwischen Demokratie und Autokratie“, die USA-Biden als das 21. Jahrhundert prägend erkannt hat. Folgt man Marc Saxer (25.7.), dann steht deren Ausgang bereits fest: „Der Ukrainekrieg markiert endgültig das Ende der Pax Americana, der amerikanisch dominierten Weltordnung“.
Daraus folgt für mich, dass unsere Politiker sich mit den neuen Machtverhältnissen anfreunden und zu einer Art regelbasierten Koexistenz mit den Autokratien/Diktaturen kommen müssen. Mit unserer Jeanne d´Arc im Außenministerium wird das natürlich nicht klappen. Kriege wie in Afghanistan, Syrien, Irak oder in der Ukraine müssen wir dabei verhindern.

Das erwarte ich von Staatskunst.

Das fordere ich!

Mehrwertsteuer

Mit der Absenkung der Mehrwertsteure profitieren Alle, auch diejehnigen die es sich leisten könne (mit Ministergehältern, Rundfunkintendanten ..... ich weiß Neiddiskussion, aber das wird an uns herangetragen werden), Damit lässt sich der Fiscus Mittel entgehen, die gerade für die Hilfe für Bedürftige gebraucht werden. Statt propagandistischer Trostpflästerchen brauchen wir endlich SOZIALDEMOKRATISCHE POLITIK !!!!

das mag so sein, andererseits

muss in irgendeiner Form das Lohnanstandsgebot beachtet werden, Wer arbeitet, darf nicht schlechter stehen als der , der auf das bedingungslose Grundeinkommen setzt- was zulässig ist, aber eben nicht dazu führt, das gebratene tauben umherfliegen