Jahresbericht Welthungerhilfe

Corona, Krieg, Klimawandel: Warum Hunger weltweit zunimmt

Jonas Jordan12. Juli 2022
Zahlreiche Menschen weltweit leiden, wie hier in Kenia, unter dem massiven Preisanstieg für Lebensmittel.
Zahlreiche Menschen weltweit leiden, wie hier in Kenia, unter dem massiven Preisanstieg für Lebensmittel.
Der Jahresbericht der Welthungerhilfe liefert alarmierende Zahlen: Die Zahl der an Hunger leidenden Menschen hat weltweit stark zugenommen. Das liegt am Krieg in der Ukraine, aber auch an Corona und dem Klimawandel.

Der am Dienstag vorgestellte Jahresbericht der Welthungerhilfe zeichnet ein düsteres Bild. Demnach sind bis zu 828 Millionen Menschen weltweit aktuell chronisch unterernährt. Das bedeudet einen Anstieg von mehr als 150 Millionen seit Ausbruch der Corona-Pandemie vor gut zweieinhalb Jahren, wie Marlehn Thieme, Präsidentin der Welthungerhilfe, bei einer Pressekonferenz in Berlin erläutert. Demnach habe sich ein bereits vor der Pandemie erkennbarer Trend sichtbar verstärkt. „Die Weltgemeinschaft hat es versäumt, auf frühe Warnzeichen zu reagieren und Ernährungssysteme krisenfester und nachhaltiger zu gestalten“, kritisiert Thieme.

Der russische Angriffskrieg in der Ukraine wirke zusätzlich wie ein Brandbeschleuniger und führe zu einem rasanten Preisanstieg für Lebensmittel. Die Welthungerhilfe erhalte daher „verzweifelte Hilferufe aus allen 36 Projektländern, von Afghanistan bis Simbabwe“. Thieme sagt: „Es leiden insbesondere diejenigen am stärksten, die ohnehin zu den Ärmsten gehören und am wenigsten zu den Krisen beigetragen haben.“ Besonders dramatisch sei die Situation am Horn von Afrika, in Kenia, Somalia und Äthiopien. Dort gebe es die schlimmste Dürre seit 40 Jahren. 

Welthungerhilfe: 14 Milliarden US-Dollar zusätzlich bis 2030 notwendig

Die Welthungerhilfe, die in diesem Jahr ihr 60-jähriges Bestehen feiert und über ein Jahresbudget von 310 Millionen Euro verfügt, helfe in dieser Region beispielsweise mit Nahrungsmitteln, Bargeld, Haushaltsgeschirr. Grundsätzlich zeigt sich Thieme überzeugt, dass der Hunger besiegt werden könne. „Das ist eine Frage des politischen Willens.“ In diesem Zusammenhang lobt die Präsidentin der Welthungerhilfe das Engagement der Weltgemeinschaft: „Wir begrüßen, dass die globale Politik die Priorität und die Notwendigkeit begriffen hat. Es war wichtig und richtig, die Hungerbekämpfung ganz oben auf die Agenda des G7-Gipfels zu setzen.“

Jedoch seien zusätzlich zu den angekündigten Zahlungen der Weltgemeinschaft weitere 14 Milliarden US-Dollar notwendig, um 500 Millionen Menschen bis zum Jahr 2030 aus dem Hunger zu holen. Thieme macht zudem deutlich: „Wir brauchen einen grundlegenden Wandel der Nahrungsmittelversorgung.“ Sie appelliert an die Bundesregierung, dem Kampf gegen den Hunger entsprechende Priorität zu geben. „Deutschland schaut in dieser Zeit nicht nur nach Osten, sondern auch nach Süden. Es drohen Hungersnöte, weil Putin den Hunger gezielt als Waffe einsetzt“, hatte auch Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) angesichts des russischen Angrifsskrieges in der Ukraine und dessen Folgen schon Mitte Mai beim Treffen der G7-Entwicklungsminister*innen in Berlin gewarnt.

