Datenstrategie der Bundesregierung

Die Datenmacht muss im Dienst der Allgemeinheit stehen

Saskia EskenElvan Korkmaz-Emre11. Februar 2021
Daten sind digitale Spuren unseres Lebens. Deshalb muss die Sozialdemokratie die Datenmacht demokratisieren und in den Dienst der Allgemeinheit stellen.
Daten sind digitale Spuren unseres Lebens. Deshalb muss die Sozialdemokratie die Datenmacht demokratisieren und in den Dienst der Allgemeinheit stellen.
Für nicht personenbezogene Daten gibt es bislang so gut wie keine Regeln – mit all den negativen Folgen. Das wollen wir ändern. Die neue Datenstrategie der Bundesregierung wird das Teilen von nicht personenbezogenen Daten in Zukunft massiv fördern.

„Wissen ist Macht“ – das ist eine altbekannte Weisheit. Die Herrschenden waren zu allen Zeiten darauf bedacht, ihre Macht nicht zu teilen. Herrschaftswissen hat man das genannt, und im Gegenzug hielten sie das Volk in Unwissenheit und damit gefügig.

Gegen diese Haltung wandten sich im 18. Jahrhundert die Protagonisten*innen der Aufklärung um Denis Diderot, die erstmals eine „Enzyklopädie“ erschufen, eine Sammlung des „Wissens der Welt“. Im 19. Jahrhundert waren es die Bildungsvereine der Arbeiterbewegung, die nicht länger hinnehmen wollen, dass Wissen ein Privileg des bourgeoisen Bildungsbürgertums bleiben sollte. Im 20. Jahrhundert eröffneten die Erfinder des Internets um Tim Berners Lee uns allen den direkten Zugang zum Wissen dieser Welt – und leider auch zum Unwissen, womit es immer wichtiger wurde, das eine vom anderen unterscheiden zu können! Dass zum Ende des 20. Jahrhunderts die Wikipedia entstanden ist, eine neue, offene, lebendige und für alle zugängliche Enzyklopädie, das ist eine logische und eine wunderbare Konsequenz aus dieser Geschichte!

Das Wissen des 21. Jahrhunderts liegt in den Daten

Die Wikimedia-Stiftung hat sich von Anfang an auch mit dem Thema offener Daten beschäftigt, denn das Wissen des 21. Jahrhunderts liegt in den Daten, wie wir sie täglich hundert- und tausendfach erzeugen. Daten sind digitale Spuren unseres Lebens. Sie protokollieren, was wir kaufen, wohin wir gehen, was wir denken und  wann wir schlafen. Viele dieser Daten sind personenbezogen, das heißt, sie sind direkt mit unserer Identität verbunden. Doch auch Maschinen, Autos, Ampeln erzeugen Daten, die keinen solchen Personenbezug enthalten. Personenbezogene Daten wiederum können anonymisiert, also von der direkten Verbindung zum Individuum getrennt werden.

Doch wie ist es um den Zugang zu diesen Daten bestellt? Was das betrifft, sind wir in das finstere Zeitalter der Voraufklärung zurückgefallen. Der exklusive Besitz großer Datenschätze ist ein heiß umkämpftes Terrain. Denn wer die Daten besitzt, der bestimmt, wofür sie eingesetzt werden.

Daten können genutzt werden, um Krankheiten zu heilen oder um Risikopatienten von Versicherungsleistungen auszuschließen. Man kann mit ihrer Hilfe Verkehrsströme steuern oder die politische Meinungsbildung lenken. Die Entscheidung über solche Fragen darf nicht in der Hand einiger Weniger bleiben – das widerspricht allen unseren demokratischen Prinzipien.

Die Datenmacht demokratisieren

Deshalb muss die Sozialdemokratie im 21. Jahrhundert wieder das tun, was sie auch schon im 19. und 20. Jahrhundert getan hat: Sie muss die Machtfrage stellen. Wir müssen Datenmacht demokratisieren und in den Dienst der Allgemeinheit stellen.

Während die Verwendung personenbezogener Daten durch das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung beschränkt wird, gibt es für nicht personenbezogene Daten bislang so gut wie keine Regeln – mit all den negativen Folgen, die Regellosigkeit für Freiheit, Marktwirtschaft und Allgemeinwohl bedeutet. Das wollen wir ändern.

