Transparency International

Warum Deutschland bei der Korruptionsbekämpfung nicht voran kommt

Lars Haferkamp25. Januar 2022
Korruption in Deutschland geht nicht zurück: In der Masken-Affäre wird seit 2020 mehrerern Bundestags- und Landtagsabgeordneten von CDU und CSU Vorteilsnahme vorgeworfen. Es kam zu Rücktritten und Parteiaustritten.
Korruption in Deutschland geht nicht zurück: In der Masken-Affäre wird seit 2020 mehrerern Bundestags- und Landtagsabgeordneten von CDU und CSU Vorteilsnahme vorgeworfen. Es kam zu Rücktritten und Parteiaustritten.
Trotz aufgedeckter Masken- und Aserbaidschan-Affäre von CDU und CSU: Deutschland macht keine Fortschritte bei der Bekämpfung von Korruption, so Transparency International. Die Antikorruptionsorganisation hofft nun auf SPD, Grüne und FDP.

Transparency International hat für die Bundesrepublik eine gute und eine schlechte Nachricht. Die gute: Deutschland gehört zu den Top Ten der Staaten, die weltweit am wenigsten von Korruption belastet sind. Die schlechte aber lautet: Seit Jahren hat sich die Position des Landes im weltweiten Vergleich nicht verbessert, die Bundesrepublik macht keine erkennbaren Fortschritte bei der Korruptionsbekämpfung.

Das zeigt der neue Korruptionswahrnehmungsindex (Corruption Perceptions Index, CPI) der Antikorruptionsorganisation Transparency International, der jetzt in Berlin vorgestellt wurde. Der Index erscheint einmal pro Jahr und ist der weltweit bekannteste Indikator für Korruption. 180 Staaten werden hier aufgeführt. Je nach dem Grad der in Politik und Verwaltung wahrgenommenen Korruption werden die Staaten auf einer Skala positioniert. Sie reicht von 0 Punkten, dem Höchstmaß an Korruption, bis zu 100 Punkten, wenn keine Korruption erkennbar ist.

Deutschland deutlich hinter Dänemark und Finnland

Deutschland erhält 80 von 100 Punkten und kommt damit auf Platz zehn der am wenigsten von Korruption belasteten Staaten. Den Spitzenplatz nehmen Dänemark, Neuseeland und Finnland mit 88 Punkten ein. Auf dem letzten Platz liegt der Südsudan mit nur 11 Punkten, dann kommen Somalia und Syrien mit 13 Punkten.

Hoffnungen setzt die Antikorruptionsorganisation auf die neue Bundesregierung der Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP. Hartmut Bäumer, der Vorsitzende von Transparency Deutschland, formuliert das so: „Wir hoffen, dass wir mit der neuen Regierung dahinkommen, dass vielleicht im nächsten Jahr das Ranking von Deutschland noch etwas besser wird.“

Trotz des vergleichsweise guten zehnten Platzes der Bundesrepublik sieht Bäumer nämlich keinen Grund für Selbstzufriedenheit. „Seit sechs Jahren hat sich die Punktzahl Deutschlands nicht mehr verbessert. Das zeigt, dass wir bei der Korruptionsbekämpfung leider kaum vorankommen.“ Nach der so genannten Masken-Affäre – in der mehreren Bundestags- und Landtagsabgeordneten von CDU und CSU Vorteilsnahme vorgeworfen wird und die zu Rücktritten und Parteiaustritten führte – , „war der Druck letztes Jahr zwar endlich hoch genug, um das Lobbyregister einzuführen und die Regeln zu Nebentätigkeiten von Abgeordneten zu verschärfen.“

Masken- und Aserbaidschan-Affäre von CDU und CSU

Das reicht Transparency Deutschland aber nicht, um die Korruption im Land effektiv zu bekämpfen. „Weiterhin bestehen massive Defizite in allen gesellschaftlichen Bereichen“, moniert Bäumer. „In der Verwaltung gilt noch immer größtenteils der Grundsatz des Amtsgeheimnisses, die strafrechtliche Verantwortung von Unternehmen ist noch immer nicht geregelt und Hinweisgeber sind noch immer nicht ausreichend geschützt.“ So verhindere etwa die willkürliche Berufung auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse durch Unternehmen häufig die Aufklärung von Korruptions-Verdachtsfällen.

Neben der Masken-Affäre kritisiert Bäumer auch die so genannte Aserbaidschan-Affäre. Damit sind die Verwicklungen mehrerer Politiker*innen – wieder von CDU und CSU – in Geschäfte mit Aserbaidschan gemeint, denen in diesem Zusammenhang versteckter Lobbyismus und Korruption vorgeworfen wird. Beide Affären, so Bäumer, hätten ein „bedenkliches Schlupfloch“ offenbart. „Trotz der enormen Empörung nach Bekanntwerden der Fälle persönlicher Bereicherung konnten die betroffenen Abgeordneten am Ende strafrechtlich nicht zur Verantwortung gezogen werden.“ Das belegt für Transparency Deutschland, dass das Gesetz gegen Abgeordnetenbestechung „bislang praktisch wirkungslos“ sei und deshalb „dringend nachgeschärft werden“ müsse.

