Wirtschaft 4.0

Wie die Digitalisierung uns entmündigt

Julia Korbik21. Oktober 2016
Teramark-Geschäftsführerin Yvonne Hofstetter im Gespräch mit Wirtschafts-Staatssekretär Matthias Machnig
Was bedeutet die Globalisierung für unsere demokratischen Grundwerte? Das fragt Yvonne Hofstetter in ihrem Buch „Das Ende der Demokratie. Wie künstliche Intelligenz die Politik übernimmt und uns entmündigt“. Am „vorwärts“-Stand auf der Buchmesse diskutierte sie mit Wirtschaftsstaatssekretär Matthias Machnig.

Der Buchtitel klingt apokalyptisch „Das Ende der Demokratie. Wie künstliche Intelligenz die Politik übernimmt und uns entmündigt“. Es geht um Digitalisierung, darum, was sie mit unserer demokratischen Gesellschaft macht, um eine Entwicklung, die Anlass zur Sorge gibt. Das findet zumindest die Autorin des Buches, Teramark-Geschäftsführerin Yvonne Hofstetter. „Die Digitalisierung passiert neben der Politik“, sagte Hofstetter im Gespräch mit Matthias Machnig, Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, am „vorwärts-Stand auf der Frankfurter Buchmesse. „Unsere Gesellschaft hat sich radikal verändert, aber politisch gewollt war das nicht. Die Politik hat eigentlich die Aufgabe, Gesellschaft zu gestalten. Das hat sie in diesem Fall aber nicht getan – sondern es waren große Unternehmen wie Google und Amazon.“

Freiheit gegen Menschenwürde

Die Politik verliert also an Gestaltungsmacht. Laut Matthias Machnig muss die Politik sich umso entschlossener den durch die Digitalisierung entstehenden Herausforderungen stellen. So müsse unter anderem das Kartellrecht reformiert werden: „Im deutschen Kartellrecht würden wir nie zulassen, dass ein Unternehmen einen Marktanteil von 95 Prozent hat. Google hat dieses Kartell, aber: Google produziert dem Verständnis des deutschen Kartellamts nach nichts. Wir sollten nicht nur über Arbeit 4.0 und Wirtschaft 4.0 sprechen, sondern auch über Recht 4.0. Wir brauchen ein Recht, das den Anforderungen des 21. Jahrhunderts gerecht wird.“

Für Hofstetter ist das größte Problem, dass die Digitalisierung von amerikanischen Unternehmen gesteuert und vorangetrieben wird, diese Unternehmen aber ein anderes Verfassungsverständnis haben als Deutschland: „Es geht ihnen um liberty, um Freiheit – der Staat soll sich möglichst raushalten. Das bedeutet auch Free Trade, der Handel mit Daten.“ In Europa hingegen gebe es ein Verfassungsverständnis der Menschenwürde: „Das sind Prinzipien, die wir nicht einfach aufgeben dürfen, nur weil die entscheidenden Akteure anderswo ansässig sind.“ Würde der Staat nicht eingreifen, so Hofstetter „gehen wir unter. Ohne den Staat gibt es eine massive Wettbewerbsverzerrung.“

Mehr kritische Distanz, weniger Faszination

Eine einfache Antwort auf die Herausforderungen der Digitalisierung gibt es nicht. Auch keine nationale, ist sich Machnig sicher: „Wir brauchen europäische und internationale Lösungen.“ Er wünscht sich einen permanenten Dialog zwischen Wissenschaft, Unternehmen und Politik, „um überhaupt die Dynamik des Prozesses abbilden zu können.“ Hofstetter ihrerseits würde sich freuen, wenn die Politik verstärkt auf die Wissenschaft und wissenschaftliche Erkenntnisse zurückgreifen würde: „Politik kommt zu oft mit viel Ideologie daher.“

Letztendlich, da sind sich Hofstetter und Machnig einig, braucht es mehr kritische Distanz und weniger Faszination, wenn es um Google, Amazon und Co geht. Damit die Digitalisierung nicht tatsächlich lauter unmündige Menschen hervorbringt.

Yvonne Hofstetter: Das Ende der Demokratie Wie die künstliche Intelligenz die Politik übernimmt und uns entmündigt, C. Bertelsmann, ISBN: 978-3570103067, 22,99 Euro zu bestellen u.a. in der vorwärts-Buchhandlung

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