
Update, 11. März: Inzwischen kann die Petition der Progressiven Allianz von jedem mitgezeichnet werden. So soll der Druck auf die handelnden Personen erhöht werden, die Impfkampagne „Covax“ stärker zu unterstützen: Hier geht's zur Petition auf change.org. Ursprünglicher Artikel vom 24. Februar 2021:
Als vergangene Woche EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen den „Hera-Inkubator“ als neue Strategie gegen die Corona-Pandemie vorstellte, gab es von den europäischen Sozialdemokrat*innen nur ein verhaltenes Lob. Kritisiert wurde an der neuen Strategie gegen die Coronakrise vor allem das, was fehlte: eine globale Perspektive auf die Pandemie.
„Ein globaler Zugang zu Covid-19-Impfstoffen für alle Länder ist entscheidend, wenn wir die Pandemie erfolgreich eindämmen wollen“, sagte der SPD-Europabeauftragte Udo Bullmann schon vorige Woche, als Ursula von der Leyen erste Fehler bei der Impfstoffstrategie der EU einräumte. Und der Europa-Parlamentarier erneuerte diese Kritik auch, als die Kommissionspräsidentin mit ihren Ideen zu schnelleren Zulassungsverfahren und besserer Nachverfolgung der Corona-Mutationen in die Offensive ging. Er begrüße zwar die Initiative der Kommission, so Bullmann, aber: „Leider kommt dieser Vorstoß sehr spät und berücksichtigt zudem nicht die globale Dimension der Pandemie. Wir dürfen im Wettlauf gegen neue Mutationen auch weltweit keine Zeit mehr verlieren.“
„Covax“: Impfstoff gerecht global verteilen
Eine Perspektive, für die sich Sozialdemokrat*innen weltweit inzwischen starkmachen hört auf den Namen „Covax“. Initiiert von der Weltgesundheitsorganisation WHO sollen mittels „Covax“ alle Nationen weltweit Zugang zu den Impfstoffen bekommen. Das Ziel: eine weltweite Immunisierung, auch als Schutz vor weiteren Infektionswellen und Mutationen, die auch vor Landesgrenzen nicht halt machen. „Zum jetzigen Zeitpunkt sind diese Instrumente jedoch noch nicht in der Lage, eine ausreichende Versorgung des Globalen Südens mit Impfstoffen herzustellen“, kritisiert die Progressive Allianz, ein globaler Zusammenschluss sozialdemokratischer Parteien und Bewegungen.
Denn bislang haben sich die Industrienationen mit eigenen Verträgen einen Großteil der ersten Impfstoff-Lieferungen gesichert. „Andere, insbesondere Länder mit niedrigem und mittlerem Einkommen, haben bislang kaum Zugang“, so die Kritik der Allianz. Ein Problem, das über „Covax“ gelöst werden soll: Die reicheren Nationen verpflichten sich über die Plattform dazu, ärmere Länder finanziell zu unterstützen, sodass am Ende weltweit die Menschen geimpft werden können. Nur: Für diese Unterstützung fehlen laut WHO noch Milliarden, obwohl knapp 190 Nationen „Covax“ bereits beigetreten sind.
Ende Januar war noch von einer Finanzierungslücke von über vier Milliarden Euro die Rede, um wenigstens 20 Prozent der Bevölkerung in Entwicklungsländern bis Jahresende impfen zu können – bei Gesamtkosten von rund 6,8 Milliarden Euro. Desweiteren sollen über die WHO-Gelder auch Forschung und Produktion unterstützt werden, sodass weltweit schneller produziert werden kann und man auch gegen Mutationen des Coronavirus schneller gewappnet ist. Inzwischen haben unter anderem die G7-Staaten weitere Millionen zugesagt, es fehlen aber wohl immernoch über zwei Milliarden. Trotzdem: Die neuen Zusagen machen auch Udo Bullmann Hoffnung, wie er nach dem G7-Treffen kommentierte – aus den Versprechen müsste nun aber auch Realität werden.
Kampf gegen „Impf-Nationalismus“
Deswegen fordert die progressive Allianz ein entschiedeneres und schnelleres Vorgehen und kritisiert Alleingänge: „Jedwede Form von Impf-Nationalismus verursacht schwerwiegende geopolitische sowie wirtschaftliche und soziale Folgen und verhindert eine effektive Bekämpfung des Virus.“ Unterzeichnet ist das Statement von sozialdemokratischen Parteien weltweit, über alle Kontinente verteilt, in dem die ungleiche Verteilung von Covid-19-Impfstoffen kritisiert wird. Gemeint ist damit auch Europa: Laut offiziellem Papier der Kommission hat sich die EU (Stand Februar) rund 2,6 Milliarden Impfdosen von verschiedenen Herstellern vertraglich gesichert – für rund 450 Millionen Menschen, die in der EU leben.
Deswegen fordert die Progressive Allianz nun, dass die Pharmaunternehmen freiwillig miteinander kooperieren, Produktionskapazitäten zur Verfügung stellen und ihre Lizenzen untereinander teilen. Außerdem weist die Allianz darauf hin: „Die Länder der Patentinhaber können auch Zwangslizenzen vergeben, um die Produktion zu beschleunigen.“ Das Ziel einer schnellen und fairen Verteilung von Impfstoffen sollte vor einzelwirtschaftlichen Gewinninteressen rangieren.
„Im ungleichen Zugang zu Impfstoffen und der medizinischen Behandlung von Covid-19 spiegeln sich die Ungleichheiten zwischen und innerhalb von Staaten“, fassen die Unterzeichner*innen des Statements zusammen – und ergänzen: „Erst wenn alle Menschen die Chance hatten, sich impfen zu lassen und wir es geschafft haben, einen ausreichenden Teil der jeweiligen Bevölkerung zu immunisieren, sind wir wirklich sicher.“ Oder, wie Bundespräsident Frank-Walter-Steinmeier am Montag sagte: „Es ist eine Frage der Menschlichkeit.“