
Johann Wadephul will mit französischen Atomwaffen eine eigenständige nukleare Abschreckung für die EU aufzubauen. Das sei notwendig, behauptet der CDU-Fraktionsvize gegenüber dem Tagesspiegel. Was für ein Unsinn! Mit Atombomben die Freiheit verteidigen – diese Idee brachte die Welt schon einmal an den Rand der Zerstörung. Für den Kampf gegen den Terrorismus oder Cyberattacken sind solche angestaubten Ideen aus der Mottenkiste des Kalten Kriegs vollkommen sinnlos.
Der internationale Terrorismus hat kein geographisches Zentrum, keinen Regierungssitz, auf das man mit nuklearen Sprengköpfen zielen könnte. Regionale Konflikte lassen sich nicht dauerhaft lösen, indem man mit einem nuklearen Erstschlag droht. Ganz zu schweigen von den digitalen Angreifern, die mit Viren, Trojanern und Bot-Netzwerken die Infrastruktur ganzer Staaten lahmlegen können, ohne auch nur eine Rakete zu starten. Das alles sind Bedrohungen, die mit Massenvernichtungswaffen nicht abgewehrt oder gar gelöst werden können.
Falsche Antwort auf neue Bedrohungen
Zugegeben, weltweit rüsten Nationen wie Russland, China und die USA wieder auf, auch atomar. Indien, Saudi-Arabien und nicht zuletzt Nordkorea sind ebenfalls maßgeblich an den weltweit steigenden Militärausgaben beteiligt. All das gibt wenig Hoffnung, dass eine atomwaffenfreie Welt in naher Zukunft möglich ist.
Dass andersrum mit Atomwaffen der Frieden auf der Welt gesichert werden kann, ist aber genauso unrealistisch. Die Idee, mit einem möglichst bedrohlichen Waffenarsenal den Feind von einem militärischen Erstschlag abzuhalten, führte in der Vergangenheit zu einem Wettrüsten, an deren Ende USA und Sowjet-Union gleichermaßen die ganze Erde hätten verseuchen können. Ein Wahnsinn, den man nach dem Zusammenbruch des Ostblocks überwinden wollte. Die Ostermärsche, die Friedensbewegung, die Proteste gegen den Nato-Doppelbeschluss waren ein Ausdruck dieser Hoffnung. Sie richteten sich gegen eine schon damals als irrsinnig empfundene Politik.
Vielleicht gab es in der Vergangenheit sogar gute Gründe für diesen atomaren Schutzschild, vielleicht war es trotz aller Widerstände die beste Möglichkeit, der Bevölkerung ein Gefühl der Sicherheit zu vermitteln. Doch diese Strategie entstand in einer Zeit, als sich die Welt noch grob in Ost und West, in Kommunismus und Kapitalismus, Nato oder Warschauer Pakt unterteilen ließ. Der Feind saß in Moskau und Peking, der Freund des demokratischen Westeuropas in Washington.
Die Zukunft ist zu kompliziert für Atomwaffen
Die Überlegung, Europa im 21. Jahrhundert mit einem europäischen Atomwaffenarsenal zu schützen, wirkt seltsam aus der Zeit gefallen. Die Welt ist komplizierter geworden, der oder die Feinde können heute nicht mehr mit einer Stecknadel auf der Landkarte markiert werden. Das sollten Politiker*innen bedenken, wenn sie Begriffe wie nukleare Abschreckung in den Mund nehmen. Das heißt übrigens nicht, dass eine europäische Sicherheitspolitik sinnlos ist. Solche Gedanken sollten aber nicht in der Freund-Feind-Denkweise der Vergangenheit hängen bleiben sondern die Bedrohungen der Zukunft im Blick haben.