Monika Deutz-Schroeder, Klaus Schroeder (Hg.), Oh, wie schön ist die DDR.

In die Ecke gedrängt

Dagmar Günther18. November 2009

"Viele Ostdeutsche begreifen jede Kritik am System als Angriff auf ihre eigene Person", erklärt der promovierte Soziologe und habilitierte Politikwissenschaftler Klaus Schroeder unlängst zu
seinem im Wochenschau Verlag erschienenen Buch. Nun, ganz so einfach ist es wohl nicht. Jedoch hatten die in der Presse verbreiteten Ergebnisse seiner gemeinsam mit Monika Deutz-Schroeder
erstellten Studie viele Bürgerinnen und Bürger vor allem in Ost, aber auch in West zu teils heftigen Reaktionen veranlasst. Über 4000 Zuschriften. Leserbriefe, Internetbeiträge erhielten die
beiden Autoren. Das veranlasste sie dazu, einen Teil der Befragungsergebnisse und eine kommentierte Auswahl der Reaktionen darauf in einem kleinen Büchlein zu veröffentlichen, denn wer liest
schon eine umfangreiche Studie.

Freundlicher und friedlicher

Es sind in der Tat eine Menge Zuschriften von Menschen dabei, die ihrem Leben in der DDR durchaus auch gute Seiten abringen können. Es sei freundlicher und friedlicher, einfach lebenswerter
gewesen. Niemand habe hungern müssen, jeder bekam eine Ausbildung und einen Job. Mietenexplosion, steigende private Gesundheitskosten und wachsende private Bildungskosten waren unebekannt. Und
doch werden durchaus auch die Widersprüche gesehen, wie Reiseunfreiheit oder Bevormundung.

Aber angesichts der manchmal doch etwas anmaßenden Betrachtungsweise Westdeutscher und auch der mitunter suggestiven Fragestellungen, sah sich mancher in die Ecke gedrängt. "Als
Ostdeutscher wird man geradezu in die Rolle des DDR-Fürsprechers gedrückt, selbst wenn man das gar nicht möchte. ... Fehler sind ja gemacht worden. Nur sind die Beschuldigungen und Vorwürfe-West
nicht selten dermaßen borniert und so offen verlogen/unwissend, dass man sich zwangsläufig als derjenige wieder findet, der wenigstens die übelsten Lügen und Falschinformationen (nein, eine LPG
gehörte nicht dem Staat...) auszubügeln versucht."

Mutig und unbeirrbar

Eins muss man den beiden Autoren lassen, Mutig sind sie und unbeirrbar. Denn wer lässt sich schon gern belehren und beschimpfen?

"Was würden Sie denken, wenn wir Ihnen die alte BRD erklären würden. Ein Großteil der Menschen wertet schon, ohne zu wissen... Investieren Sie Ihre Intelligenz lieber in die Entwicklung von
gesellschaftlichen Visionen. Dazu bedarf es Mut, kritischer Betrachtungsweisen und Ehrlichkeit, schon fast ein Fremdwort in unserer heutigen Welt..."

"Außerdem kommt mir die Studie sehr rechthaberisch vor. Da unbedingt ein negatives Bild über die DDR rauskommen sollte, ist es nur logisch, dass bayrische Schüler am besten abschneiden,
alles andere ist ja Verklärung."

"Im Klartext: Der Sieger schreibt die Geschichte. Es zählt nur das, was der Staat im Unterricht vermittelt. Was Familien, Freunde und unabhängige Medien berichten ist Unfug. Gratulation,
Herr Schroeder - das ist das Gebaren eines totalitären Staates. Sie hätten das Zeug zum Diktator."

Vielleicht ist es ja die Art und Weise des Umgangs miteinander, die die Menschen aus Ost wie West so erbost. "Es gibt noch viel zu tun, wir sollten die Umschulung der DDR-Bürger zur Pflicht
machen, wie den Einbürgerungstest." Ein bisschen mehr Respekt von beiden Seiten täte der Sache gut. Das betrifft übrigens auch die Kommentierung der Zuschriften. "Aus den Erfahrungen der letzten
19 Jahre ziehen offenbar viele Ostdeutsche den Schluss, die DDR sei nicht so schlecht gewesen, wie sie es Ende der achtziger Jahre empfunden hätten. Die hiermit einhergehende Geringschätzung
einer freiheitlichen und demokratischen Gesellschaft und die Verharmlosung der sozialistischen Diktatur kann durchaus als Warnsignal für den Zustand der ostdeutschen Gesellschaft verstanden
werden."

Spannend und notwendig

Gibt es - wie in der Kommentierung ausgemacht - wirklich nur nostalgische Verklärer und Fundamentalkritiker? Und gar niemanden dazwischen? Und liegt die Ursache tatsächlich darin, dass ist
ein Teil der Ostdeutschen nicht in der Lage ist, zwischen Demokratie und Diktatur zu unterscheiden? Oder hatten viele nicht einfach eine ganz andere Vorstellung von Demokratie und vor allem von
Gerechtigkeit? Vielleicht müssen Aufklärung und Diskussion ganz anders angepackt werden.

Dennoch: Studie und Dokumentation sind sehr aufschlussreich. Die Autoren geben damit der kontroversen Debatte um die Interpretation der DDR eine Grundlage. "Oh, wie schön ist die DDR"
befeuert die Debatte darüber, was die DDR war, wie sie begrifflich und historisch einzuordnen ist und wie die, die in ihr lebten, sie heute sehen. Eine spannende Lektüre, eine notwendige
Auseinandersetzung.

Monika Deutz-Schroeder, Klaus Schroeder (Hg.), Oh, wie schön ist die DDR. Kommentare und Materialien zu den Ergebnissen einer Studie, Wochenschau Verlag, Schwalbach/Ts. 2009, 208 Seiten,
14,80 Euro, ISBN 978-3-89974538-2


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