SPD-Expertin: Lokale Produktionen stärken

Die entwicklungspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Sanae Abdi, bekräftigt auf Nachfrage des „vorwärts“: „Die drastische Erhöhung der Lebensmittelpreise ist auch eine Folge von Putins Angriffskrieg in der Ukraine. Schon lange wirkende strukturelle Ursachen von Armut und Ungleichheit werden vor dem Hintergrund multipler Krisen dabei gerade in vielen Ländern des globalen Südens verstärkt. Und wir wissen: Hunger von Menschen wirkt destabilisierend, ganz besonders in fragilen Kontexten. Ernährungssicherheit ist also immer auch eine Frage von Frieden und Sicherheit.“

Laut Abdi brauche es nun gezielte Programme der internationalen Zusammenarbeit, um lokale Produktionen zu stärken und die ländliche Entwicklung langfristig zu fördern. „Wir müssen jetzt investieren, um Ernährungssysteme krisenfester und klimaresilienter zu machen. Unser Ziel muss eine langfristige Ernährungssouveränität sein. Dazu gehört für mich auch, dass wir Länder des globalen Südens dabei unterstützen, für sie passende soziale Basisschutzsysteme zu etablieren und uns für die Entschuldung für vom Hunger besonders betroffene Staaten im Globalen Süden einsetzen“, fordert die SPD-Bundestagsabgeordnete.

Abdi fordert: Mehr Geld für Entwicklungszusammenarbeit

Der Bericht der Welthungerhilfe zeige zudem einmal mehr, dass ein gut ausgestatteter Haushalt des Entwicklungsministeriums notwendig sei. „Dies ist in Zeiten wie diesen keine freiwillige Wohltat, es ist eine humanitäre Pflicht“, kommentiert Abdi. Matthias Mogge, Generalsekretär der Welthungerhilfe, hatte zuvor in der Pressekonferenz am Vormittag die geplanten Kürzungen innerhalb des Haushalts des Entwicklungsministeriums kritisiert.

weiterführender Artikel

Kommentare

Welthunger

Nun machen die exportierbaren Weizenernten der Ukaine so ca. 1% der Weltgetreideernte aus, aber in D, der EU und in den USA werden bis zu 10% des Getreides in Schnaps zum Autofahren verwandelt. Die Weltgetreideernte reicht aus jedem Menschen täglich 1 kg Getreide zur Verfügung zu stellen, aber das Problem - es ist nicht neu - der Spekulation mit Nahrungsmittel wird wieder "dem Putin" angehängt. Sozialdemokratische Expertinnen sollten klar benennen, daß da auch andere Akteure maßgeblich beteilig sind.

Sie übersehen, dass diese

exorbitante Menge nur erreicht wird, wenn über die Maße, also ohne Rücksicht auf Grundwasser uns nachfolgende Generationen gedüngt wird. Von dieser Produktionsmethorde wollen wir uns eigentlich verabschieden. Da fragt man sich dann: was nun? welchen Tod wollen wir sterben.

Ihr widerholten Hinweise auf Spekulanten treffen im Nirgendwo- sie langweiligen mich und sicher andere mit mir

Produktionsmethode

Eigentlich wollte ich nur das Starren auf die ukrainischen Exportüberschüsse bei "Weizen" hinweisen und die Wirkung der diesbezüglichen Propagand auf die Weltmarktpreise. In den öffentlichen Statistiken zu den Erntemengen kommen auch nur die Mengen vor, die an "Märkten" teilnehmen. Die "Grüne Revolution" mit ihren dünge- und pestizidabhängigen Sorten hat gut für die Weltmarktstatistik gewirkt und Milliarden bäuerlicgher Existenzen - hier und im globalen Süden - vernichtetet. Die Akkumulation des Kapitals in der Landwirtschaft, verbunden mit der Existenzvernichtung von Bauern (nicht Agrarindustriellen) ist per Landgrabbing immer noch in vollen Gange - und vermittels EU-Subventionen, "Entwicklungshilfe", ungleichen Handelsverträgen ....... geht das weiter.
Und bei allem Geschrei um Getreide findet der Anbau von Knollenfrüchten und Gemüse - beide leisten einen erheblichen Betrag zur Ernährung - medial kaum Resonanz. Ja das Zeug ist schlecht lagerbar = hortbar und eignet sich nicht so gut für "Märkte".
Der agrarindustrielle Trecker scheißt - im Gegensatz zu bäuerlichen Arbeitstier - auch keinen Dünger.

