Pandemie

Corona in Benin: Harte Maßnahmen, stabile Zahlen

Hans-Joachim Preuß02. April 2020
Motorradtaxifahrer in gelben Hemden prägen normalerweise das Bild der beninischen Stadt Cotonou. Sie sind weniger geworden in Zeiten von Corona.
Motorradtaxifahrer in gelben Hemden prägen normalerweise das Bild der beninischen Stadt Cotonou. Sie sind weniger geworden in Zeiten von Corona.
Anders als seine Nachbarländer hat das westafrikanische Benin noch keine Todesfälle aufgrund der Corona-Pandemie zu beklagen. Doch die zu erwartende globale Rezession könnte das kleine Land hart treffen.

Aus Cotonou, der Metropole im westafrikanischen Benin, sind sie nicht wegzudenken: die zémidjan. So werden die Fahrer der Motorradtaxis genannt, die – gekleidet in leuchtend gelbe Westen - bis zu vier Passagiere befördern. Als wäre dies nicht genug, transportieren die Fahrgäste auch noch kunstvoll Hühner in Schreckstarre, tropfende Benzinkanister und überdimensionale Schaufensterscheiben am Lenker, auf dem Kopf  und an der Hand. Morgens und abends verstopfen die knatternden und rauchenden Zweiräder zu Tausenden die Haupt- und Seitenstraßen. Dann kam Corona. In sehr kurzer Zeit hat sich sehr viel geändert: kein Stau, wenig Gelb, maximal zwei auf dem Krad.

Grenzen dicht, Süden des Landes abgeriegelt

Seit Montag ist der Süden des Benin, ein Gebiet von 2.000 Quadratkilometern, von einem polizeilich geschützten Sperrgürtel umgeben. Außer Waren darf nichts rein und nichts raus. Versammlungen mit mehr als zehn Menschen sind im Inneren der Schutzzone untersagt. Universitäten, Schulen und Kindergärten sind geschlossen. Bars und Diskotheken haben ihre Lichter ausgeknipst. Auf Märkten und in Geschäften gilt ein Abstandsgebot, die wenigen offenen Läden bieten ihrer Kundschaft Handwaschbecken und Desinfektionsmittel. Schon vorher war der internationale Flughafen geschlossen worden. Die letzten ankommenden Passagiere mussten eine vierzehntägige Quarantäne in von der Regierung angemieteten Unterkünften antreten. Die Grenzen zu den umliegenden Ländern Nigeria, Togo und Burkina Faso waren innerhalb weniger Tage dicht.

Das Corona-Virus hat Benin binnen weniger Tage entschleunigt. Vor zwei Wochen wurde die erste Infektion diagnostiziert, der dann rasch fünf weitere folgten. Seither ist dieser Wert stabil, ganz anders als in den Nachbarländern, wo die Krankenzahlen dynamisch steigen. Dennoch war einigen die Regierung nicht schnell genug mit den Einschnitten ins öffentliche Leben. Studentenvereinigungen forderten den Staatschef zu einer sofortigen Beendigung der Vorlesungen, da keine Hygienevorrichtungen installiert waren und in den Hörsälen wie üblich Enge herrschte. Daraufhin wurden die Rädelsführer in polizeilichen Gewahrsam genommen. Bei einer Demonstration der Studierenden gegen die Festnahmen kam ein junger Mann ums Leben. An CoVid-19 ist hier glücklicherweise noch niemand gestorben …. Anderen sind die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie zu wenig radikal. Sie wünschen sich einen völligen Stillstand der Mobilität mit freiwilliger oder erzwungener Isolierung der Bürger*innen nach dem Modell anderer afrikanischer Länder.

Reduzierung mit Augenmaß

Der Präsident hat in einem Interview die Linie der Regierung verteidigt: Es gehe darum, in einem Land, dessen Bevölkerung zu einem Großteil von prekären Beschäftigungsverhältnissen abhängt, Erwerbsmöglichkeiten nicht zu beschneiden. Daher sei wichtig, mit Augenmaß und kaltem Blut die Ausbreitung der Krankheit zu reduzieren, aber eben nicht um den Preis eines anschließenden wirtschaftlichen Niedergangs.

Leider wurden in diesem Diskurs keine Maßnahmen zur Abfederung sozialer Härten betroffener Bevölkerungsgruppen angekündigt. Denn bereits jetzt sind Auswirkungen auf Ärmere spürbar: Marktfrauen, Hilfsarbeiter und Hausangestellte kommen nur unter Inkaufnahme höherer Kosten zu ihrem Broterwerb, denn die wenigsten wohnen in der Nähe ihrer Arbeitsplätze. Der größte Teil der Bedienungen in der Gastronomie, sehr häufig Migrantinnen aus Togo, wurde entlassen. Straßenverkäufer*innen schließen ihre Stände, weil der geforderte Mindestabstand zwischen Kund*innen und Dienstleister*innen nicht einzuhalten ist. Taxifahrer motten ihre Autos ein und kehren in ihre Heimatdörfer zurück, weil bei nur drei zahlenden Kunden ihre Kosten nicht gedeckt werden.

Das dicke Ende: die globale Rezession

Das dicke Ende wird dann kommen, wenn niemand mehr über Corona spricht. Die zu erwartende globale Rezession wird nicht nur, aber auch Armutsgruppen in Benin treffen. Im Moment wird die Baumwollernte über den Hafen Cotonou verschifft. Der Weltmarktpreis für das Hauptexportprodukt des Landes ist auf dem tiefsten Stand seit fünf Jahren. Die Baumwollbäuer*innen werden die Auswirkungen spüren. Der große Nachbar Nigeria mit 200 Millionen Einwohnern, deren Kaufkraft der beninischen bäuerlichen Landwirtschaft zusätzlichen Absatz von Nahrungsmitteln, tropischen Früchten und anderen verarbeiteten Produkten beschert, leidet massiv unter dem Einbruch der Erdölpreise. Die Steuer- und Einnahmenausfälle, die ein geringerer Umschlag im Hafen und ein erheblich schrumpfender Transitverkehr zwischen den Küstenländern und dem Sahel im Norden nach sich ziehen dürfte, werden der Regierung keinen Spielraum lassen, um Nachhaltigkeitsziele wie Erziehung, Gesundheit und Nahrung für alle zu erreichen.

Selbst wenn die Ausbreitung des Virus gestoppt werden kann: Sein Fußabdruck in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft des Benin wird auch dann noch sichtbar sein, wenn die zémidjan wieder knatternd, rauchend und voll beladen das Straßenbild dominieren.

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