Wir wollen, dass Unternehmen, aber auch staatliche Institutionen ihre nicht-personenbezogen Daten – und nur die! – in Zukunft teilen, damit Wissenschaft, Wirtschaft und Zivilgesellschaft mehr Wissen und Mehrwerte daraus erzeugen können.

Daten vermehren sich, wenn man sie teilt

Manche sagen, Daten seien das Öl des 21. Jahrhunderts. Wir halten das aus vielen Gründen für eine grundfalsche Analogie. Einer der Gründe lautet: Daten verlieren durch das Teilen nicht ihren Wert. Im Gegenteil entstehen durch das Teilen und den Austausch darüber neue Daten, neues Wissen.

Eine Datenkultur des Teilens eröffnet der Wissenschaft einen Schatz, mit dessen Hilfe sie Lösungen für drängende gesellschaftliche Probleme finden kann. Unternehmen können offene Daten für neue Produkte und Geschäftsideen nutzen. Aus neuen Geschäftsideen entstehen neue Jobs und neuer Wohlstand.

Hier setzt die neue Datenstrategie der Bundesregierung an. Sie wird das Teilen von nicht-personenbezogenen Daten in Zukunft massiv fördern.

Am Anfang stehen Datenkooperationen und Datenpools für Umweltschutz, Gesundheitsfürsorge und Mobilität. So dienen Fahrzeugdaten in Zukunft nicht nur der Planung der nächsten Wartung, sondern sie können auch für eine bessere Verkehrssteuerung oder eine Mobilitäts-App genutzt werden. Die Daten eines Baumkatasters stehen dann nicht nur dem Gartenamt zur Planung des Baumschnitts zur Verfügung, sondern sie können auch Allergikern dabei helfen, ein allergiefreundliches Wohnumfeld zu finden.

Dateneigentum ist der falsche Weg

Lange haben wir um diese Datenstrategie gerungen, haben kluge Expert*innen in einer Datenethikkommission versammelt und dann lange debattiert. Im letzten Halbjahr unserer Legislaturperiode gehen wir jetzt damit auf die Ziellinie – zusammen mit dem zweiten Open-Data-Gesetz, das die Behörden des Bundes weiter als bislang verpflichtet und hoffentlich auch befähigt, ihre Daten offenzulegen.

In ihrer Datenstrategie erkennt die Bundesregierung als Ganzes an, dass ein Eigentum an Daten der falsche Weg wäre und dass der Datenschutz kein Hemmnis für die Datennutzung darstellt und schon gar keinen Widerspruch. Im Gegenteil ist der Datenschutz eine unabdingbare Voraussetzung für eine offene Datenkultur, die nur durch Vertrauen und durch klare Regeln entstehen kann.

Wir Sozialdemokrat*innen wollen mehr

Dabei enthält die Datenstrategie bei weitem nicht alles, was die Sozialdemokratie für eine fortschrittliche und gerechte Datenpolitik für erforderlich hält. So sind wir davon überzeugt, dass es auf sogenannten „datengetriebenen Märkten“ mit ihrer Neigung zu Monopolen eine Datenteilungspflicht geben muss. Beispiele für solche Märkte sind die Plattformökonomie im Handel (z.B. Amazon), Mobilitätsplattformen (z.B. Uber) oder Suchmaschinen (z.B. Google). Anreize reichen hier für einen fairen Wettbewerb auf Dauer nicht aus.

Und auch das Recht auf echte digitale Selbstbestimmung für Bürger*innen und Verbraucher*innen ist eine klare sozialdemokratische Forderung. Wenn wir ein Handy oder eine App benutzen möchten, fragen uns die Programme zwar, ob wir mit dem Sammeln von Nutzungsdaten einverstanden sind. Doch eine echte Wahl haben wir fast nie. Denn wer damit nicht einverstanden ist, kann die Hard- oder Software eben nicht oder nur eingeschränkt nutzen.

Wir wollen selbst bestimmen, was mit unseren Daten passiert

Wir wollen Menschen deshalb in die Lage versetzen, frei und präzise über unsere Daten zu bestimmen. Mit einem „feinkörnigen“ Zugriffsmanagement können wir selbst bestimmen, welche Daten mit welcher Verwendungsperspektive genutzt werden dürfen. Wir wollen endlich selbst darüber bestimmen, was mit unseren Daten passiert. So beispielsweise mit der Corona-App: seit Oktober können Erkrankte über die Corona-Warn-App auch in einem Tagebuch ihre Symptome mitteilen. Damit helfen sie der Erforschung dieser neuen Erkrankung und der Präzision der Warnung, die von ihrem Handy an Kontaktpersonen rausging. Aber es ist absolut verständlich, dass das nicht jeder und jede möchte. Deswegen durfte es keine Bedingung sein, um die App zu nutzen. Diese Regel sollte für alle Apps gelten.

