SPD-Führung

Doppelspitze: An der Basis erprobt, auch ein Modell für den Bund?

Jonas Jordan19. Juni 2019
Seit gut einem Jahr führen Lisa Wüchner und Christian Dristram den Ortsverein der SPD Limburgerhof in Rheinland-Pfalz als Doppelspitze.
Seit gut einem Jahr führen Lisa Wüchner und Christian Dristram den Ortsverein der SPD Limburgerhof in Rheinland-Pfalz als Doppelspitze.
Seit etwas mehr als einem Jahr bilden Christian Dristram und Lisa Wüchner die Doppelspitze des SPD-Ortsvereins Limburgerhof in Rheinland-Pfalz. Sie sind überzeugt: Das Modell wäre auch für die bundesweite SPD-Führung geeignet.

Im Dezember 2017 beschloss der SPD-Bundesparteitag in Berlin auf Antrag der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen (AsF), dass es auf Ortsvereinsebene Doppelspitzen geben kann. Nur vier Monate später wählte die SPD Limburgerhof in Rheinland-Pfalz dieses Modell für sich. Seitdem führen Christian Dristram und Lisa Wüchner gemeinsam den Ortsverein.

Die Ureinwohnerin und der Neue

Beide sind 30 Jahre alt, beide schon einige Jahre in der SPD engagiert. Doch während Wüchner eine „Ureinwohnerin“ in Limburgerhof ist, wie sie selbst sagt, zog Dristram erst vor Kurzem nach Rheinland-Pfalz. Vorher war er unter anderem Vorsitzender der Jusos in Mannheim. Für die beiden ist diese Mischung aus alteingesessen und neuzugezogen die perfekte Kombination.

Ortsvereinsvorsitzende zu sein, sei einer der härtesten Jobs in der SPD, berichtet Wüchner. „Es ist einfach viel Arbeit.“ Nur in der Doppelspitze mit Dristram sei die Aufgabe in den vergangenen Monaten überhaupt zu bewerkstelligen gewesen. Denn die 30-Jährige kandidierte Ende Mai für das Europaparlament. Parallel dazu standen in Rheinland-Pfalz auch Kommunalwahlen an. „Alleine hätte ich den Ortsverein nicht wuppen können. Deswegen war das ein absoluter Glücksfall, dass Christian hierher gezogen ist“, sagt Wüchner.

Nicht nur einen Märtyrer

Nach gut einem Jahr habe sich die gemeinsame Parteiführung der SPD in Limburgerhof bewährt, berichten beide. „Es hilft, die eigene Einschätzung noch einmal rückzukoppeln, weil man bestimmte Themen in der Tiefe vordiskutieren kann, um anschließend besser auf die Debatte im Ortsverein vorbereitet zu sein.“ Die Doppelspitze bedeutet nicht, dass beide immer anwesend sind, sondern sich häufig gegenseitig Arbeit abnehmen. „Ich bin sechs Wochen im Jahr auf Dienstreise. Da trägt Lisa die Hauptlast“, erzählt Dristram. Umgekehrt lief es im Europawahlkampf, als er sich wegen Wüchners Wahlkampf vermehrt um die Belange des Ortsvereins kümmerte.

In der Diskussion um eine mögliche Doppelspitze auf Bundesebene wird aktuell häufig das Argument genannt, dass die beiden Führungspersonen gut miteinander harmonieren sollten. Dazu sagt Dristram: „Wir sind in der sozialdemokratischen Familie. Da sollten prinzipiell alle miteinander arbeiten können.“ Wüchner ergänzt: „Menschlich muss es schon passen, aber man kann ja auch gut miteinander harmonieren, wenn man inhaltlich teilweise unterschiedliche Vorstellungen hat. Das ist für mich kein Widerspruch.“ Ein weiterer Vorteil einer Doppelspitze ist für die 30-Jährige, „dass es nicht den einen Hero, aber auch nicht den einen Märtyrer gibt, der für alles verantwortlich gemacht wird“.

Dristram: Schon 2015 für die Doppelspitze

Für Dristram ist die Doppelspitze eine Herzensangelegenheit. Schon 2015 auf dem SPD-Bundesparteitag hatte er sich als einziger männlicher Redner für dieses Modell ausgesprochen. Damals wurde es noch abgelehnt. Inzwischen ist es beschlossen und zumindest in Limburgerhof auf Ortsvereinsebene erprobt. „Ich bin auch politisch sehr überzeugt davon, weil es dabei auch um die politische Repräsentanz von Frauen geht. Wir sind die Partei, die das Frauenwahlrecht eingeführt haben und wir sollten auch die Partei sein, die für ein Paritégesetz sorgt und die Doppelspitze einführt, um den nächsten Schritt zu gehen und am Ball zu bleiben“, sagt er. Es sei einfach nicht mehr zeitgemäß, den einen Menschen an der Spitze zu haben: „Junge Leute wachsen mit einer Teamkultur auf und damit, dass man sich gegenseitig unterstützt.“

Neben dem veränderten Führungsmodell setzte das junge Duo auch auf weitere Neuerungen, beispielsweise im Vorfeld der Kommunalwahl Ende Mai. „Wir haben es geschafft, junge Leute besser anszusprechen, um auf unserer Liste zu kandidieren. Das hat einen Altersaspekt, aber auch dass wir zu zweit antreten“, sagt Dristram. Zum ersten Mal trat die SPD in Limburgerhof mit einer komplett paritätischen Liste an. Zwar verlor die SPD bei der Kommunalwahl drei Sitze im Gemeinderat. Dennoch sagt Wüchner: „Ich bin in der Summe zufrieden. Denn wir haben den Generationswechsel geschafft. Das ist jetzt die perfekte Ausgangslage für die Zukunft.“

Kein Allheilmittel, aber mehr Pluralismus

Eine gute Ausgangslage für die SPD wäre für Wüchner und Dristram auch eine Doppelspitze auf Bundesebene. „Ich finde es auf jeden Fall gut“, sagt Wüchner. Auch um Themen untereinander aufzuteilen und zu personalisieren. Nach Dristrams Ansicht würde eine Doppelspitze auch zu mehr Loyalität führen: „Dann stehen zwei ganz vorne, die sich gegenseitig unterstützen müssen.“ Wüchner sagt: „Ich fände die Kombination zwischen erfahren und jemanden, den man so noch gar nicht auf dem Schirm hat, sehr gut.“

Doch für beide ist auch klar: Die Doppelspitze ist kein Allheilmittel. Sie könne nur ein Element bei der Neuaufstellung der SPD sein. „Aber sie ist per se schon mal pluralistischer als eine einzige Person an der Spitze“, sagt Dristram.

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