nein das überzeugt mich nicht, denn mit der

hier lobgepriesenen bäuerlichen Landwirtschaft- gerade in der II Welt, wäre das Bevölkerungswachstum, so wie es sich darstellt, nicht möglich gewesen. Wenn wir nun dahin zurück wollen- also zurück zur bäuerlichen landwirtschaft mit naturdünger, dann müssen wir die Frage erwarten, wer denn die Menschen ernähren soll, deren Dasein erst aus den Überschüssen der industriellen Landwirtschaft ermöglicht wurde. Zurück auf Start bedeutet im ergebnis: Weg mit diesen Menschen.- und wenn nicht mit diesen Menschen, weg mit den Tieren, die in Nahrungskonkurrenz zum Menschen stehen. beispielsweise könnte man z.B. Elefanten, Zebras,Gnus und Giraffen in Afrika, von einigen Tieren in den Zoos abgesehen, auch ausrotten, dann wäre Platz da, weitere Flächen mit den Mitteln der bäuerlichen Landwirtschaft zu bestellen, ohne das nutzlose Fresser sich am Getreide guttun. Es muss auch mal zuende gedacht werden, mit dem, was so kursiert. Immer nur einen Aspekt ins Zentrum rücken, alles andere ausblenden, das schafft eine schöne, bestenfalls marginal verbesserungsfähige Welt. Die Probleme verdienen und benötigen eine ganzheitliche Betrachtung

Ganzheitliche Betrachtung

Das lassen die 1200 Zeichen hier nicht zu.
Aber Elefanten, Gnus, Zebras etc. fressen Gras und Laub - da sind sie keine Nahrungskonkurrenz zu Menschen - auf Land, das sich zum Ackerbau nicht eignet. Ähnliches gilt auch für viele Nutztiere in diesen Weltgegenden;das gilt auch für "entwickelte" Länder. z.B. sind in der USAmerikanische Prärie, Oglallaaquifer, die Grundwasserstände durch Ackerbau bis zu 40 m abgesenkt worden. Der Colorado wird so leerbewässert, daß kaum noch ein Tropfen Wasser in den Golf von Baja California ankommt.
Zur Bevölkerungskontrolle: Jede Frau hat das Recht soviel oder sowenig Kinder zu bekommen wie SIE möchte !

ja, aber wo Gras wächst,

würde auch Weizen wachsen, oder könnten Ziegen und Rinder weiden, nützliche Tiere der bäuerlichen Landwirtschaft- Darum geht es

Landwirtschaftsexperte max freitag

Entschuldige die Polemik. In Grasländern werden ja Weidetiere gehalten. Rinder, Kamele, Pferde, Ziegen, Schafe und selbst Gnus, Zebras, Elefanten + Co. kann man bewirtschaften, wie das z.z. in südlichen Afrika gemacht wird.

Warum Hunger in einigen Teilen der Welt zunimmt!

Dazu muss man bspw. auf die Bevölkerungsentwicklung der letzten 50 Jahre gucken. Und auf die Verhinderung von Empfängnisverhütung durch katholische Kirche und Islam.

Genau so muss man nach zwischenstaatlichen, landesweiten, regionalen oder lokalen Kriegsschauplätzen gucken und auf marodierende Kriegshorden, die die Felder der lokalen Bauern niederbrennen.

Die "Grüne Revolution" der 1960er entzog lokalen Landwirtschaften deren Existenzgrundlage und machte sie von Agrokonzernen abhängig. Damit gingen auch lokale an die Verhältnisse angepasste Pflanzen und Anbauweisen verloren.

Durch den Boykott der Russischen Föderation sowie damit verbundener Aussetzung des Wettbewerbs ermöglichte man Produzenten, Händlern und Spekulanten, eine Profit-Preis-Spirale zu erzeugen, die solange genutzt wird, solange der Boykott gegen die RF und die Aussetzung des Wettbwerbs weitergeführt werden.

Gegen Trockenheit hilft übrigens nur eine gut funktionierende Wasserwirtschaft. Dazu benötigt man insbesondere Kavernen sowie eine zielgerichtete Bewässerung von Feldern. Das aber ist nur in kriegsfreien Gebieten möglich.