Die Datenstrategie der Bundesregierung ist ein guter erster Schritt – und sie bietet viele Anknüpfungspunkte für die nächste, sozialdemokratisch geführte Bundesregierung. Wir Sozialdemokrat*innen haben einen Plan, um die Datenmacht  und Datennutzung in die Hände der demokratischen Gesellschaft zu legen und die Datenökonomie nachhaltig und sozial zu gestalten.

Aus Daten wird Fortschritt gemacht! Wenn es nach uns geht: Fortschritt für die Vielen, nicht nur für Wenige.

weiterführender Artikel

Kommentare

Sicherstellung von Konzerninteressen

Statt den Mißbrauch und Diebstahl von Daten zu bestrafen also die Belohnung und Freigabe an alle Profiteure.

Statt zumindest eine Pflicht für die Schuldenhändler einzuführen, ihren Datenbestand zu Pflegen und sie in Verantwortung zu nehmen, falsche Eintragungen in eigener Verantwortung zu korrigieren dürfen diese auch weiter durch Weiterverkauf unrichtiger/veralteteter Datensätze ohne jede Haftbarmachung Schaden anrichten. Datensatzhändler und Scoringvermarkter werden ebenfalls bessergestellt und aus der Grauzone in die Marktzone erhoben.

Ebenfalls keinerlei Strafvorhaben für invasive Werbung, die nicht nur Daten sammelt und abgreift sondern teilweise trojanerartige Fremdkontrolle über das befallene Endgerät ausübt. (AdColony, Mintegral, etc.)

Und natürlich der Fokus auf "personenbezogene" Daten, als ob man aus gerätebezogenen Daten und mit Hilfe von Servercookies nicht schon längst jederzeit durch Aggregation und Verknüpfung diese nur noch fiktive Grenze nach Lust und Laune überschreiten könnte.

Wo genau soll nun der Vorteil für den Endverbraucher sein ?

zu und zu schön

noch mehr Daten die geschützt werden. betreutes Leben, dass ist es was wir wollen, gut erkannt hat dies die Parteispitze. Weiter so, oder wie man früher sagte: Glück auf

Da wird nichts "geschützt"

Ihr persönlicher Kreuzzug gegen jede Form von Datenschutz liegt voll auf der Linie der hier benannten "Verbesserungen".
Immerhin wird hier das Hohelied auf unverantwortliches, haftungsfreies und umfassendes "Datenteilen" gesungen, mit der üblichen vollständigen Ignoranz der tatsächlichen technischen Möglichkeiten seitens der sogenannten "Experten".

Und das im Zeitalter "Zielgerichteter Werbung" die mir immer das aufschwatzen will was ich bereits vor Jahren erworben habe oder mich mit Dingen belästigt, die mich in keinster Weise interessieren.

Blinde Sammelgeilheit statt zielgerichteter Beschränkung auf tatsächlich relevante Spurenelemente und deren sinnvolle Auswertung sind ein typisches Merkmal aller politischen und industriellen "Konzepte" zum Umgang mit abgefischten Informationen. Dabei gibt es eine zunehmende Anzahl von einfach anzuwendenden Störmöglichkeiten wie das "AdNauseam-Addon für Firefox, die jedwede "Analysen" mit zielgerichteten, automatisierten Fake-Clicks absichtlich in die Irre führen.

Wie "gut" solche Bemühungen enden sieht man in Brexitland, wo sämtliche "digitalen Patientenakten" kostenlos an Amazon verschenkt wurden und teuer zurückgeleased werden.

Daten sind nicht gleich Daten

Leider haben Sie den Grundgedanken des Textes nicht verstanden. Es geht nicht um Daten, die ausgespäht werden können, sondern um Daten, die entstehen, ob wir wollen oder nicht. Bei jedem digitalen Prozess entstehen sie. Die Frage ist, wer sie nutzen darf. Da finde ich den Ansatz bei der Allgemeinheit doch sehr sinnvoll.

