
Demokratie lebt vom Mitmachen und dennoch stellen wir immer wieder fest: Viele Menschen fühlen sich von der Politik weder gesehen noch gehört. Und manchmal sogar nicht einmal geschützt. Ich muss gestehen, dass es mir ähnlich ging, bevor ich mich in der SPD engagierte. Ich war hoch politisch und hatte dennoch das Gefühl, die Entscheidungsträger*innen hörten uns Lesben und Schwulen nicht zu und wir wären ihnen egal.
Diese Gefühle, dieses Misstrauen teilten andere in ähnlicher Form auch und sie führten dazu, dass sich viele aus meiner Community von der Politik und vor allem auch von der Sozialdemokratie entfernt haben. Ähnliche Entwicklungen konnten wir in den vergangenen zehn Jahr auch unter den Arbeitenden und Arbeitssuchenden bzw. unter Migrant*innen beobachten.
Wie wir Demokratie wieder erfahrbar machen
All das ist nicht neu: Demokratische Parteien, aber auch Gewerkschaften und Vereine verlieren stetig Mitglieder. Das Vertrauen in unsere politischen Institutionen ist zwar generell hoch, aber es ist insbesondere rechten Kräften gelungen, das Vertrauen in die Handlungsmacht von Politik und in die freie und kontrollierende Presselandschaft zu untergraben.
Wie groß der Riss ist, der durch unsere Gesellschaft geht, zeigt sich gerade in Zeiten der Corona-Pandemie. Viele Menschen verlieren sich in Traumwelten und irrationalen Theorien. Wie so vielen reicht es mir nicht, erschreckt daneben zu stehen oder aktiv gegenzuhalten. Das ist alles richtig, aber die große Frage bleibt: Wie finden wir als Gesellschaft wieder zusammen und wie machen wir Demokratie wieder erleb- und erfahrbar?
Eine Bewegung mit neuem Selbstbewusstsein
Ich bin dankbar, dass ich damals einen Weg raus aus meiner politischen Frustration gefunden und die Macht des Mitmachens erlebt habe: Ich habe mich mit Nachbar*innen, Freund*innen und den Menschen um mich herum solidarisiert und zusammengeschlossen. Wir hörten einander zu, recherchierten Möglichkeiten und Wege, unsere Situation zu verbessern, wir vernetzten uns mit anderen Menschen und Gruppen und wir organisierten uns.
Innerhalb weniger Wochen entstand daraus eine kraftvolle Bewegung, die sich mit neuem Selbstbewusstsein engagierte und sich Gehör verschaffte. Wie sehr hätte ich mir damals gewünscht, dass sozialdemokratische Lokalpolitiker*innen uns zuhören, unserer Energie aufnehmen und uns unterstützen.
Das Engagement in den Kiezen fördern
Gute lokale Politik vor Ort muss aber genau dazu in der Lage sein, dieses Engagement innerhalb der Kieze, diesen Willen für positive Veränderung in der Nachbarschaft zu fördern. Nur so lässt sich aus meiner Sicht eine echte offene, demokratische Gesellschaft bestärken. Gerade für Menschen, die sich benachteiligt fühlen, ist die Beteiligung an Gestaltungsprozessen von essentieller Bedeutung. Zuhören ist hier ein erster wichtiger Schritt.
Zugegeben: Zuhören ist das Schwierigste in der Kommunikation. Den verschiedenen Ansichten und Ideen, sowie den Sorgen und den Enttäuschungen der Menschen einen wertschätzenden Raum zu geben, ist nicht immer einfach, aber essentiell für gute und langjährige Beziehungen. Das gilt sowohl im Privat- und Geschäftsleben als auch in der Politik. Wer im politischen Alltag den Anspruch erhebt, sich um die Sorgen der Menschen kümmern zu wollen, muss das Zuhören sehr gut draufhaben. Genau das erwarten die Menschen von ihren Politiker*innen.
Es braucht Politiker*innen mit Leidenschaft
Gerade jetzt, wo die Pandemie die individuellen alltäglichen Strukturen der Menschen durcheinander gewirbelt hat, wo die Initiativen vor Ort nicht wie gewohnt ihrer Arbeit nachkommen können, wo Kinder und Jugendliche in ihrer Freizeitgestaltung stark eingeschränkt sind und ihre Rückzugsorte teilweise wegbrechen, gerade jetzt braucht es Politiker*innen mit der Leidenschaft.
Gute kommunale Politik wird erst dann wahrgenommen, wenn sie sich auch um die kleinen Dinge kümmert. Die alleinerziehende Mutter braucht Lösungen und Unterstützung, wenn sie während der Pandemie ihr Kind nicht zur Kita bringen kann und dennoch zur Arbeit muss. Der Großvater, der aus Angst oder mangelnder Infrastruktur nicht mehr vor die Tür geht, braucht Angebote, die ihn einbinden und nicht vergessen. Die jungen Menschen, die nicht mehr im Verein oder am Wochenende im Club ihrer Energie ein Ventil geben können, brauchen als Ausgleich dringend neue Angebote.
Die Macht des Mitmachens organisieren
Das sind die Herausforderungen der Gegenwart und der Zukunft, mit denen sich unsere Lokalpolitiker*innen neu auseinandersetzen müssen. Aber aus meiner Sicht eben nicht nur als Repräsentant*innen, die sich den Problemen für andere annehmen, sondern indem sie die Macht des Mitmachens erfahrbar machen und organisieren.
Der Weg dahin führt aus meiner Sicht nicht am Community Organising vorbei, einem Ansatz, der in den USA, Großbritannien, aber auch in Deutschland immer erfolgreicher praktiziert wird. Politische Vertreter*innen vernetzen sich hierbei mit den Menschen eines Kiezes oder eines Stadtteils mit dem Ziel, das Miteinander neu auszugestalten. Zuhören, aktiv vernetzen, gemeinsames Handeln zu initiieren, das muss der Anspruch einer modernen Kommunal- und Landespolitik sein – ein Ansatz, der z.B. sehr gut von der SPD Rheinland-Pfalz in Ludwigshafen umgesetzt wird.
Diese Strategie ist deshalb so wirkmächtig, weil sie die Menschen in ihren vielfältigen Kompetenzen bestärkt und sie darin unterstützt, sich selbst für ihre Anliegen einzusetzen. Wer daran anknüpft und gemeinsames Handeln ermöglicht, schafft gleichzeitig ein neues Zusammengehörigkeitsgefühl und legt die Grundlage für eine lebendige Demokratie.
Der Kitt der Gesellschaft
Damit diese Arbeit auch gelingt, müssen die lokalen Projekte weiter gefördert werden. Die Communities der verschiedensten Bewegungen sind letztendlich der Kitt der Gesellschaft und sie leisten wichtige soziale, kulturelle Arbeit. Aus meiner Sicht ist es essentiell, dass wir uns hier als Politik weg von der Projektförderung bewegen und uns als SPD für dauerhafte Strukturförderungen stark machen.
Corona hat auch uns politisch Aktiven aus unserem gewohnten Trott rausgerissen. Wir haben alle gemerkt, dass wir neue Wege finden müssen, Politik zu machen. Ich hoffe, diese Erfahrung hat uns offener gemacht für neue Ideen und Ansätze. Wer sich als kommunal Verantwortliche mit mir auf den Weg machen möchte dazuzulernen und die Macht des Mitmachens spürbar werden zu lassen, darf sich gerne bei mir melden.
Es gibt für unsere SPD und unsere Politiker*innen vor Ort viel zu tun und zu organisieren – lasst uns gemeinsam an die Arbeit gehen!