Finanzkrise

Ende des Finanzakrobatentums

Dietrich Jörn Weder15. September 2008

Es geht nicht mehr nur um die leichtfertige Kreditvergabe an amerikanische Hauskäufer. Getrieben von grenzenloser Profitgier hat die US-Geldbranche mit viel zu großen, undurchschaubaren
Risiken gespielt und sich dabei verzockt. Da stoßen nun auch Staat und Notenbank als Nothelfer an Grenzen, weil sie nicht mehr jedes einstürzende Geldhaus abstützen wollen oder können. Nicht
auszudenken, es würde sich in der deutschen Finanzwelt ähnlich Dramatisches wie in den USA ereignen: Da gehen Banken reihenweise pleite, werden verstaatlicht oder als Notfallpatienten bei der
Konkurrenz untergebracht. Wer von den großen Banken übrig bleibt, lässt sich von ausländischen Staatsfonds unter die Arme greifen. Selbst die größte Sparkasse und die größte Versicherung des
Landes scheinen nicht mehr auf festen Füßen zu stehen. Von den ehemals fünf unabhängigen so genannten Investmentbanken, die bisher das Herzstück der Wallstreet ausmachten, stehen nur noch zwei
auf eigenen Beinen und selbst deren Geschäftsmodell ist in Frage gestellt. Wenn die aufgeblähte Branche künftig von alldem die Finger lässt, was zugleich entbehrlich und für die Volkswirtschaft
schädlich ist, wird sie gewaltig eindampfen. Der frühere Chefökonom des Internationalen Währungsfonds, Kenneth Rogoff , glaubt, dass die "schicken, hochkomplizierten Finanzprodukte der letzten
Jahre" nicht zurückkehren werden. Das ist nur zu hoffen. Wann, wenn nicht jetzt, sollte es zu einer Abkehr von den Verirrungen des Finanzakrobatentums der jüngsten Vergangenheit kommen! Oder
wollen wir uns ein weiteres Mal die Konjunktur durch auswuchernde Fehlkalkulationen der Finanzbranche kaputtmachen lassen? Im Zusammenspiel von Banken und spekulativen Fonds insbesondere hat es
Auswüchse gegeben, die jedem common sense Hohn sprechen. Investmentbanking hat keine Zuklunft mehr So soll beispielsweise der Hedge-Fonds-Gründer John Paulson mit Wetten auf ein Platzen der
Immobilienblase im vergangenen Jahr 3,7 Milliarden Dollar verdient haben. An die 26.000 Beschäftigten von Goldman Sachs wurden sagenhafte 16,9 Milliarden Dollar an Boni ausgeschüttet. Zu wessen
Lasten gehen diese Rechnungen? Haben die Begünstigten irgendetwas Handgreifliches erarbeitet, das man kaufen und konsumieren kann? Das Investmentbanking, an dem auch deutsche Banken ein paar
Jahre prächtig verdient haben, hat in den bisherigen Ausmaßen keine Zukunft mehr. Sonst würde sich die Deutsche Bank nicht mit dem Kauf von Postbank-Anteilen ganz bewusst dem weniger glamourösen
Privatkunden-Geschäft zuwenden. Bisher haben die USA immer gebremst, wenn Europäer und heimische Kritiker darauf drängten, die ausufernden Geschäftspraktiken von Banken und Fonds zu zügeln. Jetzt
wird, wenn nicht die alte, dann die neue US-Regierung hoffentlich selbst die Initiative ergreifen, um der leichtsinnigen Kreditvergabe und undurchsichtigen Finanzwetten Grenzen zu setzen.
Brüssel, Berlin und die EZB in Frankfurt sollten aber nicht darauf warten. Es kann nicht der Part unserer öffentlichen Hand sein, den Strauchelnden ein um das andere Mal beispringen zu müssen.
Dafür hat uns auch in Deutschland die US-Finanzkrise bereits zu viel gekostet. Die Verluste an den Börsen treffen im Übrigen auch hierzulande "kleine Leute", die ihre Ersparnisse hoffnungsvoll in
Aktien angelegt haben.

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