Was einmal im Netz ist, ist immer im Netz

Was Sie offensichtlich nicht begreifen ist, das eine reale Gefahr für die eigentlichen Datenverursacher besteht, wenn veraltete oder falsche Informationen mit ihnen korreliert werden.
Die Korrelationsmöglichkeiten machen aus jedem "anonymen" Nutzer über kurz oder lang persönlich zuzuordnende und damit personenbezogene Daten, wer also die (noch) "nicht personenbezogenen Daten" für alle verfügbar machen will zerstört jede Illusion von Datenschutz. Das weltweit, sind es doch gerade die hier bemängelten Interessen der Konzerne, ihren Datenbestand zu behalten, die die Korrelation noch ein wenig ausbremst.

Ein wirksamer Ansatz kann sein, die speichernde und verarbeitende Stelle strafrechtlich haftbar zu machen für die Richtigkeit der Informationen die sie speichert. So vergiftet man den Brunnen der unendlichen Sammelwut, denn zur Zeit hat der Betroffene bestenfalls das fiktive "Recht" in der EU eine Korrektur zu beantragen - sofern man jemals mitbekommt, wer nun was über einen gespeichert hat, was gerade bei durchaus schädigenden "scorings" von z.B. Schufa etc. reale Probleme erzeugen kann. Die Kontrolle über eigene Daten hat ohnehin niemand mehr.

Daten von Maschinen

Haben Sie schon mal darüber nachgedacht, dass es hier vor allem um Daten geht, die von Maschinen erzeugt werden (Stichwort: Industrie 4.0)?

Dafür ist der Text zu allgemein

Haben Sie schonmal drüber nachgedacht das "Industrie 4.0" ein sinnleres Marketingwort ohne jede technische Relevanz ist ? Ungefähr so wie das medial vergewaltigte "Digitalisierung".

"Daten von Maschinen" haben für betreiberfremde Firmen bestenfalls im Bereich Industriespionage Relevanz. Um das zu verstehen müsste man natürlich deutlich näher an der Realität sein als so ziemlich alle sogenannten "Experten".
Mir ist auch nicht wirklich klar, was z.B. Mercedes mit den E/A-Protokollen einer Auskämmmaschine der Bremer Wollkämmerei anfangen soll.

Übrigens sollte jeder Testla-Besitzer und jeder "Smart"phone-Nutzer eher kritisch hinterfragen wohin die "Daten seiner Maschine" verschwinden und was da alles übertragen wird. Es ist logisch das Daten "von Maschinen" erzeugt werden, selbst wenn man altbackene Papiere einscannt.
Ihre Pseudo-Argumentation greift nicht. Eine verallgemeinerte Daten"teilungs"pflicht ohne jede Eingrenzung personenbezogener bzw. mit Personen korrelierbarer Daten, ohne jede Haftung für die Richtigkeit gespeicherter Daten bei der speichernden und ggf verarbeitenden Stelle ist weder angebracht noch sinnvoll.

Zurück auf Anfang

Wie schon zu Anfang gesagt: Sie haben leider nicht verstanden, worum es hier überhaupt geht.

Daten

Sozisaldemokratische Politik muss die Macht der Datenkonzerne begrenzen, rechtsstaatliche Prinzipien müssen auch für Datenkonzerne gelten.
Und dann ist es an der Zeit, daß diese Konzerne mitsamt ihren Plattformkumpeln, ihre Profite hier endlich versteuern. Das muss man vielleicht auch "transatlantischen "Partnern" klar machen.
Nebenbei; noch bekomme ich unerwünschte Werbetelefonate. Speziell von "Energie"anbietern, aber auch Glücksspiel etc.

Die lieben Werbeanrufe...

Die Werbeanrufe sind mir ebenfalls bekannt, deren Nummern sperren bringt leider bei den weniger "seriösen" Belästigern nichts, da sie sehr oft CLI-spoofing betreiben also ihre Rufnummer fälschen. Beschwerden bei der Bundesnetzagentur bringen immerhin die fragwürdige "Befriedigung" das man nach knapp drei Wochen tatsächlich eine Eingangsbestätigung erhält, das wars dann aber auch schon, die gemeldeten Belästiger machen ungehemmt weiter.

haveibeenpwned.org und vergleichbare Seiten lassen zumindest eine Prüfmöglichkeit zu, ob und wie oft die eigene Email bereits international weiterverkauft wurde, mit dem hier vorgetragenen "Konzept" werden dann auch die letzten für die Nutzer nicht sichtbaren Datenschnipsel und Korrelations/Verknüpfungsmöglichkeiten an sämtliche halbseidenen Akteure verschenkt.