
Zurzeit steht bei Sina Trinkwalder das Handy nicht mehr still. Wieviele Anrufe die 42-Jährige am Tag bekommt, weiß sie selbst nicht. Und alle wollen nur das Eine: Atemschutzmasken. Normalerweise stellen Trinkwalder und die Mitarbeiter*innen der von ihr vor zehn Jahren gegründeten Firma „Manomama“ T-Shirts, Hosen und Jacken her. Auch Tragetaschen großer Ketten wie „tegut“, EDEKA und dm werden im Werk in Augsburg produziert. Doch während der Corona-Pandemie verschieben sich die Prioritäten.
„Wir schmeißen Biobaumwoll-Perlen vor die Säue“
„An sich wollte ich jetzt Sommerhemden nähen und keinen Mundschutz“, erzählt Sina Trinkwalder am Telefon. Den Stoff hatte sie bereits abweben lassen, doch statt Oberkörpern bedeckt er nun Münder und Nasen, um vor der Übertragung des Corona-Virus zu schützen. „Eigentlich schmeißen wir da Biobaumwoll-Perlen vor die Säue“, sagt Trinkwalder. Die Trauer ist ihr anzuhören, doch dass sie einen Großteil ihrer Produktion umgeworfen hat, scheint für die Unternehmerin eine Selbstverständlichkeit zu sein.
Wahrscheinlich liegt es im Selbstverständnis ihres Unternehmens, das sich als „ökosoziale Textilfirma“ versteht: So produziert „Manomama“ nicht nur vollständig ohne schädliche Chemikalien, sondern auch vornehmlich mit Menschen, die es im Arbeitsleben schwerer haben – Langzeitarbeitslose etwa, Migranten oder Alleinerziehenden. Alle sind fest angestellt und werden deutlich über dem Mindestlohn bezahlt.
„Meine Leute brauchen mehr Routine als andere“, erklärt Sina Trinkwalder. Vertraute Handgriffe würden vielen Sicherheit geben – ein Grund, nicht die gesamte Produktion auf Atemschutzmasken umzustellen. Die Nachfrage dafür wäre da. Im Februar meldeten sich die ersten Krankenhäuser aus dem Umland, ob „Manomama“ für sie Mundschutz nähen könnte. Das Corona-Virus war da noch relativ weit weg, aber die Krankenhaus-Bestände an Schutzbekleidung niedrig. „Vieles war laut Erzählungen nach Asien geliefert worden“, berichtet Trinkwalder.
Mundschutz zum Selbstkostenpreis von 3,40 Euro
Also begann sie, Stoffe zu prüfen und Schnittmuster zu entwickeln. „Wichtig war zum Beispiel, dass sie kochbar sein sollten.“ Was banal klingt, ist eine echte Herausforderung. „Jedes Krankenhaus hat ein anderes Waschverhalten“, weiß Sina Trinkwalder mittlerweile. Ihr Mundschutz muss jedem standhalten. Ende Februar wurden die ersten Exemplare des Manomama-Mundschutzes produziert. Mittlerweile sind es rund 50.000.
Trinkwalder verkauft sie zum Selbstkostenpreis von 3,40 pro Stück an Krankenhäuser und Altenheime. „Profit aus dem Gesundheitssystem zu ziehen, ist unredlich“, sagt sie. Dass andere aus dem aktuellen Engpass bei Schutzbekleidung durchaus Profit schlagen wollen, musste sie erst kürzlich erfahren: Ein Arzt hatte sich bei ihr gemeldet, der vorgab, für verschiedene Kliniken zentral einzukaufen. Nur durch Zufall bekam Trinkwalder heraus, dass er den bei ihr bestellten Mundschutz mit deutlichem Aufschlag weitergeben wollte. „Ich finde es SCHEISSE, wenn aus dem Selbstkostenpreis von 3,40 Euro am Ende für ein Krankenhaus 5,80 Euro werden“, schrieb sie erbost auf Twitter. „Mit der Not anderer macht man kein Geschäft“, sagt sie am Telefon.
Ein Schal gegen Pollen soll nun vor Corona schützen
Dabei könnte auch „Manomama“ von der Corona-Pandemie profitieren – allerdings eher unbeabsichtigt. Bereits vor einem halben Jahr brachte die Firma mit dem „urbandoo“ einen Schal mit innenliegendem Filter-Inlay auf den Markt. „Eigentlich soll er vor Pollen und Staub schützen“, erklärt Trinkwalder die Idee, die sie sich hat schützen lassen. Doch in Zeiten von Corona entwickelt sich der Atemschutzschal aus anderen Gründen zum Verkaufsschlager. „Wir weisen aber ausdrücklich darauf hin, dass er nicht als Medizinprodukt zertifiziert ist“, sagt die Manomama-Chefin.
Seit sechs Wochen tragen auch all ihre Mitarbeiter*innen in der Produktion einen urbandoo-Schal. Der Werksverkauf wurde aus Sicherheitsgründen geschlossen. Krank oder in Quarantäne wegen Corona ist bisher niemand. „Ich hoffe sehr, dass das so bleibt“, sagt Trinkwalder. Und noch etwas hofft sie: „dass wir nicht mehr allzu lange Mundschutze nähen müssen“.