Lob für Pläne der Ampel-Regierung

Ausdrücklich „begrüßt“ die Antikorruptionsorganisation dagegen, dass die Ampelparteien SPD, Grüne und FDP laut Koalitionsvertrag (Seite 10) den bestehenden Straftatbestand der Mandatsträgerbestechung und -bestechlichkeit (Paragraf 108e StGB) „wirksamer ausgestalten“ wollen. Darauf dränge seit Transparency Deutschland bereits Jahren – so lange die Union im Bunde regierte allerdings vergeblich. „Es kann nicht sein, dass die Regeln für Beamte bisher schärfer sind als für Abgeordnete“, argumentiert Bäumer. „Der Straftatbestand muss künftig in der Praxis ein scharfes Schwert sein, damit es bei vergleichbaren Fällen tatsächlich zu Verurteilungen kommt.“ Die derzeitige Situation schüre leider Politikverdrossenheit. „Bundesjustizminister Buschmann muss deshalb zügig liefern“, so der Vorsitzende von Transparency Deutschland.

International betrachtet hat die Antikorruptionsorganisation keine guten Nachrichten. Es setze sich der Negativtrend fort, dass Staaten, die Demokratie, Rechtsstaat und Menschenrechte beschneiden, parallel dazu eine steigende Korruption hätten. So gehören das EU-Mitglied Ungarn (-12 Punkte) und der EU-Beitrittskandidat Türkei (-11 Punkte) zu den Staaten, die in den letzten zehn Jahren weltweit am meisten Punkte im Korruptionswahrnehmungsindex verloren haben. Transparency warnt deshalb nachdrücklich: „Diese Entwicklungen sind besorgniserregend und verdeutlichen, wie eng die Einhaltung rechtsstaatlicher und demokratischer Grundsätze mit der Vermeidung von Machtmissbrauch und Korruption verknüpft sind.“

weiterführender Artikel

Kommentare

Das Thema liegt ja

seit Jahrzenten auf dem Tisch, und dennoch habe ich die Hoffnung, das wir mit der jetzigen Bundesregierung auch auf Bundesebene mal nennenswerte Fortschritte machen. Nachdem selbst die CSU Geführte Landesregierung in Bayern kurzfristig auf die letzten bekannt gewordenen Fälle reagiert hat und Transparency International die dortige Regelung für Landtagsabgeordnete als beispielgebend darstellt, sollte genug Wind in den Segeln vorhanden sein, um auch im Bund in die richtige Richtung voranzukommen. Wichtig ist, dass dies auf allen Ebenen vorangetrieben wird. Schön, dass der VORWÄRTS sich hier beteilgt

Korruptionsbekämpfung

Gerade nach der Masken- und Aserbeidschan-Affäre ist es allerhöchste Zeit, dass den Korruptionsgeschäften Einhalt geboten wird und vor allem Politiker, deren Einkommen ohnehin gesichert ist, im Falle einer Verwicklung in Korruption in entsprechendem Maße bestraft werden.

Gerade die Korruptionsgeschäfte von Politikern tragen nämlich in einem erheblichen Umfang zur Politikverdrossenheit vieler Menschen bei. Die vielfache Aussage, Politiker seien alle gleich und korrupt, macht diese Auffassung deutlich.

Es ist daher zu hoffen, dass die Ampelkoalition diesen Missstand baldmöglichst aus dem Wege räumt. Ob die Unionsparteien dabei mitmachen, sei angesichts der Verstrickungen einiger ihrer Abgeordneten dahingestellt.

die Reaktion im

bayerischen Landtag zeigt doch gerade, das die Bereitschaft auf Seiten der Union , also die Bereitschaft von CDU/CSU gerade in diesen Tagen besonders hoch ist. Hier öffnen sich Chancen einer parteiübergreifenden Initiative, die so noch nie bestanden. Jetzt kommt es auf die Regierungsfraktionen im Bundestag an, die CDU/CSU ist hier schon weiter, als es Ihr Kommentar auszudrücken vermag. Die SPD ist mE besonders gefordert, sie stellt den Kanzler. Der Verweis auf die Einzelfälle im Unionslager war gestern richtig. Er war zielführend- sh Bayern- aber er ist dennoch heute von gestern. Dieser Löwe ist tot, da muss nicht mehr draufgep.... werden

Weil es nicht gewollt ist.

Solange "Berater" Gesetze ausarbeiten die dann nur abgenickt werden, solange ausgediente Parteifreunde nach Dienstzeitende bei geneigten Privatunternehmen oder staatlichen Posten auch ohne jede erkennbare Sachkompetenz unterkommen braucht es keine Einzelaffairen, um in der Hitparade zu bleiben.
Ausser natürlich wenn systeminmanente Korruption nicht mitgerechnet wird...